Das Naumburger Tageblatt schrieb 2015 dazu dieses auf interessanten 3 Seiten:
Gefängnis Isolation, Karzer, Schlafentzug Zum Informationstag im ehemaligen Gefängnis in Naumburg am 21. November herrschte großer Besucherandrang. Besichtigt werden konnten nicht nur die Zellen, sondern auch der Innenhof und der Wachturm.Viele Jahre habe ich nicht gewusst, wie schön die Stadt und die Umgebung von Naumburg sind. Als Dampflokheizer und Gleisbauer in der DDR kam ich immerhin bis Halle. Aber diese Vergangenheit hatte eher mit Ruß und Stahl zu tun. Vor fast 32 Jahren, im April 1984, wurde ich inmitten der Stadt Naumburg von Major Döhler, dem damaligen Leiter des Strafvollzugs, begrüßt. Im Zuchthaus am Salztor waren in den 1980er-Jahren neben kriminellen überwiegend politische Gefangene eingesperrt. Anfänglich wusste ich nicht, dass ich in Naumburg war.
Mir saßen noch die Schrecken der Stasi-U-Haft in den Gliedern. Vier Monate fast jeden Tag mehrere stundenlange Verhöre, Schlafentzug, Gummizelle sowie Verhaftungen meiner Verwandten um mich gefügig zu machen.
Was wollte nun dieser Strafvollzugsleiter Major Döhler mit meinem Leben anstellen?Ich musste nicht lange auf seine Erklärung warten: Von Entpersonifizieren sprach er und davon, dass das, was die Stasi mit mir gemacht hatte, ein Scheißdreck wäre. Isolationshaft, Karzer, Schlafentzug könnte ich auch in Naumburg haben. Brechen wollte er mich. Keine Medikamente, keine Besuche, Kettenarrestzelle, Prügel. Wenn ich dann ein sabberndes Arschloch wäre, so sagte mir Döhler, gebe er sein Okay für meine Entlassung in den Westen. Da würde ich dann gewiss untergehen.Von den Erfahrungen nicht erholtNatürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Vollzugsleiter keinen Einfluss auf meine Entlassung haben würde. Heutzutage sage ich mir oft: Major Döhler sollte an meiner Person nicht Recht behalten haben. Aber zwei meiner Freunde aus dieser Zeit sind seit ihrer Entlassung Invalidenrentner. Pflegefälle. Sie haben sich nicht von den Hafterfahrungen erholt. Physisch und psychisch gefoltert, hat sie die DDR an die Bundesrepublik verkauft. Dort konnten sie kein neues Leben beginnen. Viele andere mussten jahrelang therapeutisch betreut werden. Die meisten tragen ihre Verletzungen für immer in ihrer Seele. Mit absoluter Willkür, Amtsmissbrauch, Verachtung, Wut und Hass war ich in Naumburg konfrontiert. Ein täglicher Kampf ums Überleben hatte begonnen. Die kriminellen Gefangenen ließen die politischen spüren, wie sehr man sie hasste. Auch, weil sie für den späteren Freikauf vorgesehen waren, in den Westen kamen.
Nach 32 Jahren bin ich wieder nach Naumburg gekommen, um den Ort wiederzusehen, an dem ich und viele andere eingesperrt und misshandelt wurden. Der stellvertretende Bürgermeister öffnete mir die Türen. Vieles war umgebaut. Aber die Arrestzellen, Arbeitsbaracken konnte ich immer noch finden. Die Blutlachen hatte man sorgfältig aus dem alten Parkett geschrubbt, aber ich konnte sie riechen. Nach einer Weile des Rundgangs wurde alles wieder wach in mir. Es war ein trauriger und schmerzlicher Blick in meine Vergangenheit. Miserables Essen, ständige Kälte, Anordnungen über Lautsprecher, prügelnde Wärter, angetrunkene Offiziere, die sich Erzieher nannten, Kettenarrest, Demütigungen, kriminelle Gefangene, die sich brutal ihr Recht verschafften, ein Zahnarzt, der mir ohne Narkose einen Zahn herausbrach, weil für Verräter der schönen Deutschen Demokratischen Republik kein Geld mehr ausgegeben wurde, wir uns dann im Westen behandeln lassen sollten.
DDR - eine geheuchelte DemokratieZum Glück war ich nach 32 Jahren nicht allein an diesem Ort. Damals und auch heute noch kann ich es nicht glauben, wie menschenverachtend das System der SED-Diktatur war. Das Predigen von humanistischen Werten war ein Deckmäntelchen für geheuchelte Demokratie. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns, so das Motto der Herrschenden. Feindlich-negative Kräfte wie mich musste die Staatssicherheit zersetzen. An diesem Nachmittag war ich zutiefst aufgewühlt. Die Sonne schien, malerische Wolken standen am Himmel. Friedlich war es in Naumburg und wären da nicht meine alten seelischen Narben wie auch die sichtbaren, würde man wohl niemals ahnen, was an diesem zentrumsnahen Ort stattgefunden hat. Naumburg hatte mein junges Leben völlig verändert.
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