von Icke46 » 18. September 2023, 11:48
Ich zitiere mal einen Artikel auf der Seite uebermedien.de komplett, der sich mit dem Hype um die Wagenknecht-Partei auseinandersetzt:
Dauergründung als Show
15. September 2023
Nun auch in „Zeit“ und „Bild am Sonntag“: Wagenknechts Medienhype-Partei
von Johannes Hillje
Die ersten Medienberichte über die Idee einer neuen Partei rund um Sahra Wagenknecht erschienen im Sommer 2022. Erst Anfang 2024 könnte diese Partei dann offiziell gegründet werden. Das Gründungsdatum hätte wohl vor allem mit einem finanziellem Kalkül zu tun, wie Pascal Beucker in der taz erklärt: Gründet sich die Partei im Jahr ihrer ersten Wahlteilnahme (Europawahl 2024), würde die staatliche Rückerstattung der Wahlkampfkosten nicht wie üblich von den Einnahmen (Mitgliedsbeiträge, Spenden etc.) aus dem Vorjahr abhängen – und somit wohl höher ausfallen.
Diese Finanzierungsstrategie erklärt aber noch nicht, warum Wagenknecht sich immer noch nicht entschieden haben will, jedenfalls offiziell, ob und wann sie eine Partei gründen möchte. Warum dieses Spiel mit der Suggestion, dieses Verharren im Vagen, dieses Tändeln ohne Torschuss? Und zwar seit mehr als einem Jahr!
„Bist Du für oder gegen Wagenknecht?“
Man kann es sich ausmalen und sollte dabei zwei Dimensionen unterscheiden: innen und außen.
Nach innen, in die Linkspartei, demoliert Wagenknecht vorsorglich ihre künftige Konkurrenz, indem sie mit der Frage „Bist Du für oder gegen Wagenknecht?“ den Keil so tief treibt, dass die Linke daran gänzlich zerbrechen könnte.
Doppelseite der "Bild am Sonntag", Überschrift: "Beschlossen! Wagenknecht gründet ihre eigene Partei".
„Bild am Sonntag“ vom 10.9.2023
Nach außen, in der Öffentlichkeit, orchestriert Wagenknecht ein einmaliges Medienspektakel. Auch diese Woche war wieder Wagenknecht-Woche: Die „Bild am Sonntag“ vermeldete „Beschlossen! Wagenknecht gründet ihre eigene Partei“, konnte sich aber nur auf anonyme Quellen aus dem Umfeld berufen, während Wagenknecht weiterhin abwiegelte: „bis Ende des Jahres fällt die Entscheidung“. Woraus „BamS“ dann gleich eine Doppelseite machte, mit ein paar politischen Parolen von Wagenknecht und Bildern aus dem privaten Fotoalbum, die Wagenknecht offenbar bereitwillig zur Verfügung stellte („Klein Sahra mit rund einem Jahr“, „Seltener Anblick: Wagenknecht mit offenem Haar“ usw.).
Die exklusive „BamS“-Meldung wiederum sorgte zu Beginn der Woche für massig Anschlussberichterstattung, inklusive neuer phantasiebedürftiger Umfragen zu dieser Phantasiepartei, die mittlerweile schon von mindestens drei Umfrage-Unternehmen (INSA, Forsa, Civey) erhoben werden. Wen oder was sich Menschen vorstellen, die angeben, eine „Wagenknecht-Partei“ wählen zu wollen, ist vollkommen unklar.
Titel der "Zeit" mit Sahra Wagenknecht und der Überschrift: "Das Rätsel Wagenknecht".
„Die Zeit“ vom 14.9.2023
Am Donnerstag legte dann „Die Zeit“ mit einer mystifizierenden Titelgeschichte („Das Rätsel Wagenknecht“) nach. Parteigründungswahrscheinlichkeit laut „Zeit“: 90 Prozent.
