In den westlichen Besatzungszonen, in denen nach 1945 ein extrem dezentralisiertes System lokaler Polizeibehörden aufgebaut worden war, scheiterten hingegen zunächst alle Forderungen der Innenminister, die Polizei auch nur auf Länderebene zu zentralisieren – geschweige denn, daß Truppenpolizeiformationen oder Ansätze zu einer geheimen politischen Polizei zugelassen wurden, wie sie im Frühjahr 1948 von den Ministerpräsidenten der amerikanischen Besatzungszone gefordert wurden. Die Antwort des amerikanischen Generalgouverneurs Clay: „I think I would rather have the Communists than the secret police.“4
In der britischen Zone wurde hingegen im Winter 1948 den lokalen Polizeien die Bildung eines „Special Branch“ zugestanden, um auf „subversive activities“ reagieren zu können. In der deutschen Literatur tauchen diese Vorläufer der politischen Dezernate als „Polizeisonderdienste (PSD)“ und „Informationsstellen (I-Stelle)“ auf. Sie wurden in NRW 1949 mit deutlich antikommunistischer Orientierung nach einem Kabinettsbeschluß der Landesregierung gebildet.
Mit dem „Polizeibrief“ der Militärgouverneure an Adenauer als Präsident des Parlamentarischen Rates vom 14. April 1949 wurde schließlich gestattet, „eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben.“ Diese Genehmigung schlug sich in den Artikeln 73, Abs.10 und 87, Abs.1 des Grundgesetzes von 1949 nieder – der Geburtsurkunde der „Ämter für Verfassungsschutz“.
Nur ein Bruchteil mußte allerdings in Haft – ein radikaler Unterschied zur Justizpolitik der DDR, die Zehntausende politischer Gegner zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und in die Zuchthäuser steckte.
augenzeuge hat geschrieben:Nur ein Bruchteil mußte allerdings in Haft – ein radikaler Unterschied zur Justizpolitik der DDR, die Zehntausende politischer Gegner zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und in die Zuchthäuser steckte.
Genau!
AZ
icke46 hat geschrieben:augenzeuge hat geschrieben:Nur ein Bruchteil mußte allerdings in Haft – ein radikaler Unterschied zur Justizpolitik der DDR, die Zehntausende politischer Gegner zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und in die Zuchthäuser steckte.
Genau!
AZ
Ich hatte das ja in einem anderen Thread erwähnt: Hat das einen tieferen Sinn, dass Du hier Zitate bringst, aber die Quelle des Zitats wohlweislich weglässt? Für das Verständnis des Beitrags ist das nicht sehr förderlich...
Bis zum Ende der Kommunistenverfolgung durch die Reform des politischen Strafrechts 1968 wurden ca. 125.000 Ermittlungsverfahren gegen Kommunisten betrieben und ca. 5 – 6.000 von ihnen verurteilt. Nur ein Bruchteil mußte allerdings in Haft – ein radikaler Unterschied zur Justizpolitik der DDR, die Zehntausende politischer Gegner zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und in die Zuchthäuser steckte.
Von tiefbraun bis mittelbraun: Die Polizei in der BRD
Neuer Beitragvon icke46 » 5. Apr 2021, 11:29
Quasi als Kontrapunkt zu dem Thread "Die Polizei in der DDR" mache ich mal diesen Thread auf. Die Wirklichkeit ist selten schwarzweiß, auch wenn manche sie gerne so wahrnehmen, weil es das Leben doch sehr vereinfacht.
Aber als Diskussionsanstoß mal eine Literaturkritik zu dem Buch "Die Gestapo nach 1945" von Mallmann/Angrick, zitiert aus https://literaturkritik.de/id/13946 :
Es gab nicht nur gravierende Unterschiede zwischen der Sowjetunion auf der einen und den drei Westalliierten Frankreich, Großbritannien und USA auf der anderen Seite. Auch in den drei westlichen Besatzungszonen wurden verschiedene Konzepte verwirklicht.
In der britischen Besatzungszone ging es vor allem um die "Entpolizeilichung" der öffentlichen Ordnung: Die Aufgaben der bisherigen Verwaltungspolizei, beispielsweise das Melde- und Fremdenwesen, wurden der Kommunalverwaltung übertragen. Analog zum Polizeisystem in England führten die Briten Stadtkreis- und Regierungsbezirkspolizeien ein.
