Berlin sammelt Relikte der Teilung

Hier bitte ausschließlich Themen die sich mit der Berliner Mauer beschäftigen.

Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon zonenhasser » 7. November 2018, 14:51

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Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls sollen erste Stücke der Steinsammlung im Internet präsentiert werden.

Berlin (dpa) l Rostiger Stacheldraht, Kapitelle von der gesprengten Berliner Versöhnungskirche auf dem früheren Todesstreifen, ein zerlegter Wachturm der DDR-Grenzanlagen. Was auf den ersten Blick wie ein Sammelsurium von Resten der Vergangenheit aussieht, wird beim Erklären von Kurator Manfred Wichmann zu lebendiger Geschichte der deutschen Teilung. Das Lapidarium (Steinsammlung) der Berliner Mauer-Stiftung direkt neben der Gedenkstätte an der Bernauer Straße ist etwa so groß wie zwei Fußballfelder und eine Sammlung der besonderen Art.

Hier hat die Stiftung unter freiem Himmel rund 350 originale Objekte von der Mauer zusammengetragen – gefunden etwa bei Bauarbeiten am nahen Nordbahnhof oder beim Aufbau der zentralen Mauer-Gedenkstätte. Auf einer Holzpalette liegt auch eine Büste des DDR-Grenzsoldaten Egon Schultz, der bei einem Schusswechsel mit Fluchthelfern versehentlich von den eigenen Leuten erschossen, dann aber zum Opfer des Westens stilisiert wurde. Jahrelang lag die nach dem Mauerfall abgebaute Steinfigur im Keller der Rostocker Polizei.

Nur ein Teil der historischen Zeugnisse lagert notdürftig unter einem Dach und ist in abgeschlossenen Drahtboxen gesichert. Leuchtmasten, Grenzpfähle, Beton-Fundamente und die achteckige Kanzel eines DDR-Wachturms aus dem brandenburgischen Havelberg liegen oder stehen im Freien. Eine Halle für all das ist der Wunschtraum des Historikers.

Geschichte greifbar machen

"Je weiter Mauer und Teilung zurückliegen, umso wichtiger werden originale Objekte", betont Wichmann, der bei der Mauer-Stiftung seit 2012 das Archiv und die Sammlungen betreut. Sein Anliegen ist, zu jedem Fundstück eine Geschichte erzählen zu können. "Das macht dann die historische Relevanz aus."

Habe man nicht nur das bloße Zeugnis der Vergangenheit, sondern noch einen Zeitzeugen oder ein Foto, könne die Geschichte selbst Menschen begreiflich werden, die die Teilung nicht selbst erlebt haben. "Ich bin hinter den Geschichten her", bekennt der 46-Jährige. Bei der Suche nach neuen Stücken sei der Verein Berliner Unterwelten ein guter Partner.

Seit zwei Jahren baut Wichmann eine Datenbank auf. Schneller ginge es nur mit mehr Personal, meint er. Ein Zwischenziel hat er dabei fest im Blick: Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 sollen die ersten Stücke aus dem Lapidarium online präsentiert werden. Bislang ist das zur Mauer-Stiftung gehörende Gelände nicht öffentlich zugänglich. Gelegentlich gibt es extra Führungen.

Unbemerkt über 25 Jahre

Wichmann zeigt auf ein großes rostiges Tor. Unbemerkt habe es 25 Jahre in einem Graben in Treptow gelegen, erzählt der promovierte Historiker. Entdeckt habe er es beim Joggen. Das Metallteil belege, mit welchem Aufwand die DDR die knapp 160 Kilometer lange Grenze sicherte und zugleich – dass sie nicht völlig dicht war, wie der Stiftungs-Mitarbeiter berichtet. Durch das DDR-Grenzregime starben an der Berliner Mauer mindestens 140 Menschen.