Wie groß der Medienhype um Wagenknechts Vielleicht-Partei mittlerweile ist, lässt ein Blick in Pressedatenbanken erahnen: Seit Juni 2022 sind mehr als 2.000 Artikel in deutschen Medien erschienen, die allein den Begriff „Wagenknecht-Partei“ enthalten. Was bei weitem noch nicht die gesamte Berichterstattung über dieses Vorhaben abdecken dürfte.
Gratis-Werbung für eine Personality-Partei
Das ist sehr viel Berichterstattung, zumal für eine Idee. Nicht mal der „Heiz-Hammer“ schaffte es in diesem Jahr auf so viele Nennungen. Doch es geht dabei nicht einfach nur um Berichterstattung über irgendein Thema, es ist Gratis-Werbung für eine Personality-Partei, die sehr wahrscheinlich sehr bald gewählt werden möchte.
PR-Leute sprechen von „Earned Media“, also Berichterstattung, die sich ein politischer Akteur durch das Anbieten medienverwertbarer Inhalte erarbeitet. Mediale Wahrnehmbarkeit ist in der Aufmerksamkeitsdemokratie eine wichtige Ressource, mit der sich letztlich auch Wählerzustimmung generieren lässt. Für die AfD haben Studien längst eine Korrelation zwischen Aufmerksamkeit in den Medien und Aufstieg in den Umfragen festgestellt.
Wie aber funktioniert dieser mediale Hype um eine noch nicht existente Partei? Im Grunde liefert Wagenknecht den Medien die wichtigsten Zutaten für das, was als eine „gute Geschichte“ gilt:
Drei Akte, Hyperpersonalisierung, Überlebenskampf
Erstens gibt es einen zeitlich und inhaltlich klar definierten Spannungsbogen basierend auf einer klassischen Drei-Akt-Struktur: Sie reicht vom ersten Überraschungsmoment über die Erzeugung einer elektoralen Erwartungshaltung hin zur offiziellen Bekanntgabe der Gründung.
Zweitens: der Faktor der Hyperpersonalisierung. Weil es noch keine Partei gibt, gibt es auch noch kein Programm und kein weiteres Personal, nur Wagenknecht. Die provoziert nicht nur durch Putin-PR, sie inszeniert sich gleichzeitig auch als linkskonservative Retterin vor dem grün-woken Untergang der Republik und als sozialnationale Dezimiererin der AfD.
Drittens liefert der Stoff einen Konflikt, der sich in einen Überlebenskampf steigert: Es geht nicht nur um eine individuelle Parteirebellin, diese Outlaw-Geschichten kennen wir zur Genüge von Sarrazin, Maaßen, Palmer und anderen. Es geht um eine Spaltung, die in der (Selbst-)Zerstörung der Linken enden könnte. Eine Netflix-Serie würde freilich mit Wagenknechts Aufbruch aus den Trümmern der Linkspartei enden.
Die große Show der Dauerparteigründung
Alle Nachrichtenfetzen, die von dieser Dauerparteigründung als Personality-Show in Richtung der klassischen Parameter von Parteien (Programmatik, Mitglieder, Spenden …) abweichen würde, stören die perfekte Medienwelle, die Wagenknechts Partei vermutlich ins Europaparlament tragen soll. Je später die offizielle Gründung, desto geringer die Störsignale, die Wagenknechts Umfragewerte verhageln könnten und desto größer die Chance, den Hype in den Wahltag zu retten.
Wagenknecht ist Inszenierungsprofi, daher kann man davon ausgehen, dass ihre Medienstrategie kein Zufall ist. Die zahlreichen Interviews, die kleinen Informationshäppchen von ihrem Umfeld und ihr selbst, mit denen sie die Erwartung immer weiter mästet. Und obendrein ihr riesiger Youtube-Kanal mit mehr als 650.000 Abonnentinnen und Abonnenten.
Sollte Wagenknecht ihre Partei tatsächlich bald gründen, wäre sie wohl auch die erste Medienhype-Partei unserer durchmedialisierten Demokratie.