In der amerikanischen Besatzungszone wurde die Polizei in allen Orten mit mehr als 5000 Einwohnern kommunalisiert; zusätzlich wurden auch Landespolizeieinheiten aufgestellt, die für den Rest des Landes verantwortlich waren.
In der französischen Zone verfuhr man ähnlich: Die Polizei wurde ebenfalls kommunalisiert. Das Saarland nahm eine Sonderrolle ein, da es aus dem Zuständigkeitsbereich des alliierten Kontrollrates ausgeklammert war. Hier wurde die Polizei ungewöhnlich früh verstaatlicht und entsprechend der französischen Tradition zentralisiert. In den anderen Teilen der französischen Besatzungszone folgte man diesem Beispiel nur wenig später. Mit Niedersachsen (1951) und Nordrhein-Westfalen (1953) verstaatlichten nach der Gründung der Bundesrepublik zwei Länder der ehemaligen britischen Besatzungszone ebenfalls ihre Polizeien. Damit wurde an die Weimarer Polizeitradition angeknüpft.
Die organisatorische Umgestaltung war das Eine. Aber was passierte mit den Polizisten des NS-Staates? Eines der Hauptziele der Westalliierten bestand in der Entnazifizierung insbesondere des öffentlichen Dienstes. Doch Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander: So gelangten unzählige Beamte wieder in den Dienst, die bereits während der NS-Zeit im Polizeidienst gewesen und zum Teil an den nationalsozialistischen Massenverbrechen aktiv beteiligt waren. Zugleich gab es eine nicht unerhebliche personelle Erneuerung, die allerdings zwiespältig zu beurteilen ist: So hatten viele der Neueingestellten ihre Sozialisation im nationalsozialistischen Deutschland erfahren und bei der Wehrmacht gedient. Somit kann nur bedingt von einem echten personellen Neuanfang gesprochen werden.
Die Polizei der Bundesrepublik bis zum Ende der 1950er Jahre
Die Vorstellungen der Westalliierten, eine demilitarisierte und dezentrale Polizei aufzubauen, die diese während der Beratungen des Grundgesetzes noch hegten, wandelten sich mit Ausbruch des Koreakriegs am 25. Juni 1950. Der Kalte Krieg und die Aufstellung von KVP-Verbänden in der DDR führten dazu, dass nun auch der jungen Bundesrepublik der Aufbau solch militärisch organisierter Einheiten zugestanden wurde. Obwohl es sich um Landespolizeieinheiten handelte, wurden die Kosten für die Bereitschaftspolizei vom Bund übernommen. Insofern kann durchaus von einer gewissen Parallelität in Ost und West gesprochen werden. Während aber in der DDR die Zentralisierung und die Abschaffung der Bundesländer den Aufbau einer einheitlichen Polizei vergleichsweise leicht machten, war dieser Prozess in der Bundesrepublik vielschichtiger: etwa aufgrund unterschiedlicher historischer Prägungen, so im ehemals preußischen Teil und in den süddeutschen Ländern. Hinzu kamen die jeweiligen Vorstellungen der drei westlichen Besatzungsmächte. Dennoch zeigten sich damals bei der westdeutschen Polizei einige gemeinsame Merkmale.
Die Ausbildung der Schutzpolizisten wurde in der Mehrzahl der Länder nach und nach vereinheitlicht. Einem Grundausbildungsjahr in einer Polizeischule folgte die Kasernierung bei der Bereitschaftspolizei, bei der die Anwärter etwa zwei bis drei Jahre blieben, bis sie schließlich in den Einzeldienst kamen. Der Schwerpunkt der Ausbildung lag also auf der Bereitschaftspolizei: Militärische Ausbildung, Drill und Gehorsam standen im Vordergrund. Es stellte sich die Frage, ob ein so ausgebildeter Polizist der zivilen oder der militärischen Welt angehörte. Eine endgültige Antwort darauf erfolgte erst gegen Ende der 1960er Jahre.
