Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Bücher, die nicht in den Bereich politische Systeme oder Grenze gehören.

Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon augenzeuge » 22. Juni 2013, 23:15

Klaus Behnke/Jürgen Wolf (Hrsg.): Stasi auf dem Schulhof. Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch das Ministerium für Staatssicherheit. Europäische Verlagsanstalt, 305 S., 19,90 Euro

Jugendliche galten in der DDR als zuverlässige Spitzel und wurden deshalb von der Regierung zahlreich eingesetzt: Mit den von ihnen beschafften, scheinbar harmlosen Informationen über Klassenkameraden, Freunde und deren Familien halfen sie der Staatssicherheit, ihre Macht zu sichern.

Dabei lässt er auch Betroffene zu Wort kommen, unter anderem die 47-jährige Katja Brenner aus Sachsen, die die Stasi als Schülerin im Alter von 16 Jahren anwarb.
Genau wie die meisten jugendlichen IM rief man sie eines Tages ins Direktorat, wo sich ihr ein Mitarbeiter des MfS vorstellte. "Man bat mich, dem Staat zu helfen, um feindliche Aktivitäten aufzudecken und die Gesellschaft etwas besser zu gestalten", erinnert sich Katja Brenner.

http://www.tlz.de/web/zgt/suche/detail/ ... 1750544908

AZ
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 23. Juni 2013, 05:05

Na dann bestellt mal alle schön bei den AMAZONEN!
Musz ich nicht haben.
Vielleicht aber bekommen die Amazonen ja doch Lohnerhöhung.

Kenne ja meine kleine Punkerin Angela aus meiner Heimat in LULU.
In Greifswald wollte ich auch mal Sport und Geographie studieren.
Angela wollte so gerne Sportoffizier in der NVA werden.
Sie hätte gut in unsere Spezialaufklärungskompanie gepaszt.
Hatten ja auch eine Unteroffizierin als Kochgruppenführerin in der damaligen selbständigen SAklK-5.
Sie war verantwortlich für unsere Hauptbewaffnung, der Gulaschkanone.
Habe sie persönlich betreut bei der Vorbereitung von Wettkämpfen, so z.B. im Leichtathletischen Dreikampf im Ostseestadion Rostock.

----->

http://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Marquardt

Bitte beachten bei WIKI: Diese Seite wurde zuletzt am 19. Juni 2013 um 16:43 Uhr geändert.

----->

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/14/099/1409951.pdf

Ich führe hier nur Angela beispielgebend an, da uns dieser Fall schon lange bekannt ist.
Ansonsten gilt es auch heute noch, Andere zu schützen.
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 23. Juni 2013, 05:14

Aber vielleicht laeszt sich ja auch so meine paranoide Schizophrenie erklären.

[hallo]
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 23. Juni 2013, 05:23

Und wenn ihr dann alle fein das Buch gelesen habt und fein aufgegessen habt, bitte ich alle Kinder aus dem Kindergarten grosze Gruppe hier, auf unsere Opfer Rücksicht zu nehmen, und von Drohungen (inklusive Morddrohungen) per Brief und Telefon Abstand zu nehmen.

Wer sich fein daran haelt, bekommt von mir ein BALLA-BALLA von HARIBO von unserem Doenerstand.

[knuddel]
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon augenzeuge » 23. Juni 2013, 09:58

tom-jericho hat geschrieben:Und wenn ihr dann alle fein das Buch gelesen habt und fein aufgegessen habt, bitte ich alle Kinder aus dem Kindergarten grosze Gruppe hier, auf unsere Opfer Rücksicht zu nehmen, und von Drohungen (inklusive Morddrohungen) per Brief und Telefon Abstand zu nehmen.

Wer sich fein daran haelt, bekommt von mir ein BALLA-BALLA von HARIBO von unserem Doenerstand.

[knuddel]


So schlimm ist das Buch? Wie kann man nur so eine Angst davor haben....dass man auf solche Gedanken kommt? [denken]
AZ
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 23. Juni 2013, 10:37

augenzeuge hat geschrieben:
tom-jericho hat geschrieben:Und wenn ihr dann alle fein das Buch gelesen habt und fein aufgegessen habt, bitte ich alle Kinder aus dem Kindergarten grosze Gruppe hier, auf unsere Opfer Rücksicht zu nehmen, und von Drohungen (inklusive Morddrohungen) per Brief und Telefon Abstand zu nehmen.

Wer sich fein daran haelt, bekommt von mir ein BALLA-BALLA von HARIBO von unserem Doenerstand.

