In Königstein haben zur Bundestagswahl mehr Menschen abgestimmt, als die Stadt überhaupt Wähler hat. Das weist sogar die offizielle Internetseite des Statistischen Landesamtes Sachsen aus. Dort steht für Königstein eine Wahlbeteiligung von 121,3 Prozent.
Das liegt schlicht daran, dass in Königstein tatsächlich mehr Leute als nur die Königsteiner abgestimmt haben. Erfasst werden nämlich auch alle Briefwähler aus den Nachbargemeinden Gohrisch, Kurort Rathen, Rosenthal-Bielatal und Struppen. Diese Gemeinden bilden mit Königstein eine Verwaltungsgemeinschaft. Um diese Art von „Kleinstaaterei“ so effektiv wie möglich zu gestalten, wurde nur ein Briefwahllokal für alle eingerichtet. Die Stimmen wurden alle der sogenannten „erfüllenden Gemeinde“ Königstein zugerechnet, der Aufwand des Sortierens entfiel. So geht keine Stimme verloren. Aber die Statistik der Wahlbeteiligung relativiert sich. In Königstein liegt sie deswegen rechnerisch höher als real. In den anderen vier Kommunen ist demzufolge niedriger ausgewiesen.
Das Gleiche trifft auf die Verwaltungsgemeinschaft Bad Schandau zu. Weil der Stadt auch die Briefwähler von Rathmannsdorf und Reinhardtsdorf-Schöna zugeschlagen wurden, ist in Bad Schandau die Wahlbeteiligung mit offiziell 87,6 Prozent überdurchschnittlich hoch, in Rathmannsdorf wegen der rausgerechneten Briefwähler mit gut 60 Prozent dagegen gering. Weil Königstein in seiner Verwaltungsgemeinschaft nicht so dominant ist wie Bad Schandau in seiner, wirken sich die „fremden“ Briefwähler auch extremer aus.
Verschiebungen bei der Briefwahl haben im Endeffekt aber auch schräge Prozentzahlen bei den Parteien zur Folge, wenn man diese nicht auf die gesamte Verwaltungsgemeinschaft, sondern wieder auf die einzelnen Gemeinden zurückrechnet. Das hat das Statistische Landesamt gemacht, aber die Briefwähler nicht mit zurückgerechnet, weil diese im Nachhinein nicht mehr der jeweiligen Gemeinden zugeordnet werden können.
Briefwähler stimmen traditionell nicht so radikal ab wie die Wähler, die am Wahltag ins Wahllokal gehen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Anteil der Protestwähler ohne Briefwahl höher ist.
Wie zum Beweis passt das auch auf alle AfD-Höchstergebnisse im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Sämtliche Gemeinden mit einem AfD-Wähleranteil von weit über 40 Prozent haben kein Briefwahllokal. Die „gemäßigten“ Bahretaler Briefwähler wurden vom Statistischen Landesamt Bad Gottleuba-Berggießhübel zugeschlagen, die von Rathmannsdorf gingen an Bad Schandau, die von Müglitztal an Dohna, die von Dohma an Pirna und die von Gohrisch und Struppen an Königstein.
Um das AfD-Kernland statistisch korrekt zu ermitteln, kann man das also nur in der Größenordnung der Verwaltungsgemeinschaften. Für die Wahl wurden außerdem Lohmen, Wehlen und Dürrröhrsdorf-Dittersbach zusammengeworfen. Letztere Gemeinde bekam alle Briefwähler zugeschlagen. Warum diese so anders abstimmen, müssten Wissenschaftler untersuchen.
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