Um mal wieder etwas zum eigentlichen Thema des Threads zu bringen, man könnte auch sagen eine Art von Wiederbelebung. Letzter Beitrag Nov. 2012.
Ich habe wie durch Zufall diesen Beitrag im Ostpreussenblatt gefunden. Gut, jetzt könnten User schreiben, was will der Pentium mit
dem Blatt der Landsmannschaft Ostpreußen?
Mir geht ja mehr um diesen Beitrag
1989: Eine Geschichte des Scheiterns
Die Bürgerrechtler: Vorkämpfer der deutschen Einheit oder letztes Aufgebot der DDR?von PETER D. KRAUSE
Zitat:
Staatliche Gemeinwesen bedürfen der Gründungsmythen. Mangelt es an "positiven" Traditionen, müssen Legenden aushelfen. Gerade die allzu vernünftig und pragmatisch konstruierte Bundesrepublik Deutschland kann, geht es um emotionsträchtige demokratische Traditionselemente, nicht wählerisch sein.
Der Wende-Herbst 1989 war in diesem Sinn ein Glücksfall, denn er bedient mit dem "aufrechten Bürgerrechtler" das Bedürfnis nach dem Helden der Massendemokratie, er nährt zudem den Mythos vom Primat des Politischen.
Doch die Bedeutung der Bürgerrechtler für den Untergang der DDR wird weit überschätzt. Weder waren sie Auslöser der politischen Krise noch Schrittmacher während der Umwälzung. Ihre Geschichte ist eine Geschichte des Scheiterns.Zitat:
Was heißt politische Opposition? Auf die alltägliche Art des Widerstandes in Form des Verzögerns, des Hinhaltens und der ironischen Kommentierung, auf die "Trägheit der Hirne, Herzen und Hände" gegenüber den Wünschen der Weltrevolution sei hier wenigstens hingewiesen. Herauszustellen ist, daß die SED nie die Verweigerung der Jugend in den Griff bekommen hat.
Auf alles, was sich den pädagogischen Gängelungen der Partei entzog, reagierte diese neurotisch, witterte politischen Widerstand. Nicht unbegründet, denn schnell konnten sich "negative Kräfte zusammenrotten": Nach einem Rock-Konzert in Ostberlin 1977 gab es bei Schlägereien mit der Polizei mehrere Tote. Als zu Pfingsten 1987 David Bowie am Brandenburger Tor vom Westen herübergrüßte, tobten nächtelang Straßenschlachten. Der Organisationsgrad der FDJ unter jungen Arbeitern tendierte gegen Null. Staatliche (geheimgehaltene) Umfragen unter Lehrlingen im Mai 1989 ergaben, daß sich nur neun Prozent mit dem Marxismus-Leninismus identifizierten (bei Studenten war der Anteil viel höher).
Hätten sich mithin westliche Journalisten häufiger bei Fußballspielen von Chemie Leipzig oder Union Berlin umgesehen und seltener bei Christa Wolf und Stefan Heym nachgefragt, wäre ihre Verwunderung über Phänomene im Herbst 1989 weniger groß ausgefallen.Zitat:
28. Oktober, ein wichtiger Tag: Reisen in die C?SSR wird wieder paß- und visumfrei. Einen Tag später gründet sich der Demokratische Aufbruch (DA) als Partei. In der Grundsatzerklärung heißt es: “Die kritische Haltung des DA zum real existierenden Sozialismus bedeutet keine Absage an die Vision einer sozialistischen Gesellschaftsordnung." Die DDR solle als "Friedensfaktor" in Europa erhalten bleiben.
Am 30. Oktober steigt in Leipzig das, was irreführend als die "Wende in der Wende" bezeichnet wird: Die Revolution wird zur nationalen: "Auf die Dauer ohne Mauer!"
4. November: Großveranstaltung in Ost-Berlin mit 250 000 Menschen. 28 Redner treten auf, darunter "kritische" Künstler, viele SED-Reformer. Während in Leipzig längst gerufen wird: "Schluß mit sozialistischen Experimenten!", versuchen die Reformer in Ost-Berlin, die öffentliche Meinung unter Kontrolle zu bekommen.
Stefan Heym schwärmt: "Der Sozialismus, der richtige, den wir endlich erbauen wollen ..." Der Schriftsteller Christoph Hein findet, "zum demokratischen Sozialismus" gebe es keine Alternative; die Bürger wollten nur "Partner einer geläuterten" SED im Reformprozeß sein. Und Christa Wolf sieht eine "revolutionäre Erneuerung", die die "sozialistische Gesellschaft vom Kopf auf die Füße" stelle. Währenddessen gestattet die DDR-Regierung die freie Ausreise über die C?SSR nach Westen. Damit ist die Mauer de facto überflüssig; die deutsche Frage ist eine tagespolitische. Innerhalb von zwei Tagen reisen 25 000 Menschen “illegal” über die C?SSR aus.