In allen westdeutschen Ländern setzte sich zudem eine mehr oder weniger einheitliche Organisation der Polizei durch. Es gab die Sparten Schutzpolizei, Wasserschutzpolizei, Bereitschaftspolizei und Kriminalpolizei. Die Aufgaben der früheren Verwaltungspolizei wurden nach und nach meist kommunalen Behörden zugewiesen. Eine politische Polizei im ursprünglichen Sinn wurde nicht eingerichtet. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit im Innern, die seit dem 19. Jahrhundert bis 1945 eine klassische Polizeiaufgabe gewesen war, wurde den neugegründeten Landesämtern für den Verfassungsschutz übertragen, zunächst in Nordrhein-Westfalen.
Auch das Polizeirecht folgte nun - bei allen anhaltenden föderalen Unterschieden - einer gemeinsamen Linie. In den 1950er und 1960er Jahren gingen alle westdeutschen Länder dazu über, Polizeigesetze zu erlassen, die auf der Generalklausel des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794 und dem Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 basierten. Die süddeutschen Länder folgten somit dem preußischen Vorbild der Generalermächtigung und verabschiedeten sich vom Prinzip der Spezialermächtigung. Zwar wurde die öffentliche Ordnung überall "entpolizeilicht", aber in der Praxis haben sich zwei Modelle herausgebildet: das Einheitsprinzip und das Trennprinzip. In den Ländern Baden-Württemberg, Bremen und Saarland wurde die Einheitlichkeit der Polizeibehörden beibehalten, das heißt, die Polizeibehörde ist hier für alle Maßnahmen zuständig, die in einem Sachgebiet anfallen. Alle übrigen Bundesländer trennen Polizei- und Ordnungsbehörden. Die Unterscheidung liegt nicht in den Aufgaben begründet, sondern in den Handlungsmitteln.
Als weiteres gemeinsames Merkmal lässt sich eine regelrechte Verstaatlichungswelle der Polizei erkennen, mit der an eine Entwicklungslinie aus der Weimarer Republik angeknüpft wurde. Allerdings erstreckte sich dieser Prozess über mehrere Jahrzehnte. Insbesondere in den süddeutschen Staaten blieb die Großstadtpolizei lange Zeit kommunal: In Stuttgart wurde sie 1973, in München erst 1975 verstaatlicht. Ein besonderes Charakteristikum der Polizeientwicklung der Bundesrepublik ist die Tatsache, dass der Bund ebenfalls Polizeieinheiten aufstellte, was einen Bruch mit der Weimarer Tradition insofern darstellte, als seinerzeit entsprechende Überlegungen zwar angestrengt, aber nicht umgesetzt worden waren. Dies wird am Beispiel des Bundeskriminalamts, welches 1951 gegründet wurde, deutlich. Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik vorliegende Pläne zur Errichtung eines Reichskriminalpolizeiamtes wurden erst im NS-Staat umgesetzt, wenn auch unter anderen Vorzeichen: Als Amt V wurde es in das Reichssicherheitshauptamt integriert. Das 1951 neugegründete Bundeskriminalamt lehnte sich in seiner Organisationsstruktur deutlich an das Reichskriminalpolizeiamt an. Zudem hatten viele der führenden Beamten der ersten Generation in der Vergangenheit hohe SS-Dienstgrade inne gehabt.[9]
Es ist also durchaus berechtigt, auch hier Kontinuität zu konstatieren. Dies gilt jedoch für viele Bereiche der Gesellschaft der jungen Bundesrepublik und kann auch als eine Integrationsleistung der neuen Demokratie gewertet werden. Ebenfalls 1951 wurden erstmals Einheiten des Bundesgrenzschutzes aufgestellt. Diese erhielten eine militärische Ausrüstung, und das Führungspersonal bestand aus Offizieren der Wehrmacht. Konsequenterweise wechselte rund die Hälfte des Personals 1956 zur Bundeswehr. Ein typischer Karriereverlauf der Jahre 1940 bis 1960 konnte also lauten: Wehrmacht, Bundesgrenzschutz, Bundeswehr.
Somit hatte sich das Polizeisystem der Bundesrepublik in seinen Grundzügen herausgebildet und ausdifferenziert: Grundsätzlich war es föderal geprägt, aber der Bund als Zentralinstanz besaß ebenfalls Kompetenzen und eigene Kräfte; kommunale Polizei existierte weiterhin neben der staatlichen; Tendenzen der Vereinheitlichung standen landesspezifischen Entwicklungen gegenüber.