Das Tor gehörte zur Absperrung eines Bahngleises, das nach West-Berlin zum Görlitzer Bahnhof führte. Einmal in der Woche sei es - streng bewacht – für einen Zug mit Kohlen geöffnet worden, der durch Ost-Berlin ratterte, hat Wichmann rekonstruiert. Auf Ost-Seite seien Polizisten und Grenzsoldaten mit auf dem Zug gewesen.

Werden jetzt noch verankerte Originalteile der Mauer gefunden, lässt man sie am historischen Ort – so wie bei dem erst zu Jahresbeginn entdeckten 80 Meter langen Mauerabschnitt am S-Bahnhof Schönholz, der nun geschützt wird. Recherchen von Fachleuten ergaben, dass die damals schon länger stehende Grundstücksmauer aus Ziegelsteinen in den 1960er Jahren in die Sperranlagen integriert, erhöht und zusätzlich mit Sperrelementen versehen wurde.

Abschnitte nicht identisch

Meist wird die Mauer heute mit dicken, hohen Betonteilen assoziiert, die ab 1989 abgetragen, verkauft, verschenkt oder geschreddert wurden. "Doch die Mauer war nicht immer so", betont Wichmann und verweist auf das Lapidarium. So gab es Stacheldraht, der anfangs zur Grenzsicherung ausgerollt wurde. Oder Gasbetonsteine, die zur Trennung von Ost und West vom 13. August 1961 vermauert wurden. Einer der Steine aus den frühen 1960er Jahren von der Grenzziehung in der Bernauer Straße wird künftig im Humboldt-Forum in einer Ausstellung zu sehen sein.

Viele Mauerabschnitte waren Wichmann zufolge anfangs auch nicht identisch. "Und nach jeder Flucht wurde weiter ausgebaut, teilweise auf die alte Anlage drauf." Erst ab Ende der 70er Jahre sei die Grenze mit Betonelementen perfektioniert worden.

© volksstimme.de 02.11.2018
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Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon Interessierter » 7. November 2018, 15:03

Das Tor gehörte zur Absperrung eines Bahngleises, das nach West-Berlin zum Görlitzer Bahnhof führte. Einmal in der Woche sei es - streng bewacht – für einen Zug mit Kohlen geöffnet worden, der durch Ost-Berlin ratterte, hat Wichmann rekonstruiert. Auf Ost-Seite seien Polizisten und Grenzsoldaten mit auf dem Zug gewesen.


Ein interessanter Beitrag, zeigt er doch auch überdeutlich auf, welchen blödsinnigen Aufwand dieses Regime an seiner Grenze betrieb.
Interessierter
 

Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Januar 2019, 16:04

https://www.youtube.com/watch?v=jlbAUFvh04k

Dieser Film schildert anschaulich wie und was die Mauer war.
Uns ist alles bekannt, doch wird im Filmverlauf auch Hötensleben gezeigt. Das Besondere dort ist, dass man heute noch die Anlagen stehen hat. Dazu der Film, und jeder später Geborene, wie meine Enkelinnen, begreifen anschaulich diese perverse Grenzkonstruktion und das Regime.
Mit Sicherheit werden wir unseren Enkelinnen, die gerade 11 sind, das vor Ort zeigen. Besser geht Geschichtsunterricht nicht.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon marder » 30. Januar 2019, 20:16

Ja Volker ich gebe dir recht mit dem Erhalt der Denkmäler.
Allerdings muss ich sagen, dass für jemanden der die Grenze näher kennt insbesondere für z.B. mich der Museumscharakter überwiegt.
Die Grauheit und das triste Vorland mit kaum bis wenig Pflege, das unnahbare und bedrohliche der teilweise rostigen Streckmetallfelder fehlt.
Grenzposten, die sichtlich gelangweilt z.B. In Waddekath an der Tribüne vorbeizogen ohne einen Blick zu wenden. Dahinter in ca 50m Abstand die ersten bewohnten Häuser in naja nicht gerade tollem Zustand.
Ich bin 57 geboren und habe die Grenze bis 1990 hautnah erlebt.
Im ersten Jahr BW hatte ich mal einen Kameraden aus dem Ruhrgebiet zu Gast und wir haben uns die Grenzanlagen an mehreren Stellen angeschaut. Hanum, Waddekath Müssingen. Er war sprachlos, weil er mit so etwas nie gerechnet hatte.

