Herr Kachelmann, im Frühjahr sprachen manche Meteorologen von einem bevorstehenden „Rekordsommer“, sogar von einem „Höllensommer“ war die Rede. Wie man in diesem Archiv namens Internet nachlesen kann, fanden Sie das damals schon unseriös.
Jörg Kachelmann: Die ,manchen Meteorologen’ sind die ein, zwei Scharlatane in der Branche, die mit ihren Tatarenmeldungen 90 Prozent der deutschen Medienbranche bespielen. Dumm klickt gut, deshalb werden all die abseitigen Rekordvorhersagen so gerne genommen. Sie und Ihre Zeitung würden das natürlich nie tun, was mich sehr berührt, das halten aber leider nicht alle so.
Wie konnte es passieren, dass selbst Fachleute so daneben lagen?
Die seriösen Experten lagen richtig – sie haben nichts vorhergesagt, deswegen habe ich vorsichtshalber im Mai in einem Interview schriftlich festgehalten: Kein Schwein weiß, wie der Sommer wird. Außer, dass wir in Klimawandelzeiten wissen, dass er auf alle Fälle zu warm wird.
Die Wahrnehmung, was normal ist und was nicht, hat sich völlig verschoben. Und generell hilft es nicht, dass wir ein bildungsfernes Schwurbelland sind, das an den Hundertjährigen Kalender glaubt und auch, dass der Mond Einfluss aufs Wetter hätte und Gewitter nicht über die Elbe kommen. Wir sind leider quer durch die Bevölkerung nicht die hellste Kerze auf der Torte, was solche Themen betrifft.
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Es ist auch ziemlich sicher, wenn ich vorhersage, dass der kommende Herbst, Winter, Frühling, Sommer wärmer wird als im langjährigen Durchschnitt.
Was begegnet Ihnen häufiger: Menschen, die den Klimawandel anzweifeln – oder solche, die schon nach drei Regen oder Hitze glauben, dass das Ende nah ist?
Beide Haltungen sind Symbole für das Bildungsproblem bei uns. Der Klimawandel ist real und ist menschengemacht, darüber will ich mit all den Bekloppten da draußen gar nicht mehr diskutieren.![]()
Andererseits haben viele Klimaaktivistinnen und -aktivisten ganz viele Dinge nicht verstanden. Die Klimakrise ist nicht etwas, was durch Management by Markusplatz kommuniziert werden sollte, indem man alle paar Tage aufgeregt in die Hände klatscht, alle Tauben fliegen hoch und dann ist wieder Stille bis zum nächsten Mal.
Okay, und ohne Markusplatz-Theater: Was könnte man besser machen?
Der Klimawandel ist eine gefährliche Reise in eine unbekannte Zukunft, von der wir nicht genau wissen, wo wir ankommen werden. Die schlimmsten Dinge passieren zunächst eher in entfernten Ländern und es wäre schön, wenn wir nicht so eurozentrisch wären in unserer Wahrnehmung, wer die Opfer des Klimawandels sind. Und dieses lethargische Nichtstun durch die Politik, die so sehr keine Lust auf irgendwas hat, um die schlimmsten Folgen abzufangen, kann einen schon verzweifeln lassen. Keine kühlenden Wärmepumpenprogramme wenigstens für Altersheime, Krankenhäuser, Schulen. Dafür heuchlerisches Jammern über Hitzetote, die es nicht geben müsste.
AZ