Aufgeräumt und gestartet. Die graue Eminenz wirds dulden.
Die Schauspielerinnen Barbara Schnitzler und Pauline Knof über Mütter, Töchter
Frau Schnitzler über ihren Vater:hr Vater war Karl-Eduard von Schnitzler, der berüchtigte Chefkommentator des DDR-Fernsehens. Geschichten über ihn nennen Sie Schnitzlereien. Was meinen Sie damit?
Schnitzler: Auswirkungen auf mich nannte ich so. Von Kindesbeinen an war ich in zwei Schubfächer gesteckt. Ganz extrem: Es gab die Leute, die meine Mutter verehrten, und diejenigen, die Schnitzler hassten. Neulich waren wir in der Ausstellung über DDR-Kunst im Museum Barberini. Mein Mann sagte mir später, dass wieder Leute geflüstert hatten: die Tochter vom Schnitzler. Mehr als 16 Jahre nach seinem Tod. Also, ich meine, ich bin doch selber schon reichlich erwachsen.
Sie haben versucht, das „von“ in Ihrem Namen zu streichen. Das kostete in der DDR pro Buchstabe 50 Mark – und Sie haben es sein lassen.
Schnitzler: Mein Halbbruder Stephan hat sich das von unserem Vater zum Abitur gewünscht und bekommen. Ich habe es einfach unter den Tisch fallen lassen. Ich habe gedacht, wenn ich mal die Piperkarcka in „Die Ratten“ von Hauptmann spiele – was ich dann tat –, und dann steht da „von Schnitzler“, das wäre ein Widerspruch.
Ihr Vater hat ja versucht, den Titel loszuwerden ...
Schnitzler: ... und Walter Ulbricht sagte: Die Leute sollen wissen, wo unsere Genossen herkommen.
Die DDR-Führung wollte an meinem Vater zeigen, dass auch ein Adeliger zum Kommunisten werden kann.Ihre Tochter ist eine geborene von Schnitzler, Sie haben sie aber umbenannt.
Knof: Ich kenne meinen Großvater kaum, doch
als die Mauer fiel, durfte ich plötzlich wegen meines Nachnamens bestimmte Wohnungen von Freunden nicht mehr betreten. Meine Mitschüler hatten die schlimmsten Stasi-Eltern, die haben die Marx-Biografien unter dem Bett versteckt, so schnell konnte man gar nicht gucken. Meine Eltern sind nicht einmal in der Partei gewesen. Bevor 2000 mein zweiter „Polizeiruf“ gesendet wurde, gab es in der „Bild“ die Schlagzeile: Sudel-Edes Enkelin spielt im West-TV. Mit einem komplett erfundenen Interview. Danach bin ich nach Wien gezogen und hatte nie wieder etwas damit zu tun. Da kennt den Namen keiner.
In der Öffentlichkeit war Ihr Vater beziehungsweise Großvater verhasst. Wie ist es, diesen Menschen zu lieben?
Schnitzler: Er war mein Vater! Meine Eltern haben mir leider nie die Chance gegeben, über das zu sprechen, was ich draußen erlebt habe. Heute würde man das Mobbing nennen. Zum Beispiel wurde ich in der ersten Klasse nach dem Unterricht wochenlang wegen meines Vaters verprügelt. Ich habe mich nie von meinen Eltern beschützt gefühlt.
Knof: Er hat sehr gut Klavier gespielt.
Schnitzler: Am liebsten hatte ich „Twilight Time“. Er und mein Bruder Stephan brachten mir die Liebe zum Jazz bei. Im Gegensatz zu meiner Mutter war mein Vater auch gesellig. Sonnabends stand bei ihm die Tür offen. Es gab einen Topf Suppe, den er gekocht hatte, dann kamen zehn, zwölf Leute, unangekündigt. Es lief immer der Fernseher, was für mich als Kind wunderbar war.
West- oder Ostfernsehen?
Schnitzler: Alles! Er hatte eines von drei Geräten in der DDR mit einem großen Bildschirm und vier kleinen Monitoren darunter. Damit er alle Programme sehen konnte, seine Recherche. Am Montag musste ja der „Schwarze Kanal“ gemacht werden. Es standen ungeheuer viele Nüsse und diese Elefantenpopel, also Erdnussflips, herum. Herrlich! Es wurden Witze erzählt, meistens politische.
Von Schnitzler machte sich über Honecker lustig?
Schnitzler: Absolut. Es wurde viel gelacht an diesen Nachmittagen. Mein Vater war ein Witzeerzähler par excellence. Wenn wir allein waren, gingen wir spazieren. Natürlich war es kein inniges Vater-Tochter-Verhältnis – das gab es in dieser Generation eh nicht häufig, und ich sah ihn ja auch nur an Wochenenden. Trotz allem war er einer der zuverlässigsten Menschen, die ich kennengelernt habe.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaf ... 41422.htmlAZ