pentium hat geschrieben:Wenn ich an meine eigenen Eltern, besonders die Großeltern denke, von Befreiunge wurde da nie gesprochen. Man war froh, dass der Krieg vorbei war, dass man den Wahnsinn des Krieges überlebt hatte, ein Teil war froh die Flucht und Vertreibung überlebt zu haben, befreit...?
@Pentium, auch meine Eltern sprachen nicht von "Befreiung", was aber wohl auch mit einem mangelnden Schuldbewußtsein zu tun hat. Sie hatten in den 30er- Jahren ihre einzig unbeschwerte Zeit. Sie waren Mitläufer, wollten mit Sicherheit keinen Krieg und niemandem böses, sicherlich "hörte" man so manches, aber verdrängte. Dann "kam" der Krieg, selbst in dieser Zeit ging es ja den Deutschen vergleichsweise gut -- dann aber "kam" der von Deutschland entfesselte Krieg auf "die" Deutschen zurück, die normalen Deutschen, die nie einen Krieg gewollt hatten.
Das nun folgende Leid, die Verluste -- für die trugen nun die Kriegsgegner die Schuld, denn -- sie, die "normalen" Deutschen, hatten diesen Krieg ja niemals "gewollt".
So ungefähr gebe ich mal das wider, was aus den wenigen Gesprächen mit meinen Eltern über diese Zeit behalten habe. Und so verstehe ich auch @Karnaks Beitrag zuvor -- sie, die niemals einen Krieg "wollten", fühlten sich nun von den Siegern "ungerecht" behandelt. Und auch aus @Pentium's Text oben scheint diese Betrachtungsweise zu sprechen (also, die seiner Großeltern).
Was war es aber für mich ? Zu Kinderzeiten färbte natürlich diese Haltung der Eltern etwas ab, ich kenne den Tag ja noch als schulfrei, traditionell fuhren wir mit dem Rad und Kartoffelpufferteig zum Kiessee (bei Grünheide), backten auf Blech mit Kienäppel- Feuer Kartoffelpuffer, und am 8. Mai war Anbaden dort !
Erwas älter, so im pubertären Widerspruchsalter (das war zu meiner Zeit etwas später), kam dann dieses "...ja, warum habt ihr denn nicht...", dieses "..ihr müßt doch gesehen haben...". Von meinen Eltern kam nicht viel zurück darauf, eher ein überlegenes, auch verlegenes, und abgeklärtes "..komm' du mal in diese Situationen.., was willst du da machen...". Kann man, will man, in diesem Alter nicht nachvollziehen -- heute verstehe ich sie natürlich etwas besser, Widerständler sind dünn gesät und schnell einkassiert, und Deutsche wohl auch nicht so bevorzugt mit dieser Eigenschaft ausgestattet.
Aber was war es dann für mich für ein Tag ?? In der Schule, der täglichen Propaganda gab es natürlich nur die ruhmreiche Sowjetarmee, die Befreier. Das wurde durch die Propaganda überstrapaziert, das erzeugt Abstumpfung, der Kult um Stalin (ich durfte ja noch "Im Kreml brennt noch Licht" lernen) widerte schon früh an, dann erlebte ich halbwegs bewußt schon den 17. Juni in Berlin mit und dann am Radio und in West- Berlin die Berichterstattung 1956 aus Ungarn --- und all das war nicht angetan, dieses heroische Bild von den "Befreiern" und damit auch vom "Tag der Befreiung" zu stützen. Mein persönlicher Bruch mit diesem "Befreier"- Kult war dann sowieso Prag 1968.
Aber natürlich bleibt der 8. Mai objektiv ein "Tag der Befreiung" von diesem unmenschlichen Nazi- Regime und seinem Terror, würdigen muß man dabei die Millionen Opfer, die in erster Linie einmal die Sowjetunion brachte, und genau wie @Karnak bin ich auch der Meinung, daß man diese Opfer nicht durch Stalin'schen Terror relativieren oder aufrechnen darf --- schlimm genug, daß 2 Irre über Jahrzehnte eine solche Macht haben konnten !
Aber zu einem Ergebnis bin ich für mich doch gekommen, auch für mich war der 8. Mai ein Tag der Befreiung, denn wenn dieser Verbrecher Hitler nicht unter so vielen Opfern gestoppt worden wäre, was wäre ich heute ?? Objektiv gesehen vielleicht auch ein Verbrecher ?? Hätte ich mich irgendwo als Besatzungsoffizier in den "Ostgebieten" besonders hervorgetan ?? Oder in meiner Firma Fremdarbeiter ausbeuten ?? Hätte ich vielleicht als Architekt Hitler's Größenwahn "Germania" realisiert ?? "Never say never", (wie die Engländer sagen), Schulerziehung, HJ, tägliche Propaganda -- und fertig ist der herrenrassische "Volksgenosse" !
Gerade im Zusammenhang mit solchen Tagen und auch solchen Diskussionen hier kommt mir dieser Albtraum immer wieder -- und dieser Tag hat mich davon befreit, daß dieser Albtraum jemals Realität werden konnte --- also doch ein persönlicher "Tag der Befreiung" !
Gruß, Dille