Im Mittelpunkt des Projektes „Geheime Trefforte des MfS in Erfurt“ stehen Räume in privaten Wohnungen und Büros in öffentlichen Institutionen, betrieblichen oder kommunalen Einrichtungen, die zeitweise vom Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik (MfS) im Rahmen von geheimen Treffen mit-genutzt wurden, sowie Konspirative Wohnungen, die ausschließlich vom MfS ge-nutzt wurden. Der vom MfS verwendete Begriff „konspirativ“ wurde mit „geheim“ übersetzt und meist auch so verwendet.
Demzufolge können die im Sprachgebrauch des MfS als Konspirative Wohnungen (KW) bezeichneten Orte als geheime Trefforte verstanden werden.In den konspirativen Wohnungen gab der Hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit seine Aufträge an den verdeckt arbeitenden Inoffiziellen Mitarbeiter(IM) weiter und empfing dort dessen Berichte. Deswegen werden die KW im Beitrag von Jeanette van Laak in diesem Band als Orte des Verrats und der Denunziation bezeichnet. In den KW wurden die IM durch die MfS-Offiziere zu willfährigen Auftragsempfängern geschickt manipuliert, was im MfS-Sprachgebrauch als Anleitung und Qualifizierung zur operativen Arbeit bezeichnet wurde. KW sind deswegen Orte der Manipulation und geschickten Verführung. Die KW sind Orte der Lüge und der Vorspielung falscher „vertrauensvoller“ Beziehungen zwischen MfS-Offizier und IM. Jegliche Versuche diesen KW und den dort durchgeführten Treffen und „persönlichen“ Gesprächen einen positiven Sinn im Sinne eines beiderseits vertrauensvollen offenen Dialogs zuzuweisen, ist nach meiner Überzeugung ein absurdes und irreführendes Unterfangen
Die Herrschaftssicherung staatssozialistischer Parteidiktaturen, zu denen bis Ende1989 auch die Deutsche Demokratische Republik gehörte, beruhte auf einer Kombination zwischen offener politischer Repression und tiefer Durchdringung der Gesellschaft mit einem vielfältig verzweigten Machtapparat. Der Anspruch auf Legi-timität der Parteiherrschaft begründete sich nicht zuletzt dadurch, dass sie „vor Ort“ in der Lebenswelt der Beherrschten verankert war. Dies galt auch für die Inlandsaktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit, das den Kern des Machtapparates der herrschenden Partei bildete.
Die übergroßen, in der Geschichte diktatorialer Regime kaum jemals übertroffenen Mitarbeiterzahlen des MfS sind Ausdruck des Bemühens, sich als ein Instrument der Kontrolle und Einwirkung zu etablieren, das in allen gesellschaftlichen Bezügen anwesend und wirksam war.Das bedeutete auch Präsenz „vor Ort“, die sich in einem lange Zeit unerkannten Ausmaß in den geheimen Trefforten des MfS manifestierte. Tatsächlich war die DDR mit einem dichten Netz dieser Stützpunkte überzogen, von denen es allein inder kleinen Großstadt Erfurt, die 1989 etwa 220.000 Einwohner hatte, gut 500 gab. Damit er-weiterte das MfS eine Tradition der alten KPD, die für konspirative Treffen gerne die Privatwohnungen bewährter und vertrauenswürdiger Genossen genutzt hatte, in gigantische Dimensionen.
Den längeren Beitrag findet man hier:
https://berndpulch.files.wordpress.com/ ... forte1.pdf