Edelknabe hat geschrieben:Vielen Dank in die Runde und stark Delta, das du begonnen hattest,es sind übrigens gute realistische Schilderungen auch von dein und Interessierter und ich ergänze etwas mit einem alten Text aus einem anderen Fred
Beitragvon Edelknabe » 10. Oktober 2011, 07:14 in "Geschichten eines Gastes"aus dem Offtopicfred.
Hallo zusammen, ich dachte, kram doch mal in deinen Büchern für den Gastfred und siehe da, ein wunderschöner Textauszug über die Nachkriegszeit in Westdeutschland, sozusagen ein „Sittengemälde“, was wirklich für sich spricht, gefunden im Buch von Inge Viett,“ Nie war ich furchtloser“
In der Schule sprach der Lehrer am 17.Juni vom „ Abschütteln des bolschewistischen Jochs“ und geriet in Selbstvergessenheit über die „endliche Zerschlagung des Jüdisch-Kommunistischen Gebildes“ östlich der Elbe. Er geriet dabei in eine Art Ekstase, die uns Kinder ganz furchtbar irritierte. Er steigerte sich in antisemitische Beschimpfungen und Klagen über den verlorenen Krieg hinein. Das Blut wich aus seinem Gesicht und er schrie über unsere Köpfe hinweg, als wollte er eine unsichtbare Masse von Menschen bewegen. Wir hielten den Atem an, saßen verstört und gedrückt in den Bänken. Plötzlich hielt er inne, wurde sich seiner wieder bewusst und rannte kreidebleich hinaus. An der Tür schrie er: „Pause“, und wir stürzten erleichtert in den Hof.
Der Gang und Geist des dörflichen Lebens war nicht weiter beeindruckt von der aggressiven Politik der politischen und militärischen Hasardeure der Adenauer-Ära. Unspektakulär, fast behutsam sickerte das „ Wirtschaftswunder“ der fünfziger Jahre in die Bauernhöfe ein. Die alten Ungetüme der Landstraße, die Bulldozer, verschwanden und wurden ersetzt durch wendigere Traktoren, intelligentere Mäh- und Dreschmaschinen erleichterten die Erntearbeiten. Volkswagen und Motorräder mehrten sich. Unaufhaltsam endete die Pferdezeit. Ein Fuhrwerk nach dem Anderen verschwand von der Straße, vergreiste und vermoderte in den Remisen. Die rumpeligen eisenbereiften Deichselgespanne hatten ausgedient, jetzt gab es den gummibereiften Hänger für den Traktor. Bald hielten sich die Bauern nur noch ein, zwei Pferde, weil sie sich einen Bauernhof ohne Pferd nicht vorstellen konnten.
In der Wohnstube des Bürgermeisters flimmerte der erste Fernseher. Die Dorfjugend sang amerikanische Schlager, schwärmte für Elvis und begann Rock “n“ Roll zu tanzen, die Mädchen trugen dreiviertellange Hosen a la USA. Die Alten sagten immer noch „Heil Hitler“. Es regte auch niemanden auf, als im Nachbardorf wieder militärische Manöver stattfanden. Außer uns Kinder natürlich. Die Soldaten und ihre Kriegsgerüste waren für uns Objekt abenteuerlicher Bewunderung und unwiderstehlicher Anziehungskraft. Wenn möglich, schlichen wir zu ihren Tarnlagern und beglotzten sie.
Nein, unsere Begeisterung war nicht von selbst gekommen. Anekdoten über den “Eisernen Kanzler“ Bismarck- zu seinem Denkmal pilgerten wir alljährlich einmal- und über den Alten Fritz mit seinen wunderbar tüchtigen, treuen und mutigen Soldaten füllten die Geschichtsstunden und unsere Kinderköpfe. Kein Wort, nicht die geringste Aufklärung über die faschistischen Herrenjahre, nichts über den Greuel- und Plünderungsfeldzug der deutschen Armee durch Europa und Russland. All dies war offiziell tabu. Ich kriegte es irgendwie mit als etwas Dunkles, Schicksalhaftes. Ein durch die Schuld der Juden und Kommunisten über Deutschland gekommenes Unglück, das man diesen eines Tages heimzahlen werde.
Textauszug Ende.
Rainer-Maria
Edelknabe hat geschrieben:Die Alten sagten immer noch „Heil Hitler“. Es regte auch niemanden auf, als im Nachbardorf wieder militärische Manöver stattfanden.
Rainer-Maria
Was ist an der Frau so anders als am normalen BRD-Bürger außer das sie einmal in die RAF verliebt war oder besser den falschen Göttern hinterherrannte?
