Kumpel hat geschrieben:Nun ja Nosti , dass du dank deiner breit gefächerten Kontakte alles lesen konntest und jede Platte aus dem Westen quasi frei Haus geliefert bekamst oder dort sogar selbst abgeholt hast , das hast du hier ja schon mehrfach zum Besten gegeben und manches einstige Privileg erübrigt sich einfach wenn sich bestimmte gesellschaftliche Bedingungen ändern.
Das kann auch weh tun gelle.
Kumpelchen, du bist ja richtig grün vor Neid.
Ich kann daran nichts ändern das du weder Kontakte hattest noch Eigeninitiative entwickelt hast.
Für dich werde ich das alles nochmal zusammenfassen.
Erster Punkt:
lesenWie kam ich an Literatur welche es in der DDR nicht zu kaufen gab?
1.) Halboffizielle Erwerbsquellen.
In Budapest gab es einen, für damalige Verhältnisse, gut sortierten Buchladen welcher ausschließlich Bücher aus der BRD führte. Zum Glück vorwiegend Paperback, aber die waren auch Teuer in Anbetracht der Summen die man pro Tag umtauschen durfte/konnte.
Da war schon etwas Kreativität angesagt um an Forints zu kommen.
In der SU. Dort gab es ähnlich wie in der DDR Buchläden die 'Internationales Buch' hießen oder in einem normalen Buchladen gab es die separate Ecke 'internationale Literatur' . auch dort wurde man fündig was "Westliteratur" betraf. Je weiter man in den Osten des Landes kam umso größer die Auswahl ......
In Polen waren die Flohmärkte interessant, sie hatten ebenfalls eine reichhaltige Auswahl an deutschen Büchern.
2.) andere Quellen.
Wenn der Freundes und Bekanntenkreis entsprechend war und sich nicht nur auf's gemeinsame Saufen beschränkte kamen unweigerlich die Thematik Bücher auf und zwar die die es entweder nicht im staatlichen Buchhandel gab oder wenn dann extrem scher zu bekommen. (Sogenannte Lizenzproduktionen)
Da wurden sehr schnell Bücher getauscht bzw. verliehen.
Ich habe einen Orwell, dafür bekam ich einen Solschenizyn; nur als Beispiel.
Gegenseitiges Vertrauen und Verschwiegenheit gegenüber Dritten war die Grundlage für solchen Büchertausch.
Später kam bei mir noch der "Lesekreis" für den Spiegel dazu (Ab 1979). Jede Woche gab es einen Spiegel, meist vierzehn Tage alt, einen Tag ausgeliehen, dann Weitergabe. Der Lesekreis bestand bis November 1989
Bibliotheken
Also nicht die Stadtbezirksbibliotheken, sondern die wissenschaftlichen Bibliotheken.
In Leipzig die Deutsche Bücherei und die Universitätsbibliothek. In Berlin die Staatsbibliothek und die Bibliothek der Humbolduni als Beispiele.
Alle Bibliotheken hatten die unwägbaren Modi der sogenannten Sperrliteratur.
Während in der DB prinzipiell keine Prosa ausgeliehen wurde; wissenschaftlicher Nachweis war erforderlich, gab es in der Unibibliothek durchaus westliche Prosa zum ausleihen, sogar zum mit nach Hause nehmen.
Man mußte sich nur ein wenig im Bereich der Literatur und der 'angesagten' Autoren auskennen und wenn sie im Bestand der Unibibliothek waren konnten sie auch ausgeliehen werden. Ganz wenige Bücher waren dort Sperrliteratur.
Für Sperrliteratur in der DB und anderen Büchereien brauchte man einen von der Einrichtung an der man tätig war eine beglaubigte Bescheinigung das man für ein wissenschaftliches Thema "XXX" entsprechend Literatur benötigte, wobei das auch für Periodika galt.
Hatte man einmal solche Bescheinigung und bekam "Verlängerungen" konnte man vor Ort in der Bücherei, in einem separaten Lesesaal so viel lesen bis einem der Kopf rauchte.
Zweiter Punkt:
Musik [Schallplatten]Auch hier als erstes Mitbringsel durch Verwandtschaft aus dem Westen ab 1964 als die Beatwelle so richtig anfing.
Ziemliches Kuriosum meiner Sammlung sind Platten von 1967 aus der SU auf denen unter anderem einige Beatles Songs drauf sind. Mitgebracht von meinem Vater aus Moskau.
Kennen von Kumpels die ebenfalls Platten heranschaffende Großeltern oder sonstige Verwandtschaft hatten und dann fing die Ausleihtauscherei an.
Wichtig für einen war der Besitz eines Tonbandgerätes, Plattenspieler sowieso und ausreichend ORWO Magnetband in der Vorratshaltung, denn oft kamen die Kumpels spontan vorbei und die Platte mußte sofort überspielt werden.
Dann gab es Lizenzplatten im Polnischen Kulturzentrum in Leipzig.
Platten in der CSSR, Ungarn und in den Achtzigern auch vermehrt in der SU (während die DDR Sittenwächter noch gegen die Rolling Stones wetterten gab es in der SU bereits LPs von ihnen, meißt Compilationen).
In Polen entdeckten wir auf einem einmal im Jahr für 14 Tage stattfindenden Flohmarkt ein riesiges Angebot von Original Westscheiben, von Aktuellsten bis zu absoluten Raritäten.
Jahrelang war der Besuch des Marktes ein festgebuchter Termin.
In den einigen Jugendclubs in Berlin fanden an bestimmten Tagen "Plattentauschbörsen" statt. ab den 80ger Jahren und dort wurde wahrlich nicht Herbert Roth gegen Puhdys getauscht.
- Somit entspricht die Szene vom Kauf der "Exile on Main Street" im Film Sonnenallee der damaligen Realität, auch was den Preis betrifft. Nur fand der Handel nicht im Lustgarten vor dem Dom statt wie im Film -
Du irrst dich Kumpel wenn du meinst das mir die wie du meinst gesellschaftlichen Änderungen weh getan haben könnten weil mir das "Privileg" Literatur und Musik mit einem gewissen Aufwand zu beziehen verlustig ging.
Zum Glück gab es durchaus rührige Leute die entsprechende Buchhandlungen und Plattenläden eröffneten wo ich die begehrten Objekte kaufen konnte oder Versandhandel etc.
Heute ist es noch schöner durch den OnlineHandel. Da kann ich begehrte Platten; Bücher weniger; in allen Ländern kaufen wenn es sie in DE nicht gibt und sie werden mir dann sogar ins Haus gebracht. Und damit schließt sich der Kreis.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin
Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin
Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund