410 Mauersprünge von West nach Ost haben Sie recherchiert. Da fragt man sich doch unwillkürlich, spinnen die? Wenn schon in die DDR, können sie dann nicht über den Grenzübergang gehen? Was hat die angetrieben, die Leute?
Schaad: In der Tat waren einige dieser 410 psychisch krank, verrückt, wenn Sie sagen, spinnen die, dann stimmt das in dem Fall vielleicht. Eine ganz große Gruppe war von alkoholisiertem Übermut angetrieben und hat … Eine Wette wurde abgeschlossen, du kriegst einen Kasten Bier, wenn du rein und raus kommst. Viele Mauerspringer sprangen am Herrentag und an Sylvester. Die gab es auf jeden Fall.
Schaad: Ich habe nur ganz wenige Fälle gefunden, vier, bei denen der betreffende Mauerspringer tatsächlich in der DDR bleiben wollte. In keinem Fall hat das geklappt. Es gab diese vier Leute, die sind in ein Aufnahmeheim in Schloss Barby in Sachsen-Anhalt gekommen und sind alle wieder zurückgebracht worden. Zwei von ihnen wollten nach zwei Wochen auch gar nicht mehr bleiben, denen hat das dann gereicht, die anderen beiden wurden abgelehnt.
Schaad: Mein Lieblingsmauerspringer ist Werner Sibilski, ein Bauarbeiter aus Kreuzberg, der über die Mauer springt, um der DDR seinen Beistand zu leisten, denn er will beweisen, dass es den Schießbefehl nicht gibt. Das geht gründlich schief, es wird zwar nicht geschossen, aber die Presse in Westberlin berichtet dennoch, dass geschossen worden ist und das regte ihn sehr auf, nachdem er wieder nach Westberlin zurückgeführt worden ist, dass er gleich noch mal springt, um das zu beweisen. Da haben dann aber auch die DDR-Behörden genug von ihm und er wird für mehrere Monate ins Gefängnis gesteckt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/di ... n-100.html
AZ