[knuddel]


So schlimm ist das Buch? Wie kann man nur so eine Angst davor haben....dass man auf solche Gedanken kommt? [denken]
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Ist bei mir ganz einfach zu erklaeren.
Schon als kleiner Junge verfolgten mich Alptraueme.
Staendig von Kriegen getraumt, was bis heute anhaelt.

Die wundersamsten Träume waren aber die, wenn ich nur meine Arme ausbreitete und anfing zu fliegen.
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Interessierter » 11. November 2014, 16:52

Interessierter
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Interessierter » 27. Februar 2015, 15:12

Die Häutung der Angela Marquardt

Sie war der junge Star der PDS. 2002 kam heraus, dass sie als Jugendliche mit der Stasi zu tun hatte. Damals konnte sie ihr Schweigen darüber nicht erklären. Jetzt enthüllt sie ein Familiengeheimnis.

Es gibt Menschen, die prägen sich ein, weil das Gesicht so markant, die Statur so auffällig ist. Bei Angela Marquardt waren es immer die Haare. Ihre Punkfrisur stand für eine Haltung: rebellisch, links, große Klappe und irgendwie furchtlos.

Das Bild ließ sie zurück, als sie aus der Öffentlichkeit verschwand. Damals, als Die Linke noch PDS hieß und sie die Polit-Punkerin war, Gysis Ziehkind, Vizeparteivorsitzende, Mitglied des Bundestages. 13 Jahre ist das her.

Der vollständige und längere Beitrag hier:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... uardt.html
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon augenzeuge » 27. Februar 2015, 16:07

Interessierter hat geschrieben: Die Häutung der Angela Marquardt


Danke für die Info und den Link! Unglaublich, real und beschämend, was man hier lesen muss. Wie das MfS eine 15jährige zur Verpflichtungserklärung führte.... [mad]

Auch dieser Punkt spricht Bände:

Und dann traf sie im November 2013 einen ihrer Führungsoffiziere auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Sie beschreibt die Begegnung im Buch. Einen Moment lang konnte sie nicht atmen. Später sprach er sie an. Kein Anzeichen des Bedauerns, kein Unrechtsbewusstsein. Im Gegenteil, er nahm ihr übel, dass sie die PDS verlassen hatte. Er sah sie als Verräterin.
Sie schreibt: Es ist der Moment, in dem mir klar wird, dass die Stasi ewig Macht über mich haben wird, wenn ich weiter schweige.

Angela Marquardt mit Miriam Hollstein: "Vater, Mutter, Stasi".

AZ
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Volker Zottmann » 27. Februar 2015, 16:13

Mit diesen Informationen sieht man Frau Marquardt ganz anders.

Gruß Volker
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 27. Februar 2015, 16:21

Der Interessierte hatte wieder Nachläufer von 1,5 Jahren.
Er hatte die Chance in dieser Zeit, da ich schon im Juni 2013 von ihr schrieb.

Muß auch noch eine Bundestagsdrucksache vom Untersuchungsausschuß über Angela geben.

Wenn ich mich erinnere wurde Angela Mitwisserin, und wurde daraufhin verpflichtet.
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Sirius » 28. Februar 2015, 18:30

Interessant ist diese Passage:

Es ist nicht viel über diese Jugendlichen bekannt. Die Unterlagenbehörde hält die Akten der unter 18-Jährigen unter Verschluss, um sie zu schützen. In den Augen des Gesetzes sind sie Opfer, nicht Täter. Schätzungen zufolge waren 1000 bis 1500 der vor dem Mauerfall geführten IMs unter 18 Jahre. Fast alle schweigen bis heute.

"Vor allem aus Scham", sagt der Berliner Psychologe Klaus Behnke, der einige Jugend-IMs therapiert hat. Die Erkenntnis, derart benutzt worden zu sein, sei wie ein Trauma. Als Angela Marquart ihre Vergangenheit erforschte, kam sie einmal auch zu ihm in seine Berliner Praxis. Er sagt, man merke ihr an, dass sie mit dem Thema lange nicht abgeschlossen habe. Er hätte gern mehr von ihr erfahren. Er ist jemand der nachfragt, auch da, wo es weh tut. Sie aber ist niemand, die sich psychologisieren lassen mag.