Interessierter hat geschrieben:Zitat Edelknabe:Was ist an der Frau so anders als am normalen BRD-Bürger außer das sie einmal in die RAF verliebt war oder besser den falschen Göttern hinterherrannte?
Inge Viett hat im August 1981 in Paris aus vier Metern Entfernung auf den Polizisten Francis Violleau geschossen. Der Beamte erlitt eine Querschnittslähmung und starb 2000 im Alter von 54 Jahren an den Folgen der Verletzung.
Das ist anders beim normalen Bürger der BRD, gleich ob er aus den alten oder neuen Bundesländern kommt.
Der Unterschied zwischen Dir und den normalen Bürgern der alten und neuen Bundesländern ist der, daß sie mit solchen Sätzen keine Opfer von Gewalt verhöhnen.
Dabei ist es völlig unerheblich ob Deine Aussagen aus Dummheit oder der Absicht zu provozieren geschehen.
Edelknabe hat geschrieben:Bist du mit dem falschen Fuss aufgestanden Transitfahrer? Was ist an der Frau so anders als am normalen BRD-Bürger außer das sie einmal in die RAF verliebt war oder besser den falschen Göttern hinterherrannte?
Jeder Mensch macht in jungen Jahren mal Fehler,wie alle machten mal Fehler und das ihr, der Inge Viett dabei der Polizist über den Weg lief...ich bitte dich, da war sie wohl nicht die Einzige, die einmal in so eine verdrehte Situation gekommen ist.
Rainer-Maria
Edelknabe hat geschrieben:Hält sich hier Einer gar für was ganz Besonderes ohne Fehler und sonstige menschlichen Schwächen und Macken? Dann bitte vortreten, Hand ganz hoch und laut Hier schreien und möglichst auch gleich begründen, warum Er davon so überzeugt meint?"
sie ist ein Mensch mit allen guten und auch schlechten Seiten so wie wir selber.
Edelknabe hat geschrieben:Was hat übrigens ihre Kindheit und die Schilderungen darüber mit dem Terrorismus zu tun?
Edelknabe hat geschrieben:
Sag mal Rainer, liest du eigentlich was du schreibst?
Beitragvon Edelknabe » 10. Oktober 2011, 07:14 in "Geschichten eines Gastes"aus dem Offtopicfred.
Hallo zusammen, ich dachte, kram doch mal in deinen Büchern für den Gastfred und siehe da, ein wunderschöner Textauszug über die Nachkriegszeit in Westdeutschland, sozusagen ein „Sittengemälde“, was wirklich für sich spricht, gefunden im Buch von Inge Viett,“ Nie war ich furchtloser“
In der Schule sprach der Lehrer am 17.Juni vom „ Abschütteln des bolschewistischen Jochs“ und geriet in Selbstvergessenheit über die „endliche Zerschlagung des Jüdisch-Kommunistischen Gebildes“ östlich der Elbe. Er geriet dabei in eine Art Ekstase, die uns Kinder ganz furchtbar irritierte. Er steigerte sich in antisemitische Beschimpfungen und Klagen über den verlorenen Krieg hinein. Das Blut wich aus seinem Gesicht und er schrie über unsere Köpfe hinweg, als wollte er eine unsichtbare Masse von Menschen bewegen. Wir hielten den Atem an, saßen verstört und gedrückt in den Bänken. Plötzlich hielt er inne, wurde sich seiner wieder bewusst und rannte kreidebleich hinaus. An der Tür schrie er: „Pause“, und wir stürzten erleichtert in den Hof.
Der Gang und Geist des dörflichen Lebens war nicht weiter beeindruckt von der aggressiven Politik der politischen und militärischen Hasardeure der Adenauer-Ära. Unspektakulär, fast behutsam sickerte das „ Wirtschaftswunder“ der fünfziger Jahre in die Bauernhöfe ein. Die alten Ungetüme der Landstraße, die Bulldozer, verschwanden und wurden ersetzt durch wendigere Traktoren, intelligentere Mäh- und Dreschmaschinen erleichterten die Erntearbeiten. Volkswagen und Motorräder mehrten sich. Unaufhaltsam endete die Pferdezeit. Ein Fuhrwerk nach dem Anderen verschwand von der Straße, vergreiste und vermoderte in den Remisen. Die rumpeligen eisenbereiften Deichselgespanne hatten ausgedient, jetzt gab es den gummibereiften Hänger für den Traktor. Bald hielten sich die Bauern nur noch ein, zwei Pferde, weil sie sich einen Bauernhof ohne Pferd nicht vorstellen konnten.
