AkkuGK1 hat geschrieben:Ich war vom 04. Bis 8.10.89 in Prag. Brigadefahrt. Becherovka trinken, Botschaft kalt...
Es stehen, ein weiterer Unterschied, heute auch nur drei Trabis im Garten der Botschaft, sie sondern nicht einmal den zweitaktertypischen Gestank ab, mutmaßlich weil ihre Motoren nicht laufen. Damals waren von den Kleinwagen made in Zwickau und von den nur wenig komfortableren Wartburg etliche Hundert in den engen Straßen der Prager Altstadt nahe der Botschaft einfach stehen gelassen worden. Ihre Besitzer konnten sie nicht mitnehmen, manche verschenkten sie an Prager, die ihnen den Weg zur Botschaft wiesen, andere wurden einfach weggeparkt. Das sollte bald darauf sogar noch zu den mutmaßlich letzten Krisengesprächen zwischen der tschechischen Regierung und Ost-Berlin führen.
Der Erzgebirgler Erler war damals 21, und er wollte unbedingt in den Westen. „Da gab es Möglichkeiten, da gab es Freiheit.“ Ein Jahr zuvor hatte er einen Ausreiseantrag gestellt, und statt eines positiven Bescheids erlebte er jetzt den Druck des Systems.
Drüben, da gäbe es doch Drogen und Arbeitslose, sagten ihm Volkspolizei und Staatssicherheit, und als Erler deutlich machte, dass er den Antrag nicht zurückziehen werde, setzten Schikanen ein. Darum ging Erler mit den vielen anderen in die Botschaft, wo die Menschen bald auf sämtlichen Sofas und Sesseln, in allen Ecken, auf den Treppenstufen, auf den Teppichen, in Zelten im Garten oder einfach auf dem Rasen campierten.
Frank Schröter war nicht in der Prager Botschaft gewesen, aber der damals 25-Jährige fuhr trotzdem mit einem der Sonderzüge aus Prag in den Westen. Er hatte einen tschechischen Freund in Pilsen besucht, etwa 100 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt der damaligen CSSR, und am Abend des 30. September 1989 in den 20-Uhr-Nachrichten erfahren, dass Genscher in der Botschaft war.
Schröter brach sofort auf und durfte, wie erhofft, zu den Botschaftsflüchtlingen in den Zug steigen. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon politische Haft hinter sich, und gerade drohte man ihm weitere fünf Jahre an, wenn er nicht seinen Ausreiseantrag zurückziehe, erzählt der Mann aus Barth in Vorpommern, der bis heute aktiv ist in der Betreuung von Stasi-Opfern.
Am späten Abend trifft de Veer in Prag ein. "Ich meine, ich bin über die Karlsbrücke gelaufen und in das Botschaftsviertel gekommen." Irgendwo in der Nähe der Prager Burg soll die Botschaft sein, habe er gehört. Er irrt durch die Gassen, steht drei Mal vor der italienischen Botschaft und folgt schließlich der Spur der dort überall abgestellten Fahrzeuge mit DDR-Kennzeichen. Als er schließlich am Zaun der Deutschen Botschaft eintrifft, versinkt das Gelände bereits im Matsch. Zu diesem Zeitpunkt campieren in einem Zeltlager rund um die Botschaft bereits rund 1.300 Menschen, erinnert sich de Veer.
Nachrichtenaustausch am Botschaftszaun
In den folgenden drei Tagen kommen ganze Busreisen inklusive Busfahrer dort an, schnell wird es eng. De Veer schläft wie viele mit seinem Schlafsack im Inneren des Gebäudes auf einer Treppenstufe. Immer mittags trifft er sich mit einem Journalisten einer renommierten Nachrichtenagentur. Er versorgt de Veer mit Neuigkeiten jenseits des Zauns und der politischen Weltbühne und berichtet unter anderem von der UN-Vollversammlung in New York. Im Gegenzug versorgt de Veer den Reporter mit Nachrichten aus dem Zeltlager in der Botschaft. Auch westdeutsche Schulklassen besuchen den Zaun und bieten Hilfe an.
Familie in Schwerin ist ahnungslos
Bis zu diesem Zeitpunkt ist de Veers Familie ahnungslos, auch sein Onkel in Westberlin ist nicht informiert. "Einfach auch, um sie zu schützen", begründet de Veer den Schritt. Ein Schüler, den de Veer am Botschaftszaun kennenlernt hat, erklärt sich bereit, den Onkel in Westberlin anzurufen. Dieser verständigt über Umwege seine Familie in Schwerin. Sein Vater muss zwar bei der Polizei aussagen, diese nimmt de Veers Ausreise aber lediglich "zur Kenntnis". Damals seien bereits erste Ausfallerscheinungen sichtbar geworden, so de Veer heute.
30 Jahre Prager Botschaft "... dass heute Ihre Ausreise ..."
Spartacus hat geschrieben:30 Jahre Prager Botschaft "... dass heute Ihre Ausreise ..."
wieder nicht genehmigt wurde.
Wenn es so gewesen wäre, was dann?
Sparta
augenzeuge hat geschrieben:
Diese Info hätte kein Genscher persönlich überbracht.
AZ
augenzeuge hat geschrieben:
Und mit Recht.
AZ
"Ständig sind meine Akt-Aufnahmen von den Rostocker Kulturgenossen zensiert worden, weil meine Fotos angeblich nicht den sozialistischen Realismus abbildeten.
Dr. Kibbel hilft bei Flucht
Es ist Ende September 1989. Immer mehr DDR-Bürger sammeln sich in der Deutschen Botschaft in Prag. So an die 5.000 Menschen sind es bereits, alle Räume der Botschaft sind belegt. Die Treppen werden zu Schlafstellen, Zelte sind im Garten aufgebaut, der mittlerweile einer Schlammwüste gleicht. Manche sind schon seit vier Monaten da und warten darauf, endlich in den Westen zu kommen. Die Gefahr von Seuchen droht, da die Sanitäreinrichtungen nur für das Botschaftspersonal ausgelegt sind.
Also müssen Ärzte her. Und da kommt Dr. Eckhardt Kibbel aus Hassendorf (Kreis Ostholstein) ins Spiel. Am 29. September vor 25 Jahren gegen 14 Uhr bekommt er einen Anruf vom Roten Kreuz Schleswig-Holstein. "Da wurde ich gefragt, ob ich nach Prag fahren könnte, um ärztlich tätig zu werden, weil das Außenministerium die Situation nicht mehr bewältigen konnte." Spontan sagt er "ja", und schon am nächsten Morgen geht es los Richtung Prag.
https://www.ndr.de/geschichte/chronolog ... er110.html
"Ich bin ja als Tourist eingereist, offiziell bin ich nie da gewesen", sagt er.
Besonders überrascht habe ihn, dass die vom Sozialismus geprägten Ostdeutschen, die ansonsten ihren privaten Besitz hegen und pflegen würden, nunmehr einfach ihre mühevoll erworbenen und instand gehaltenen Autos zurücklassen würden. Offenbar fehle ihnen inzwischen jeglicher Wille, sich in irgendeiner Form mit dem DDR-Regime zu arrangieren. Da könne es einem schon kalt über den Rücken laufen – so der Beobachter.
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