Das Ministerium für Staatssicherheit schulte seine Führungsoffiziere auch psychologisch. An der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam-Golm gab es einen Lehrstuhl für "Operative Psychologie", an dem auch gelehrt wurde, wie man am geschicktesten mit Jugendlichen umging und welche überhaupt für eine Informelle Mitarbeit infrage kamen. Das waren vor allem solche, die schon stark indoktriniert waren vom Elternhaus, Straf- und politisch Auffällige, die erpressbar waren, solche, die sich einen Vorteil versprachen. Und jene mit schwierigen Beziehungen zu den Eltern. "Der Führungsoffizier wurde für sie zur väterlichen Bezugsperson", sagt Behnke.



Sind solche Jugendlichen Täter oder Opfer des MfS?
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon pentium » 28. Februar 2015, 18:32

Sind solche Jugendlichen Täter oder Opfer des MfS?

Kurze Antwort: Beides!

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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Sirius » 28. Februar 2015, 18:53

pentium hat geschrieben:Sind solche Jugendlichen Täter oder Opfer des MfS?

Kurze Antwort: Beides!

mfg
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Damit hast Du wohl Recht.
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 28. Februar 2015, 20:50

NEIN !!!

ZITAT : "... Es ist nicht viel über diese Jugendlichen bekannt. Die Unterlagenbehörde hält die Akten der unter 18-Jährigen unter Verschluss, um sie zu schützen. In den Augen des Gesetzes sind sie Opfer, nicht Täter. Schätzungen zufolge waren 1000 bis 1500 der vor dem Mauerfall geführten IMs unter 18 Jahre. Fast alle schweigen bis heute..."

Und ich begruesze ausdrücklich diese Einschaetzung der Unterlagenbehoerde.
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Interessierter » 1. März 2015, 09:24

Heute arbeitet sie im Büro von Arbeitsministerin Andrea Nahles und ist Geschäftsführerin der "Denkfabrik", einem linken Arbeitskreis der SPD, der sich regelmäßig mit Mitgliedern der Grünen und der Linken trifft, um Übereinstimmungen auszuloten.


Bild

Wie heruntergekommen sind eigentlich die Genossen des SPD ?
Interessierter
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon tom-jericho » 1. März 2015, 10:39

Nun weisz ich, wer mein Firmenschild von der Wohnungstuer abgeschraubt hat.

Lese gerade einen Spiegel-Bestseller:

>>Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war<<

Dieser erneute Fachbuch-Tipper könnte dir sicher nuetzlich sein. [denken]
tom-jericho
 

Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon augenzeuge » 5. März 2015, 19:00

Interessierter hat geschrieben: Die Häutung der Angela Marquardt
Der vollständige und längere Beitrag hier:
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... uardt.html



Helmut Müller-Enbergs, MfS-Experte, spricht über die Hintergründe des Falles:
http://www.mz-web.de/politik/stasi-expe ... 39672.html

AZ
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Re: Wie Jugendliche von der Stasi gezielt angeworben wurden

Beitragvon Interessierter » 21. Februar 2016, 11:05

IM „Jüngling“ war gerade mal zwölf

In der DDR waren 1300 inoffizielle Mitarbeiter minderjährig, der jüngste IM soll erst zwölf Jahre alt gewesen sein. Eine Betroffene hat nun in einem Buch über ihre Erlebnisse geschrieben. Bei der Rekrutierung der Jugendlichen nutzte die Stasi auch Familienkonflikte aus.

Helmut Müller-Enbergs hat schon eine Menge gelesen und gehört. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der DDR-Staatssicherheit im Allgemeinen und den inoffiziellen Mitarbeitern im Besonderen. Nun sagt der Professor an der Syddansk Universitet (Süddänische Universität): „Die Lebensgeschichte von Angela Marquardt berührt in mehrfacher Hinsicht. Und sie geht unter die Haut.“

Dass eine 14-Jährige von ihrem Stiefvater missbraucht und später von eben diesem Stiefvater und der eigenen Mutter der Stasi zugeführt wird – das kommt nicht so häufig vor. Mindestens ebenso selten ist, dass die Betroffene derart offen darüber schreibt, wie die 43-Jährige es in ihrem Buch „Vater, Mutter, Stasi“ tut, das vorige Woche im Beisein des Stasi-Unterlagenbeauftragten Roland Jahn der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Müller-Enbergs hat an dem Buch mitgewirkt.

