Deutsche Denunzianten Republik
Nicht nur Stasileute haben gespitzelt. Neue Aktenfunde zeigen, wie normale Bürger Nachbarn und Kollegen verrieten. Auch aus dem Westen erhielt das Regime wertvolle Tipps.
"Ich höre."
"Frau Marianne Schneider fährt am Mittwoch, dem 14. September, nach Westberlin zu Besuch. Sie kommt nicht wieder."
"Und wer sind Sie?"
Schweigen.
"Sie wollen anonym bleiben?"
"Ja."
"Auf was begründet sich das denn?"
"Hat sie geäußert, im engen Freundeskreis."
Dann legte der mysteriöse Anrufer den Hörer auf. Und Marianne Schneider(*) hatte ein Problem: Die Behörden entzogen ihr umgehend die Reiseerlaubnis, sie überwachten ihren Telefon- und Postverkehr, befragten ihre Nachbarn und Kollegen.
Diese Geschichte handelt von Spitzeln und Denunzianten, die in der DDR-Forschung bis vor Kurzem keine Rolle spielten – weil sie nichts mit der Stasi zu tun hatten. Es geht um ganz normale Bürger, die ihre Mitmenschen verrieten: Nachbarn berichteten über Nachbarn, Schüler über Mitschüler, Studenten über Kommilitonen, Vorgesetzte über Mitarbeiter, Leitungskader über Parteigenossen.
In den 25 Jahren seit der deutschen Einheit wurden diese alltäglichen Denunziationen kaum diskutiert. Nach dem Fall der Mauer konnten sich frühere Anschwärzer leicht wegducken. Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi verloren oftmals ihren Job im Staatsdienst, wenn ihre Identität aufflog. Dafür sorgten Überprüfungen beispielsweise in ostdeutschen Parlamenten, Behörden, Schulen und Universitäten.
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Nicht nur SED-Mitglieder beschafften Informationen, auch die Funktionäre der Blockpartei CDU beteiligten sich am Denunziantenwettbewerb. Niemand musste sich dafür an die Stasi wenden, die viele als bedrohlich empfanden. Ein Gespräch mit dem freundlichen Kreisrat oder Betriebsleiter bedurfte keiner Rechtfertigung. Kritische Informationen über Mitbürger gingen dort leichter über die Lippen.
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Die Verlierer dieses Systems wussten häufig nicht, warum ihr Leben aus der Bahn geworfen wurde. Nach dem Mauerfall suchten viele von ihnen nach ihrer Stasiakte. Sie wollten verstehen, warum sie damals zum Beispiel keinen Studienplatz bekommen hatten, wieso ihre Berufskarriere plötzlich abgebrochen war oder weshalb ihre Ausreisegenehmigung kurzfristig widerrufen wurde. Zu ihrer Verwunderung gab es aber beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts keine Akten über sie.
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Mit diesem fein gesponnenen Netz erklären Historiker jene erstaunliche Stabilität des DDR-Systems, die allein durch die Stasi nicht hätte erreicht werden können.
Hier geht es weiter mit dem perfiden DDR Denunziantentum : https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-135800944.html
Merkur hat völlig Recht , alleine die Anzahl der IMs in der DDR sagt überhaupt nichts aus.