Es ist eine Geschichte, wie wohl nur die AfD sie schreiben kann: Die drei AfD-Landtagsabgeordneten Christian Blex, Daniel Wald und Hans-Thomas Tillschneider reisen in dieser Woche nach Russland. In den sozialen Medien kündigen sie an: Sie wollen von dort aus weiter in den Donbass. Mit Unterstützung des Aggressors Russland soll es in jene Regionen in der Ostukraine gehen, die von Moskau kontrolliert werden.
Ausgerechnet dorthin also, wo in diesen Tagen in aller Hast Referenden zum Anschluss an Russland abgehalten werden sollen. Mit dem Ziel, so werten es Experten, aus dem Angriffskrieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine das Narrativ eines Angriffskriegs auf russisches Gebiet erfinden zu können.
Und deutsche Politiker sind bei diesem schlechten Schauspiel mittendrin, womöglich nicht nur als Besucher, sondern als Wahlbeobachter, die das Referendum legitimieren? Schließlich haben AfDler in der Vergangenheit immer wieder Wahlen von umstrittenen Regimen begleitet. Es wäre ein internationaler Affront, wie es ihn in diesem Krieg noch nicht gegeben hat.
Der Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium haben die Reise im Blick, teilen die Behörden t-online auf Nachfrage mit. In der Ukraine ist das Entsetzen groß, sogar die US-amerikanische "New York Times" und der britische "Guardian" berichten über den Fall.
In der AfD scheint zunächst vorab niemand Bescheid gewusst zu haben, in der Partei ist die Aufregung groß. Bundes-, Landes- und Fraktionsvorstände tagen zu dem Thema. Schließlich wird der Druck zu stark, die drei Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt blasen die Weiterreise in den Donbass ab.
Doch so ahnungslos, wie zunächst getan wird, sind lange nicht alle in der AfD. Einmal mehr legt der Fall deswegen offen, wie nahe Teile der Partei Russland stehen, wie groß die Sympathien für und wie eng die Kontakte in den Kreml sind. Und wie sehr der im Juni neu gewählte Bundesvorstand daran scheitert, Einigkeit in der Russlandfrage, Professionalität und – was manche in der AfD besonders schmerzt – Patriotismus zu zeigen.
Auch Tage später kommt die AfD nicht zur Ruhe. Funktionäre dringen hinter den Kulissen auf ein Durchgreifen des Bundesvorstands. Doch wird das passieren?
Die Reise demütige Deutschland genauso wie die AfD, so sehen es einige in der Partei. "Die halten nicht die deutsche Fahne hoch, sondern die russische", sagt einer aus Kreisen der Bundestagsfraktion t-online fassungslos. Andere hochrangige Mitglieder sagen: "Das ist Vaterlandsverrat." Am häufigsten fällt der Satz: "Das ist total irre!" Noch immer ist die Aufregung also groß.
Eine Anfrage von t-online zur Höhe der Kosten und Details des Beschlusses lässt die Fraktion in Sachsen-Anhalt bis heute unbeantwortet. Die "Welt" erhält die Bestätigung: Die Flugkosten seien "durch die AfD-Landtagsfraktion verauslagt" worden. Bedeutet: Der deutsche Steuerzahler zahlt den Trip für Putin.
Während man im Osten versucht, aus der umstrittenen Reise Profit zu schlagen, bemüht sich die AfD-Fraktion in Nordrhein-Westfalen, sich von ihrem Abgeordneten Blex zu distanzieren. Mit ihm haben viele ein Problem, weil er als schwierig im Umgang gilt. Auch frühere Reisen von Blex auf die von Russland okkupierte Krim und nach Syrien spielen dabei eine Rolle.
Blex, Tillschneider und Wald verkünden am Montag: Wir sind bereits in Russland – und wollen weiter in die Ostukraine. Ein US-amerikanischer Thinktank berichtet, die Reise solle vom 20. bis 28. September dauern.
Doch dann folgt die nächste Eskalationsstufe: Am Dienstagmittag rufen die von Moskau besetzten Gebiete Donezk und Luhansk im Donbass Referenden zum Anschluss an Russland aus – für den 23. bis 27. September. Also genau die Zeit, in der die drei AfDler die Region bereisen wollen.
In der AfD ist die Aufregung groß. Nach außen aber macht die Partei dicht. Kein Parteioffizieller will sich öffentlich äußern, Abgeordnete wollen sich nicht zitieren lassen.
AZ