ZEIT ONLINE Ein Mann für viele Gelegenheiten vom 8. Dezember 1989
Dem führenden DDR-Funktionär werden Waffenhandel und Devisenschiebungen vorgeworfen
Er hat das Rampenlicht stets gescheut und auch am unrühmlichen Ende seiner ungewöhnlichen
Karriere keine Ausnahme davon gemacht: Alexander Schalck-Golodkowski, die schillernde Figur des
bankrotten Regimes der DDR, tauchte am vergangenen Wochenende (2./3. Dezember) im westlichen
Ausland unter und ward seither nicht mehr gesehen. Der Ostberliner Haftbefehl gegen ihn kam zu spät.
Anders sla die früheren Politbüromitglieder Günter Mittag, langjähriger ZK-Sekretär für Wirtschaft,
Harry Tisch, der ehemalige Gewerkschaftsboß, die beide seit Tagen in Untersuchungshaft schmoren,
entschied sich der Mann mit dem langen Namen, hochrangigster Republikflüchtling zu werden.
Das entbehrt nicht der Logik. Schalck-Golodkowski, nach außen lediglich Staatssekretär im Ostberliner
Ministerium für Außenhandel, aber in Wahrheit einer der mächtigsten Männer der DDR, gebot praktisch
unkontrolliert über die wichtigsten Quellen des zweiten deutschen Staates für richtiges Geld - also D-Mark,
Dollar und Schweizer Franken. Und mehr als wahrscheinlich ist, dass längst nicht alle Devisen-Milliarden,
die der geschäftstüchtige Genosse im Namen des Arbeiter- und Bauernstaats heranschaffte, ihren ordnungsgemäß-
mäßigen Weg nahmen. Geschockt von den bisherigen Enthüllungen über das süße, privilegierte Leben ihrer
hohen Staatsfunktionäre, fragten Abgeordnete der Volkskammer denn auch schon nach Nummernkonten bei
Schweizer Banken, wo angeblich westliche Devisen, Gold und andere Wertsachen im Wert von hundert
Milliarden D-Mark liegen, die eigentlich in die offizielle DDR-Kasse gehören. Und es viel dabei immer derselbe Name:
Schalck-Golodkowski.
Solche phantastischen Summen erscheinen allerdings nicht nur den auf Redlichkeit bedachten eidgenössischen
Bankiers weit überzogen. Aber: Ein paar Millionen in harter Währung werden dem ehemaligen Chef-Devisenbeschaffer
der DDR für eine angenehme Existenz schon reichen. Und der "große Alex", wie Mitarbeiter den 1,90 Meter großen
Zwei-Zentner-Mann oft nannten, verfügt über noch etwas, das ihm ein Überleben im westlichen Untergrund
ermöglichen könnte: Beziehungen in viele Länder - etwas anrüchiger zwar, aber hilfreiche. Denn was ihn daheim
auf die Fahndungsliste brachte, erwarb ihm zuvor in langen Jahren Geschäftspartner einer ganz speziellen Art rund
um die Welt: illegaler Waffenhandel.
Vermutet worden war es schon länger, seit dem vergangenen Wochenende steht fest: Die DDR betrieb einen
schwunghaften Export mit Waffen aller Art. Ein riesiges Arsenal der Staatsfirma Imes GmbH in Kavelstorf bei Rostock
samt Frachtbriefen und Lagerkarteien wurde "von der Bevölkerung", wie die Nachrichtenagentur ADN meldete,
entdeckt. Der Staatsanwalt wirft der Firma nun "unerlaubten Waffenhandel zum Devisenerwerb" vor.
....und hier geht es weiter:
https://www.zeit.de/1989/50/ein-mann-fu ... egenheiten
Und MDR ZEITREISE: Wer war Alexander Schalck-Golodkowski?
https://www.mdr.de/zeitreise/ddr/geschi ... dr100.html
W. T.