Gewaltausbrüche in Großbritannien: Deutsche Medien berichten nicht die ganze Wahrheit
Nach einer Woche migrationsfeindlicher Krawalle ist kein Ende in Sicht. Die Erklärungen sind für viele deutsche Medien schnell gefunden. Aber bilden sie die ganze Realität ab? Die Analyse.
https://www.berliner-zeitung.de/politik ... li.2242010Wenn es nach vielen deutschen Medien geht, sind die Ereignisse auf britischen Straßen schnell erklärt: Fremdenfeindliche Gewalttäter attackieren Minderheiten aufgrund der gezielten Manipulation von rechtsextremen Demagogen, die die Bluttat von Southport zum Anlass nehmen, sich so richtig auszutoben.
Reflexhaft werden oft gehörte Allgemeinplätze abgespult: Rassismus, Falschinformation, das Internet. Mehr Kontrolle sozialer Netzwerke wird gefordert. Der Spiegel spricht gar von Großbritanniens „Rostock-Lichtenhagen-Moment“ und nimmt somit Bezug auf die Neonazi-Mobs, die 1992 ein Haus niederbrannten, in dem vietnamesische Vertragsarbeiter lebten.
Diese Zutaten machen einen wichtigen Teil der derzeitigen Ausschreitungen aus. Ob sie aber die gesamte Realität abbilden, ist mehr als fraglich.Auslöser der Unruhen im Vereinigten Königreich war der Messerangriff auf einen Taylor-Swift-Tanzkurs in Southport bei Liverpool am vergangenen Montag, bei dem drei Kinder getötet und mehrere Menschen schwer verletzt wurden. Im Internet waren unter dem Hashtag „#EnoughisEnough“ („genug ist genug“) anschließend Falschnachrichten verbreitet worden, wonach der mutmaßliche Angreifer ein muslimischer Asylbewerber gewesen sein soll, der mit einem Boot illegal eingereist sei.
Inzwischen wurde der Name des Verdächtigen veröffentlicht. Es handelt sich um einen in Großbritannien geborenen 17-Jährigen, dessen Eltern aus Ruanda stammen. Das Motiv für die Tat ist weiterhin unklar.Auf der Plattform X kursierten Aufnahmen von migrantischen Jugendlichen, die Gegenstände trugen, die wie Macheten und Schwerter aussahen. Das heizte die Stimmung zusätzlich an. Die Authentizität dieser Aufnahmen ließ sich nicht feststellen. Laut Berichten wurde zudem eine Crew des Fernsehsenders Sky angegriffen. Am Montagabend griffen in Birmingham laut Medienberichten vermummte muslimische Randalierer einen Pubbesucher an, traktierten ihn mit Tritten.Den Begriff der „Rassenkrawalle“ hält O’Neill für falsch und setzt ihm den der „Identitätskrawalle“ entgegen. Seiner Auffassung nach spielt die staatsoffizielle Identitätspolitik eine zentrale Rolle dabei, sozial benachteiligten Briten migrantischer als auch nichtmigrantischer Herkunft ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit und Spaltung zu vermitteln.Abseits der migrations- und islamfeindlichen Parolen sind die Motive der Demonstranten nicht immer direkt zu erkennen. So werden diffuse, zum Teil widersprüchliche Inhalte verbreitet: Es sind Hitlergrüße genau wie Anarchiesymbole auf Englandflaggen zu sehen. Gegenprotestler zeigen Palästina- und Antifa-Fahnen.
Bisher scheinen Politiker jedenfalls keine Antworten zu finden, die sich nicht in der Androhung von rechtsstaatlicher Härte erschöpfen. Nicht nur ist der soziale Frieden des Inselstaates nachhaltig in Gefahr, vor allem geraten die Opfer des Blutbades in Southport in Vergessenheit: Drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun, die bloß zu Taylor Swift tanzen wollten