von Edelknabe » 9. Februar 2021, 19:06
Diese schöne Geschichte passt hier rein,eben neben Volker seinen Schaffenszeiten weil wohl dieselbe Zeit vor der Wende in 1989.
Damals war mir der Privatbetrieb irgend wie näher als der VEB ...einfach ans schaffende Herz gewachsen:
"Ich nenne sie" Kumpanei ist Lumperei "von Rainer-Maria Rohloff
Rudi kam zu uns, da war ich schon eine Weile in diesem Privatbetrieb beschäftigt, über den ich hier schon einmal oder mehrmals geschrieben habe. Er war ein „ Ungelernter“, das hieß einer, der sich aus irgendwelchen Gründen in den Bereich der Privatwirtschaft zurück gezogen hatte. Derer Gründe gab es in den 70 / 80er Jahren in der DDR viele, eventuell aktuelle Ausreiseanträge, Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehova, ehemalige Konfirmanden, Politikverweigerer ohne oder mit Hang zu Oppositionsgedanken, Einzelkämpfer so wie mich, Leute vom anderen Ufer und Krankheiten wie leichte und schwere Alkoholsucht, wohl bemerkt, damals war das noch keine anerkannte Krankheit, eher ein Laster und noch X andere Gründe mehr. Es war eine Nische im Arbeiter und Bauernstaat, in der sich gut leben ließ, gehe ich einmal von mir aus.
Rudi gehörte zu den leichten Laster- Fällen und was er früher einmal gearbeitet hatte weiß ich heute nicht mehr, nur Eines weis ich noch, sein ehemaliger Chef war ein „ Kleiner alter Krauter“. So nannte man die, die schon immer private Betriebe in Erbfolge betrieben, so ab 18. Jahrhundert bis mitten in die DDR hinein. Die, die nach 1945 blieben, ich nenne Sie die Bodenständigen. Man ließ sie Werkeln oder Schaffen, die Republik war auf sie angewiesen. Ob gut oder schlecht lag wohl an jedem selbst, an seinem diplomatischen Draht zu den „ Obersten Zehntausend“ und den Kombinaten. Die Großen mit bis zu 100 Beschäftigten verstaatlichte man ab Anfang der 70er Jahre oder besser ausgedrückt auf den Stuhl des Direktor kam ein geschulter Leiter mit Bonbon am Revers, für die Schüler als Erklärung, das war das Parteiabzeichen der SED. Der Alteigentümer konnte bleiben aber ohne Funktion weiter mitschaffen.. So im Nachhinein betrachtet war es ein Fehler, diese ganze Verstaatlichungsaktion, meine ich. Aber Fehler sind menschlich.
Unsere Auftragslage im Kleinstbetrieb war gut, mehr wie gut und so wurde für die Helfertätigkeiten jede Hand gebraucht. Am Anfang merkte ich nichts, ach so, ich vergaß noch zu schreiben, mir oblag die Funktion des Brigadier. So hieß das eigentlich im Volkseigenen Betrieb, beim Privatmann eher Vorarbeiter, der Westen sagt Polier dazu. Ist auch egal, es ist der, der sich mit dem Kunden, seinem Chef und mit seinen eigenen Kollegen herumärgert, es gehört jedenfalls eine gewisse Diplomatie dazu und ich dachte, die hätte ich. Wie gesagt, ich dachte….
Es passierte schon mal, das Rudi früh zu spät auf die Baustellen kam. Seine Ausreden waren immer sehr akkurat, und mein Chef Harald, der kam sowieso etwas später. Bei seiner jungen Frau war das menschlich, sie war eine studierte Ingenieurin, er übrigens auch und zwar für Automatisierung, und hatte den VEB satt, wollte mal etwas Anderes machen, aber was, das wusste sie auch nicht so richtig. Sie probierte noch und Harald brachte die Kohle, das Geld nach Hause. Wir waren immerhin stellenweise so bis zu acht Mann. Wenn man es so will, waren sie Beide „Ungelernte“, stürzten sich da auf ein völlig neues Feld aber sie hatten ja mich und meine Kollegen, wir waren die Fachleute, in der DDR sagte man Facharbeiter dazu.
Was wollten sie mehr, Harald hatte zwei linke Hände aber war ein guter Kaufmann, Bruni führte die Bücher, sie führte sie gut. Mein Lohn stimmte, und der, der Anderen auch..
Mein Chef, damals noch mein Freund sagte einmal zu mir: „ Eigentlich sind wir schön blöd, das wir so mühevoll produktiv Schaffen, Handel bringt doch viel mehr ein“. Am Wochenende, wenn ich zum Pfuschen fuhr, holte er vom Großhandel drei Fässer rote Limonade, stellte sich bei Veranstaltungen vor das Zentralstation in Leipzig und verkaufte das Brausewasser mit sehr gutem Gewinn, er hatte wohl damals schon leichte Aldi-Gene im Blut. Keine Behörde wollte eine Standgebühr von ihm haben ,und wenn, waren es nur Pfennige.
„Schlechte Zahlungsmoral“, diese zwei Worte gehörten in meinem Land zu den Fremdwörtern, aber das hatte ich meinem Handwerkerfreund dem Transitfahrer schon einmal geschrieben. Natürlich, Peter, in deinem Westdeutschland auch, zumindest vor1989 , erst danach fing der Ärger mit den säumigen Zahlern an. Jedenfalls war ich froh, das Rudi kam, wenn auch verspätet kam, manchmal schon mit leichter Alkoholfahne aber egal, auf Arbeit trank er selten, eher viel Kaffee..
Jetzt werden manche sagen, ja, ja der Alkohol und die DDR. Dazu ein kleines Gegenbeispiel. Nach der Wende, nach 1990 war ich im Zuge meines Berufes mehrere Jahre in Brauereien der alten Bundesländer unterwegs, dort standen die Bierkästen im Frühstücks und Mittagsraum gestapelt zum Zugreifen herum und……Lange Rede, kurzer Sinn. Gesoffen wurde hüben und drüben während der Arbeit und das nicht zu knapp. Das war doch das mit dem „ an die eigene Nase fassen“, Peter, mein Freund, aber ich schweife ab.Ende des ersten Teil.
Namen wurden mit Rücksicht auf die handelnden Personen geändert.
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Rainer-Maria(alle meine Geschichten unterm Rohloff)