Am 9. November überschlagen sich die Ereignisse: Das Innenministerium bestätigt die Anmeldung des Neuen Forums.
Christa Wolf, Stefan Heym, Bärbel Bohley, andere Bürgerrechtler fordern zum "Hierbleiben" auf, appellieren in peinlicher Selbstüberschätzung: "Fassen Sie Vertrauen!" Schließlich: Der Entwurf des neuen Reisegesetzes wird als sofortige Öffnung der Grenze aufgefaßt. Am Montag, dem 13. November, herrscht auf den Leipziger Straßen die Grundstimmung "Deutschland einig Vaterland!"
Die DDR war, was die Information betrifft, keine "geschlossene" Gesellschaft. Die Westmedien sorgten nicht nur für die Bilder aus Budapest oder Leipzig, sondern westdeutsche Auswahl und Kommentierung prägten auch die Sicht der DDR-Bürger auf ihre eigenen Angelegenheiten.
Gerade die "DDR-Opposition" ist nicht unwesentlich ein Produkt von ARD und ZDF.Die Enttäuschung der Bürgerrechtler nach den Märzwahlen 1990 war ebenso groß wie die Überraschung westlicher Kommentatoren. "Interpretation" setzte ein. Der Ruf "Wir sind das Volk!" wurde zur Forderung nach einer reformierten DDR umgedeutet, es wurde über das Abwürgen des neuen sozialistischen Versuchs durch das Öffnen der Grenzen, über die Verhinderung einer eigenstaatlichen Entwicklung lamentiert.
Von Blendung, Manipulation, von "bedenklichen Emotionen" (Wolfgang Ullmann) war die Rede, dem Volk wurde "Undankbarkeit" vorgeworfen: die Revolution sei den Bürgerrechtlern "geklaut" worden (Ehrhart Neubert). Schorlemmer meinte: "Es war eine Revolution bis exakt zum 9. November. Und dann ist sie ... in eine Restauration hinübergeschlittert." Konrad Weiß hatte schon im Herbst 1989 gefordert: "Ich bin der Meinung, daß beide deutsche Staaten sich verändern müssen, daß sowohl die DDR wie die Bundesrepublik Reformen dringend nötig haben." Das Neue Forum erklärte zum Staatsvertrag: "Die DDR-Regierung beugt sich dem Diktat der Sieger in Bonn ... Der Umsturz im Herbst hat zum Austausch der Regierenden geführt – die Methoden sind geblieben."Zitat:
Karl-Dieter Opp schreibt in einer Sachuntersuchung über das Geschehen in Leipzig: Während des Umbruchs "richteten die Vertreter der Bürgerbewegung ihre ganze politische Energie auf die Zerschlagung der Stasi. In ihr sahen sie das Grundübel des real existierenden Sozialismus. Dabei haben sie die sich abzeichnenden neuen Tendenzen auf den Demos nicht wahrgenommen oder darauf reagiert." Wie kam es zu dieser Wahrnehmungs- und Reaktionsschwäche? Zunächst ist die Rechtfertigung falsch, die drängende Tagespolitik habe nicht zugelassen, durchdachte Alternativen zu entwickeln. In der Idylle der Pfarrhäuser war nichts anderes getan worden, als Utopien hin und her zu wenden. Der Sozialismus aber war im konkreten Alltag gescheitert. Die DDR ist an den uneinlösbaren materiellen Versprechungen und an der von vielen Bürgern deutlich erkannten Gefahr gescheitert, daß ein am Westen sich orientierendes Lebensniveau nicht mehr lange gewährleistet werden könne.
Daß die Vision des Aufbruchs in eine neue DDR ohne ökonomische Grundlage gewesen ist, wurde auf der Straße klarer gesehen als von den linken Dissidenten.Um solche Thesen zu stützen, wurde früh die Chronologie der Wende verengt: auf die Zeit vom 7. Oktober bis etwa Mitte November.
So konnte der Eindruck entstehen, die Krise der DDR wäre von den Bürgerrechtsgruppen politisch ausgelöst, der Massenprotest von ihnen initiiert worden: "Ohne das Vorpreschen kleiner Gruppen von Bürgerrechtlern, allen voran das Neue Forum, hätte es im Oktober ’89 schwerlich Massendemonstrationen gegeben. Wenige mußten den Bann brechen, der auf öffentlichem Protest lag, damit viele folgen konnten", meint Heinrich-August Winkler. Das ist falsch. Im Herbst 1989 ereignete sich ein Umsturz ohne ideologische Avantgarde.Quelle und der ganze Beitrag:
http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv99/99_268.htmDie Bürgerrechtler: Vorkämpfer der deutschen Einheit oder letztes Aufgebot der DDR? Oder liegt die Wahrheit in der Mitte! Wobei, wenn ich so zurück denke, waren für mich spätestens am 09.November 1989 die Messen gelesen, ich meine mit der DDR, nur am Rande erwähnt.
mfg
pentium