Dieser Schauer, den man an dieser und nur dieser Grenze hatte fehlt den heutigen Denkmälern fast völlig.
Gruß Marder
Ich bin auf der Westseite der Grenze in ca. 3 km Entfernung gross geworden.
Ab 1976 als Offiziersanwärter bei den Panzergrenadieren.
1976 1. Pz.Div. Pz.Brig2 Pz.GrenBtl21
1989 11.Pz.GrenDiv. Pz.Brig33 Pz.GrenBtl332
1994 1.Pz.Div. Pz.Gren.Brig1 usw.
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Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon Ari@D187 » 30. Januar 2019, 21:03

Interessierter hat geschrieben:
Das Tor gehörte zur Absperrung eines Bahngleises, das nach West-Berlin zum Görlitzer Bahnhof führte. Einmal in der Woche sei es - streng bewacht – für einen Zug mit Kohlen geöffnet worden, der durch Ost-Berlin ratterte, hat Wichmann rekonstruiert. Auf Ost-Seite seien Polizisten und Grenzsoldaten mit auf dem Zug gewesen.


Ein interessanter Beitrag, zeigt er doch auch überdeutlich auf, welchen blödsinnigen Aufwand dieses Regime an seiner Grenze betrieb.

"Blödsinnig" blendet völlig die Rahmenbedingungen aus.

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Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon Ari@D187 » 30. Januar 2019, 21:17

marder hat geschrieben:Ja Volker ich gebe dir recht mit dem Erhalt der Denkmäler.
Allerdings muss ich sagen, dass für jemanden der die Grenze näher kennt insbesondere für z.B. mich der Museumscharakter überwiegt.
Die Grauheit und das triste Vorland mit kaum bis wenig Pflege, das unnahbare und bedrohliche der teilweise rostigen Streckmetallfelder fehlt.
[...]

Rostige Streckmetallzäune sind in z.B. Hötensleben, Teistungen, Schifflersgrund, Point Alpha, etc. schon noch vorhanden. Aber dieses schaurige Gefühl, welches Du beschreibst, wird wohl keiner dieser Abschnitte bei Dir erzeugen können.

Ari
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Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon steffen52 » 30. Januar 2019, 22:25

Ari@D187 hat geschrieben:
marder hat geschrieben:Ja Volker ich gebe dir recht mit dem Erhalt der Denkmäler.
Allerdings muss ich sagen, dass für jemanden der die Grenze näher kennt insbesondere für z.B. mich der Museumscharakter überwiegt.
Die Grauheit und das triste Vorland mit kaum bis wenig Pflege, das unnahbare und bedrohliche der teilweise rostigen Streckmetallfelder fehlt.
[...]

Rostige Streckmetallzäune sind in z.B. Hötensleben, Teistungen, Schifflersgrund, Point Alpha, etc. schon noch vorhanden. Aber dieses schaurige Gefühl, welches Du beschreibst, wird wohl keiner dieser Abschnitte bei Dir erzeugen können.

Ari

Ari, Mödlareuth hast du vergessen. Ein sehr gutes Grenzmuseum, mit vielen original Grenzabschnitten!!! [hallo]
Gruß steffen52
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Re: Berlin sammelt Relikte der Teilung

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Januar 2019, 22:39

Wichtig ist, und das geht mit der Zeit verloren, dass echte Zeitzeugen dort erzählen können. So wie @Bahndamm als desertierter Soldat in Hötensleben.
Wenn ich um Sorge herum an der Grenze bin, finden sich schnell Interessierte. Weil ich eben auch zu den dort ermordeten Flüchtlingen was sagen kann. Ist ganz anders, als wenn man nur noch Schaukästen betrachtet.
Meine Kinder und Enkelinnen retten das Wissen an diesen kleinen Grenzabschnitten schon mal 2 Generationen weiter.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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