Es war nicht nur der gesellschaftliche Druck von außen, der zu tief greifenden Polizeireformen führte. Eine neue Generation von Führungskräften in der Polizei selbst drängte auf moderne Einsatzkonzepte und neue rechtliche Regelungen, wie etwa auf die Änderung des Versammlungsrechts. Auch das Idealbild des Polizisten änderte sich: Das Saarbrücker Gutachten von 1972 enthält die Vision des Polizeibeamten als Sozialingenieur. Die wissenschaftliche Fundierung der praktischen Polizeiarbeit wurde zum Leitbild erhoben, die Polizei nun endgültig der zivilen Welt zugerechnet und nicht mehr als militärische oder paramilitärische Institution angesehen. Dies zeigt sich auch an der Ausbildung der Beamten des gehobenen Dienstes, die seit Beginn der 1970er Jahre zunehmend an Polizei- und Verwaltungsfachhochschulen erfolgte.
Doch den Reformen stand ein nicht unerheblicher Beharrungswille innerhalb der Polizei entgegen. Die Unsicherheit in der Gesellschaft, wie ihre Polizei denn nun sein sollte, und die Unruhe in der Polizei selbst schlugen sich auch im öffentlichen Diskurs nieder: Das Magazin "Der Spiegel" widmete dem Thema im Februar 1973 eine elfseitige Titelgeschichte. In dieser äußerte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, der Schutzpolizeidirektor Kurt Gintzel, die Befürchtung, dass die Reformbestrebungen, eine bürgernahe Polizei zu schaffen, durch den aufkommenden Terrorismus gefährdet seien.
Sperrbrecher hat geschrieben:....und wieviele Stasi-Angehörige, Zuträger und informelle Mitarbeiter wurden denn nach
der Wende vor Gericht gestellt oder sind verurteilt worden?
Die ergangen Urteile, soweit es die überhaupt gab, waren doch lächerlich und ein weiterer
Schlag ins Gesicht ihrer Opfer.
Anscheinend ist es ein Defizit der Deutschen, wenn es um die Bewältigung und Aufarbeitung
der Vergangenheit geht.
icke46 hat geschrieben:
Ist übrigens interessant, wie hier gleich die Rechtfertigungsreflexe geweckt werden - ist ja fast wie bei den Alt-Stasis
Kumpel » 5. Apr 2021, 15:57
icke46 hat geschrieben:
Ist übrigens interessant, wie hier gleich die Rechtfertigungsreflexe geweckt werden - ist ja fast wie bei den Alt-Stasis
Auf diesem Niveau hast du selbst diese Diskussion begonnen , in dem du sie als ''Kontrapunkt'' zur VP der DDR definiert hast.
Das ist übrigens eine beliebte Methode der Ehemaligen , nach dem Motto , die haben ja auch.........
Interessierter hat geschrieben:
Richtig kumpel, genau das habe ich auch gedacht. " Ein Schelm wer Böses dabei denkt ".
Sperrbrecher hat geschrieben:....und wieviele Stasi-Angehörige, Zuträger und informelle Mitarbeiter wurden denn nach
der Wende vor Gericht gestellt oder sind verurteilt worden?
Die ergangen Urteile, soweit es die überhaupt gab, waren doch lächerlich und ein weiterer
Schlag ins Gesicht ihrer Opfer.
Anscheinend ist es ein Defizit der Deutschen, wenn es um die Bewältigung und Aufarbeitung
der Vergangenheit geht.
6. Versorgungsrechtliche Regelungen für ehemalige Beamte in der DDR
Mit der fiktiven Nachversicherung ehemaliger Beamter in der gesetzlichen Rentenversicherung durchaus vergleichbare Vorschriften galten vor der staatlichen Einheit Deutschlands auch in der DDR. Danach galten die Dienstzeiten ehemaliger Beamter, Wehr- oder Kriegsdienstleistenden und Berufssoldaten als versicherungspflichtige Tätigkeit und wurden so in die Sozialversiche- rung einbezogen, ohne dass für die Angehörigen verbrecherischer nationalsozialistischer Organi- sationen Sonderregelungen zu beachten waren.
icke46 hat geschrieben:Quasi als Kontrapunkt zu dem Thread "Die Polizei in der DDR" mache ich mal diesen Thread auf.[...]
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