Nostalgiker hat geschrieben:
Und nein, ich finde das nicht witzig oder lustig wie mit solchen Zynismen das Leben in der DDR als wertlos und falsch gebrandmarkt wird.
Wer sich so als „Sozialistische Persönlichkeit“ erwartungsgemäß verhielt, wurde belohnt: Alle höheren Bildungswege und Karriereschritte wurden als vom Staat gewährte „Auszeichnung“, nicht als selbstverständliches Recht bei guten Leistungen gehandhabt.
Auf die EOS („Erweiterte Oberschule“ bis zum Abitur) kam nur, wer nicht negativ aufgefallen war, auch wenn sie oder er beste schulische Leistungen vorweisen konnten. Die Verpflichtung, als „Soldat auf Zeit“ (3. Jahre) oder Berufsoffizier seinen „Ehrendienst bei der Nationalen Volksarmee“ zu leisten, zeitweilig auch die Verpflichtung als Lehrer/in (!), war dagegen ein Türöffner für das Abitur und den gewünschten Studienplatz, selbst bei mangelnden Leistungen. Studienplätze wurden zentral vergeben, eine Ablehnung nicht begründet.
Aber wer abwich, wer seinen eigenen Weg gehen wollte, bekam die Diktatur zu spüren: „Tramper“, „Punker“ wurden wegen „asozialem Verhalten“ vor Gericht gestellt, ebenso diejenigen , die sich ausprobieren wollten und deshalb keinen festen Arbeitsplatz hatten. Wer die DDR „unberechtigt“ verlassen wollte sowieso, wer seine eigene Meinung vertrat oder sich als Christ bekannte, bekam ins Zeugnis geschrieben dass er sich noch „einen klaren Klassenstandpunkt erarbeiten“ müsse und musste damit rechnen, keine Zulassung zum Abitur, zum Studium, zu begehrten Berufsausbildungen zu bekommen.
Und wer gar die einzige legale Möglichkeit, den Waffendienst in der NVA zu verweigern in Anspruch nahm und „Bausoldat“ (Soldat in der NVA, aber ohne Waffenausbildung, nur ganz wenigen bekannt und außer in der kirchlichen Öffentlichkeit nirgends bekannt gemachte) wurde, hatte – bis auf ganz wenige Ausnahmen – keine Chance mehr, einen Studienplatz zu bekommen.
Wer die oben aufgeführten Ergebenheitsbeweise nicht erbrachte, hatte damit von selbst die Begründung der „Ablehnung zur Zulassung“ gegeben: Er war der Auszeichnung nicht würdig.
Dennoch ist es der DDR-Führung nie gelungen, ihre Ideologie zur Weltanschauung aller zu machen. Der Großteil nahm die Anpassungsforderungen als „freiwillige Pflicht“ hin, ohne sie innerlich zu vertreten (im deutlichen Unterschied zur NS-Zeit, in der zumindest am Anfang der überwiegende Teil der Deutschen die Ziele der NSDAP bejahte). Und nicht vergessen werden darf, dass DDR-Bürger über ARD und ZDF oder die Radioprogramme allabendlich „in die Bundesrepublik auswanderten“.
Und gerade in ihren Exzessen zeigten sich immer wieder die Widersprüche auf, die zur Opposition provozierten: Als Kinder mit Plastetüten aus den Intershop-Läden, in denen man für (West-) D-Mark Produkte aus dem „Westen“ (die teilweise in der DDR hergestellt waren) kaufen konnte, in die Schule kamen, wurde ihnen das verboten, die Tüten konfisziert. Als Jugendliche sich das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ (das eine als Geschenk der Sowjetunion vor dem UN-Sitz in New York und in Moskau aufgestellte Skulptur darstellte und auf einen Bibelspruch zurückging) auf ihre Jacken nähten, wurden sie in den Schulen, teilweise sogar mit Hilfe der Polizei gezwungen, es wieder abzumachen.
Es ist klar, dass eine vom Staat unabhängige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen da keine Platz hatte, nicht haben durfte und deshalb immer wieder bekämpft werden musste. Die Gründung der „Freien Deutschen Jugend“ 1946 war noch ein gemeinsames Projekt einer antifaschistischen, pluralistischen und humanistischen Jugendorganisation. Auch Evangelische und Katholische Kirche gehörten mit zu den Gründern. Aber die Ausrichtung als „Kampfreserve der Partei“ (der SED) wurde schnell deutlich: 1949 verließen die Christlichen Kirchen die FDJ. Die DDR-Regierung ließ von nun an nur den einen „einheitlichen Jugendverband“ zu. Das musste unweigerlich zum Konflikt führen, der die ganzen Jahre des Bestehens der DDR anhalten sollte: 1953 die Verfolgung der Jungen Gemeinde als „Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag“, die Verfolgung der Rüstzeit(Freizeitfahrten)arbeit in den 60er Jahren, die ab den 70ern beginnenden Auseinandersetzungen um „Offene Arbeit“ und den Einsatz für „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“…
Dass sie nie ganz einfach verboten wurde, war wohl letztlich der unmittelbaren Nähe und den vielen persönlichen sowie kirchlichen Beziehungen zur Bundesrepublik geschuldet, die solchen Vorgängen in der DDR immer wieder zu negativer internationaler Öffentlichkeit verhalfen, und dies konnte die DDR-Führung auf ihrem Weg zur internationalen Anerkennung nicht gebrauchen.
Damit waren die kirchlichen die einzigen nicht integrierten Jugendzusammenschlüsse. Dass sie so zu Orten wurden, wo sich auch oppositionell Denkende versammelten, war fast zwangsläufig. Dass daraus aber zunehmend eine aktiv kritische Haltung erwuchs, die die DDR verändern wollte, war auch innerhalb der Kirchen keineswegs unumstritten. Staatliche Organe bekämpften vereint mit der immer mächtiger werdenden „Stasi“ die „Politische Untergrund-Tätigkeit“, immer wieder auch unbewusst oder sogar bewusst unterstützt von den kirchlichen Mitarbeitenden und Verantwortlichen, denen die Begrenzung auf das sakral-kirchliche wichtiger war oder die sich gar zu Helfershelfern der Stasi hatten machen oder erpressen lassen.
AkkuGK1 hat geschrieben:Ich sehe in den Bildunterschriften eher das Problem, das wir DDR Erfahrenen wissen was wahr und was Satire ist. Die langhaarigen Chemiker sind Mädchen, die Mopedfahrer sehen nicht gegängelt aus und die Fotos scheinen auch von offizieller Stelle beauftragt worden zu sein. Nostis Empörung ist genauso überzogen.
Auch Gemütlichkeit kennt Grenzen: DDR-Interieur von 1972. Erlaubt waren aber auch Wohnzimmer ohne Schrankwand und Sitzgarnitur.
Nostalgiker hat geschrieben:Und wie erklärst du deine Karriere Zottmann?
Pionier, Thälmannpionier, FdJer, GST-Mitglied, und als Krönung SED Mitglied bis zum Ende der DDR.
Du wurdest natürlich nicht ideologisch indoktriniert, du warst ja seit deiner Geburt aktiver Widerstandskämpfer gegen das System.
karnak hat geschrieben:Wenn jemand nicht glücklich zur Mitgliedschaft bei den Pionieren war,waren das am Ehesten die Eltern, und das aus ideologischen Gründen, was gerne legitim gewesen sein soll. Die Kinder hatten über diesen Weg Freizeitgestaltung, Gemeinschaft, Spaß und gerne auch etwas ideologische Beeinflussung, die hat sie aber nicht wirklich umgebracht und wenn man sie nicht tief verinnerlicht hat ging das auch und es blieb der Spaß, die Gemeinschaft und die Freizeitgestaltung übrig, dass alles hatte man allerdings in der jungen Gemeinde auch. So war das wirkliche Leben zu diesen Dingen in der DDR in Wahrheit strukturiert, der Rest dazu ist das übliche Theater.
karnak hat geschrieben:Das lässt sich auf jede von Parteien oder anderen weltanschaulich getragenen Organisationen übertragen. Natürlich spielen dort deren Überzeugungen eine Rolle. Wäre es anders müsste es sich um eine rein kommerziell betriebene Freizeitorganisation im Stile eines Robinson Clubs handeln.
karnak hat geschrieben:Gut, dass will ich akzeptieren, wenn man auch Pionier werden konnte ohne überzeugter Kommunist werden zu müssen und trotzdem konnte man die Vorteile abgreifen. Schau Dir unsere Kanzlerin an, die hat es sogar in eine elitäre Studienrichtung geschafft, oder den Volker Zottmann, der hat es wenigstens zu einen Farbfernseher geschafft.
karnak hat geschrieben:Um den Zorn zu entgehen reichte es schon ein bisschen Überzeugung zu heucheln. Schau Dir wieder die Angela an, als Agit/ Prop. reichte es wenn man bunte Wanzeitungen klebte und man war auf der sicheren Seite.
AkkuGK1 hat geschrieben:karnak hat geschrieben:Gut, dass will ich akzeptieren, wenn man auch Pionier werden konnte ohne überzeugter Kommunist werden zu müssen und trotzdem konnte man die Vorteile abgreifen. Schau Dir unsere Kanzlerin an, die hat es sogar in eine elitäre Studienrichtung geschafft, oder den Volker Zottmann, der hat es wenigstens zu einen Farbfernseher geschafft.
nicht konnte, musste, oder man spürte den Zorn der Führung.
Nostalgiker hat geschrieben:aber bei dir hätten sie leichte Schläge auf den Hinterkopf anwenden sollen .....
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