Tatsächlich ist Marquardt kein Einzelfall. Einzigartig ist, dass hier „Akte und Gesicht zusammenkommen“, wie sie selbst bemerkt. Denn die Akten von unter 18-Jährigen werden zum Schutz der Betroffenen verborgen. Müller-Enbergs sagt: „Noch so skrupulöses Sprechen mit ehemals minderjährigen IM wühlt etwas auf, das es geboten erscheinen lässt, auch aus wissenschaftlichem Interesse heraus Annäherungen zu unterlassen.“ Die Erinnerung habe „bei manch einem einen dunklen Platz, der verdrängt werden soll“. Und selten sei der Druck „so stark, dass darüber gesprochen werden muss, um sich zu befreien“.

Jugendliche schlechter zu erpressen als Erwachsene

Die Zahl der inoffiziellen Mitarbeiter zum Ende der DDR wird mit 189 000 angegeben. Man schätzt, dass 1300 von ihnen minderjährig waren. Stasi-Chef Erich Mielke ließ frühzeitig verlauten, dass „alle Erscheinungsformen der Feindtätigkeit, Vorkommnisse und die Angriffsrichtungen des Gegners unter jugendlichen Personenkreisen ständig erfasst, analysiert und ausgewertet werden“ müssten. Da Jugendliche meist erst in der Pubertät eine widerständige politische Identität ausbilden, mussten die IM also schon vorher gewonnen, ja regelrecht aufgebaut werden. Dies geschah. Der jüngste bekannte Fall war ein Zwölfjähriger aus dem thüringischen Bad Salzungen mit dem Decknamen „Jüngling“.

Gelegentlich wurden die Jugendlichen wie im Fall Marquardt über die Familien gewonnen – wobei Eltern sich mit Aussicht auf Erfolg wehren konnten. Oft waren Schuldirektoren beteiligt. Manchmal nutzte die Stasi familiäre Konflikte aus. In der Regel simulierte sie Interesse für die Lebenswelt der Auserwählten, um auf diesem Wege ihr Vertrauen zu gewinnen. Jugendliche waren schlechter zu erpressen als Erwachsene, die meist mehr zu verlieren hatten – ihren Job beispielsweise. Ohnehin sind junge Menschen ihrer Natur nach weniger berechenbar. Deshalb verzichtete die Stasi unter anderem darauf, sie mit größeren Geldbeträgen zu entlohnen. Die Nachwuchs-IM hätten sonst vor Altersgenossen damit prahlen und sich so selbst enttarnen können.

Marquardts Co-Autorin Miriam Hollstein hat weitere Fälle benannt. So wurde eine 17-Jährige namens Kerstin, die heute den Nachnamen Harrabi trägt, ins Büro ihres Schuldirektors gebeten. Dort saßen Männer von der Stasi, die fragten: „Warum zitterst du denn so?“ Die heute 58-Jährige hatte mit einem von ihnen vorher in einer Kneipe über Westmusik geplaudert. Um ihren ersehnten Beruf als Russisch-Lehrerin nicht zu gefährden, gab sie Auskünfte über Mitschüler im Internat. Als die Teenagerin noch mit dem Sohn eines Zahnarztes schlafen sollte, dessen Eltern der geplanten Republikflucht verdächtigt wurden, war Schluss.

"Da wurde ein Stück Leben gestohlen"

Der seinerzeit 16-jährige Rettungsschwimmer Peter Heubach wurde mit einer Armeekarriere geködert. Ihm gab man neben kleineren Geldbeträgen, was auch Marquardt begehrte: Anerkennung. Bald darauf begann Heubach, über seine Spitzelei zu reden und wurde hinterher selbst bespitzelt.
Normalerweise wurden die jugendlichen IM von mehreren hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern betreut; umgekehrt koordinierte Jörg S., einer von Marquardts Führungsoffizieren, ein Netz von 20 inoffiziellen Mitarbeitern. Die ehemalige PDS-Politikerin und heutige Sozialdemokratin sollte in kirchliche Kreise eingeschleust werden und fragt sich rückblickend, in welchem Maße die Instrumentalisierung durch die Staatssicherheit eigentlich ihren Charakter geformt habe. Hundertprozentige Antworten kann es darauf nicht geben. Roland Jahn sagt jedoch: „Da wurde Selbstbestimmung genommen und ein Stück Leben gestohlen.“

Dem IM-Experten Müller-Enbergs zufolge hat das, was geschah, „dem ethischen Wertekatalog der Diktaturpartei SED“ widersprochen. Freilich hätten „das scheinbar operative Erfordernis und die schlichte, in Deutschland ach so konditionierte Unterwürfigkeit“ Zweifel verdrängt. Unbegreiflich und doch wahr: Skrupel der Verantwortlichen sind in den Akten nicht vermerkt.

http://www.fr-online.de/politik/junge-s ... 45566.html
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