Die Kinder sind längst noch nicht wütend genugDie Schülerinnen und Schüler, die jeden Freitag auf die Straße gehen, haben etwas Entsetzliches verstanden: Sie werden gerade verraten. Dafür hat diese Woche wieder erschütternde Beispiele geliefert.
Fridays-for-Future-Demonstration von Schülerinnen und Schülern in Berlin am 29. März 2019FELIPE TRUEBA/EPA-EFE/REX Kolumne "Die Träumereien über eine langsame Anpassung an den Klimawandel müssen schnell ein Ende finden, denn die harte Realität eines immer schneller werdenden Rhythmus von Störungen und Unvorhersehbarkeiten ist bereits eingetreten."
Der Klimaforscher Michael E. Mann in "Der Tollhauseffekt" (2018)Bitte stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie und Ihr Partner haben ein Kind im Grundschulalter. Es leidet an einer seltenen Erbkrankheit. Ab spätestens seinem 18. Lebensjahr wird es immer stärkere Schmerzen und andere Qualen erleiden. Seine Lebenserwartung ist drastisch verkürzt.
Es gibt eine Therapie, die den Ausbruch der Krankheit möglicherweise verhindern könnte. Diese Therapie ist aber teuer und wird, weil sie noch experimentell ist, nicht von der Krankenkasse bezahlt. Um sie finanzieren zu können, müssten Sie sich finanziell einschränken. Sie müssten etwa Ihr Auto verkaufen und könnten erst einmal keine Auslandsreisen mehr unternehmen.
Sorry, das ist einfach zu viel verlangt
Würden Sie Ihrem Kind erklären, Sie hätten das mal durchgerechnet, das sei einfach zu viel verlangt?Würden Sie ihm sagen, dass Ihnen die Nützlichkeit und die sinnliche Erfahrung des Autofahrens, die jährliche Fernreise einfach wichtiger sind als sein Wohlergehen? Dass es sich nicht so haben solle, man wisse ja sowieso nicht so genau, wie schlimm die Schmerzen einmal sein würden und wie viel früher es sterben werde? Das könne man ja auch erst einmal abwarten?
Würden Sie es, wenn es protestiert, verzogen und selbstsüchtig nennen? Jelzin und Juhnke drosseln den AlkoholkonsumDiese Woche hat sich die deutsche Regierungskommission, die Maßnahmen für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr erarbeiten sollte, auf Ziele "geeinigt" wie es heißt. Diese Ziele haben einen kleinen Schönheitsfehler: Sie reichen nicht aus, um die ohnehin nur mittelambitionierten deutschen Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen. Was daran liegen könnte, dass in der Kommission auch Vertreter der Mineralölbranche und des Branchenverbands der Automobilindustrie saßen. Das ist ungefähr so, als hätten Boris Jelzin und Harald Juhnke Maßnahmen zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs erarbeitet.
Es ist mittlerweile völlig klar, dass die menschengemachte Erderwärmung bereits gravierende Folgen hat. In naher Zukunft werden sie katastrophal sein. Wer noch Schwierigkeiten hat, sich das vorzustellen, dem sei ein nicht allzu langer Text des Buchautors David Wallace-Wells ("The Uninhabitable Earth") ans Herz gelegt.
Unter anderem drohen: Unbewohnbar heiße Millionenstädte, großflächig überflutete Küstenregionen (in denen Hunderte Millionen Menschen leben), katastrophal lange Dürreperioden, Wasserknappheit, Ernteausfälle, riesige Wald- und Buschbrände und als Folge all dessen Abermillionen an Klimaflüchtlingen. Alles auf einmal. Immer weiter, immer schlimmer. Wenn wir ganz großes Pech haben, gibt es irgendwann keine Wolken mehr.Da werden zur Erziehung der aufmüpfigen Schüler "Ohrfeigen" oder "eine Tracht Prügel" empfohlen, manchmal auch "Arbeitslager". Die Aggression, die nicht nur Greta Thunberg, sondern auch allen, die von ihr inspiriert wurden, entgegenschlägt, ist atemberaubend - und entlarvend.
Die Generation der unter 25-Jährigen wird am schlimmsten unter der Klimakatastrophe leiden. Es verwundert deshalb, dass nicht auch die globale Studierendenschaft längst freitags mit auf die Straße geht. Ich vermute aber, das wird sich ändern.
Es gibt gerade eine Reihe von krassen Beispielen dafür, wie die Älteren in vollem Bewusstsein gegen die Interessen der Jüngeren entscheiden, aus Rechthaberei, Gier, Rücksichtslosigkeit oder einer Mischung von allem.
Es mehren sich aber auch die Anzeichen, dass diese verratene Generation sich das nicht mehr länger bieten lässt. Dass sie ihren überlegenen Umgang mit der digitalen Öffentlichkeit für ihre Zwecke zu nutzen weiß: US-Waffengesetze, EU-Urheberrechtsreform, Brexit, Klimapolitik - die Jungen haben angefangen, sich zu wehren.
Sie sollten nicht damit aufhören.Der vollständige Beitrag hier:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 60262.html