augenzeuge hat geschrieben:"Die zuständige Staatsanwaltschaft hat die Aktion der Grenztruppen der DDR als Mord und Mordversuch qualifiziert.
Die Ermittlungen wegen der Tötung Gartenschlägers wurden zunächst allein von der StA II Berlin durchgeführt. Das Verfahren gegen die unmittelbar handelnden Beschuldigten wurde abgetrennt und an die StA Schwerin abgegeben. Diese erhob dann Anklage wegen gemeinschaftlich begangenen Mordversuchs. Die Anklage griff allein auf den Strafanspruch aus dem StGB zurück, das auf die auf dem Territorium der DDR und damit nach dem funktionellen Inlandsbegriff im „Ausland“ begangene Tat gemäß § 7 Absatz 1 anwendbar war.
Die Anklage beschränkte sich auf eine Versuchstat, weil ein rechtsmedizinisches Gutachten der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 1993 zu dem Ergebnis gekommen war, daß Gartenschläger bereits durch die erste Schußfolge tödlich getroffen worden sei. Diese erste Schußfolge sei aber wegen Notwehr gemäß § 32 StGB oder zumindest Putativnotwehr gemäß §§ 32, 16 StGB nicht strafbar. In der Abgabe weiterer Schüsse danach wurde deshalb nur noch ein Mordversuch gesehen.
Das Verfahren gegen einen weiteren Soldaten, dem aufgrund der Ermittlungen die Beteiligung allein an der ersten Schußfolge hatte nachgewiesen werden können, war gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. Die Qualifikation der Tat als Mordversuch wurde mit dem Vorliegen eines „sonstigen niedrigen Beweggrundes“ begründet. Die Soldaten hätten den schwer getroffen am Boden liegenden Gartenschläger, von dem erkennbar keine Gefahr mehr ausgegangen sei, gleichsam hinrichten und sich dadurch willkürlich zum Herren über Leben und Tod aufschwingen wollen, was das genannte Mordmerkmal verwirkliche. Alle drei Angeklagten wurden freigesprochen, weil sich der genaue Tathergang nicht rekonstruieren ließ.
Hinsichtlich einer ersten Schußfolge ging auch das Gericht von Notwehr oder Putativnotwehr aus. Es sei zwar nicht mit Sicherheit festzustellen, daß Gartenschläger als erster geschossen habe; für einen solchen Tathergang spreche aber die größere Wahrscheinlichkeit. Wegen der danach abgegebenen Schüsse konnte der Nachweis nicht erbracht werden, daß diese Gartenschläger gegolten hatten. Die auch die Qualifikation der Tat als Mord begründende Darstellung der Staatsanwaltschaft, wonach die Angeklagten auf Gartenschläger geschossen hätten, als sich die Situation bereits geklärt habe, fand keine Bestätigung in der gerichtlichen Beweisaufnahme.
Quellen: Anklage der StA Schwerin vom 9.10.1995
Anklage der StA II Berlin vom 27.5.1997
Urteil des LG Schwerin vom 24.3.2000