In der Wohnstube des Bürgermeisters flimmerte der erste Fernseher. Die Dorfjugend sang amerikanische Schlager, schwärmte für Elvis und begann Rock “n“ Roll zu tanzen, die Mädchen trugen dreiviertellange Hosen a la USA. Die Alten sagten immer noch „Heil Hitler“. Es regte auch niemanden auf, als im Nachbardorf wieder militärische Manöver stattfanden. Außer uns Kinder natürlich. Die Soldaten und ihre Kriegsgerüste waren für uns Objekt abenteuerlicher Bewunderung und unwiderstehlicher Anziehungskraft. Wenn möglich, schlichen wir zu ihren Tarnlagern und beglotzten sie.
Nein, unsere Begeisterung war nicht von selbst gekommen. Anekdoten über den “Eisernen Kanzler“ Bismarck- zu seinem Denkmal pilgerten wir alljährlich einmal- und über den Alten Fritz mit seinen wunderbar tüchtigen, treuen und mutigen Soldaten füllten die Geschichtsstunden und unsere Kinderköpfe. Kein Wort, nicht die geringste Aufklärung über die faschistischen Herrenjahre, nichts über den Greuel- und Plünderungsfeldzug der deutschen Armee durch Europa und Russland. All dies war offiziell tabu. Ich kriegte es irgendwie mit als etwas Dunkles, Schicksalhaftes. Ein durch die Schuld der Juden und Kommunisten über Deutschland gekommenes Unglück, das man diesen eines Tages heimzahlen werde.
Textauszug Ende.
Rainer-Maria
augenzeuge hat geschrieben:Edelknabe hat geschrieben:Die Alten sagten immer noch „Heil Hitler“. Es regte auch niemanden auf, als im Nachbardorf wieder militärische Manöver stattfanden.
Rainer-Maria
Die BRD mag anfangs in der Verfolgung der Nazis große Fehler gemacht haben, aber das sich die Bürger mit Heil Hitler grüßten gehört ins Reich der Scharlatanerie. Und was die militärischen Manöver betrifft- durfte man sich denn darüber woanders öffentlich aufregen?
AZ
Edelknabe hat geschrieben: Das Ehepaar Lerch aus Wiesbaden flüchtete vor dem in Westdeutschland grassierenden Antisemitismus in die DDR.Der 43 jährige Stefan Lerch hatte sich 1957 eine Jüdin zur Frau genommen.Seitdem war das Ehepaar ständigen Schikanen ausgesetzt. Es wurde mit "Judensau" und anderen nazistischen Ausdrücken beschimpft, die betriebseigene Wohnung gekündigt, die Ehefrau tätlich angegriffen und verletzt.Eine Klage wurde von der Staatsanwaltschaft abgelehnt,das "kein öffentliches Interesse" daran bestehe.
Quelle: DDR Revue Heft 2/1962
Edelknabe hat geschrieben:Rainer-Maria und wer sagt das Sirius, mit der Begrüßung, das die einfach falsch wäre, war, gelogen sein dürfte...doch nicht etwa Du? Entschuldige Sirius,wer bist du ohne dir zu nahe treten zu wollen und ich schätze deine Texte ob ihrer Intelligenz und Ruhe, etwa Meister Allwissend oder gar Historiker, warst du dabei, damals 1953 in den Gastwirtschaften und auch was die Lehrer betrifft?
Tut mir ja auch leid ob der momentan dummen Missstimmung in diesem Fred hier. Ich denke, der Alltag war eben nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen....und natürlich der Banenenstauden für den großen weißen Affen Freiheit.
Transitfahrer hat geschrieben: Diese stellen sicherlich nicht die Ehrfahrungen und Lebensumstände von über 60 mio. BRD-Bürgern dar, noch einen Querschnitt dieser.
augenzeuge hat geschrieben:Wer erwartet eigentlich, dass man in DDR-Büchern die volle Wahrheit über das reale Leben in der BRD findet?
ex-maja64 hat geschrieben:augenzeuge hat geschrieben:Wer erwartet eigentlich, dass man in DDR-Büchern die volle Wahrheit über das reale Leben in der BRD findet?
Gute Frage , bei der sich aber auch wieder bei mir der Umkehreffekt ergibt. Was hier des öfteren schon über Links und Videos eingestellt wurde,
wer von uns kann bezeugen, dass diese, der Masse der Bevölkerung in der DDR entsprach?
Mario
ex-maja64 hat geschrieben:Gute Frage , bei der sich aber auch wieder bei mir der Umkehreffekt ergibt. Was hier des öfteren schon über Links und Videos eingestellt wurde,
wer von uns kann bezeugen, dass diese, der Masse der Bevölkerung in der DDR entsprach?
Mario
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