augenzeuge hat geschrieben:...1995 wird das Urteil gegen den Regimentskommandeur gefällt: Obwohl das Vorgehen einer Hinrichtung ähnelt wird der Angeklagte nur zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt.
Sieht so Siegerjustiz aus oder eher ungenügende Rechtsprechung? Warum wurde das Verhalten in der DDR nicht juristisch verfolgt?
...
S51 hat geschrieben:Nachtrag:
Der Richter sprach davon, dass der Ablauf des Geschehens einer Hinrichtung glich. Als Richter sollte er aber doch wissen, wovon er spricht. Wenn, dann erklärt er sich so praktisch selbst für befangen.
Ich meine nicht mal eine Hinrichtung a´la DDR Vollzug. Mit einem Schuß in den Hinterkopf. Sondern eher die Variante durch ein Erschießungspeloton. Die Entfernung wäre etwa analog (in Torgau sind noch Hinrichtungsplätze aus der Zeit bis 1945 zu sehen) aber da schießen mehrere Soldaten gezielt auf eine Person. Dass hierbei eine Platzpatrone neben den scharfen Patronen Verwendung findet, möchte ich dem Reich der Legenden zuordnen, da man als Soldat Platz- von scharfen Patronen unterscheiden kann und beim Repetierer auch sieht, was man lädt und ggf. herausrepetiert.
Bei der Hinrichtung treffen nahezu alle Schüsse im letalen Bereich, hier traf mal jeder zwanzigste Schuß überhaupt. Das als Richter zu vergleichen und gleich zu setzen hat nichts mit der gebotenen Neutralität zu tun. Da wären wir dann doch wieder bei "Siegerjustiz".
augenzeuge hat geschrieben:...Wenn ein Mann nahezu bewegungsunfähig im Stacheldraht liegt, man schiesst zuerst mit einer Pistole, später mit einer Kalschnikow auf den Mann, dann ist ein Richter befangen, weil er sagt das es wie eine Hinrichtung wirkt? Und das nennst du dann Siegerjustiz? Darauf muss man kommen.....Sorry, das versteh ich nicht.
AZ
S51 hat geschrieben:augenzeuge hat geschrieben:...Wenn ein Mann nahezu bewegungsunfähig im Stacheldraht liegt, man schiesst zuerst mit einer Pistole, später mit einer Kalschnikow auf den Mann, dann ist ein Richter befangen, weil er sagt das es wie eine Hinrichtung wirkt? Und das nennst du dann Siegerjustiz? Darauf muss man kommen.....Sorry, das versteh ich nicht.
AZ
Also erstens geht eben aus dem offiziellen Bericht hervor, dass der Geschädigte keineswegs bewegungsunfähig im Stacheldraht lag, sondern unbeeindruckt von der Nähe der Grenzer und den Umständen weiter zu kriechen versuchte. Einerseits sogar die Grenzer aufforderte, ihn dann eben zu "erschießen" und andererseits von den in Stellung gegangenen Polizisten der Gegenseite Feuerschutz forderte. Für so etwas muß man schon sehr kaltblütig, seiner Sache sicher oder eben mächtig im Tee sein. Doch wie sollten die Grenzer das beurteilen?
Zweitens haben die Grenzer sehr wahrscheinlich eben nicht gezielt auf den Mann geschossen, sondern davor, daneben und dahinter. Wie auch im Bericht zu lesen ist, hat nur etwa jeder zwanzigste Schuß getroffen und dies auf eine Entfernung, auf der man auch mit einer geschmissenen Pistole noch trifft (wenn sie nicht an der Fangschnur hängt).
Bei einer Hinrichtung zielt man auf den zu Treffenden und da geht in der Regel auch kein Schuß daneben. Dafür ist die Entfernung zu gering. Hier wurde aus der etwa gleichen geringen Entfernung fast 80 mal gefeuert und es ging so gut wie jeder Schuß vorbei. Oder eben nicht, man müsste wohl schreiben, es hat so gut wie jeder (leider aber nicht jeder) Schuß vorbei getroffen. Das passt nicht zu einer Hinrichtung.
Das konnte ein Richter durchaus erkennen, das wäre sein Job gewesen. Stattdessen hat er offenkundig Stimmung gemacht.
Freilich muss man anmerken, dass mir für diese Art von Feuerzauber das Verständnis fehlt. Jedoch kenne ich eben weder die Örtlichkeit noch die präzisen Umstände.
In einem solchen Fall hätte ich eher vermutet, dass man feste Handschuhe besorgt, rechts und links eine Gasse schafft und den Kriechenden einfach aufsammelt. Jedoch weiß ich eben nicht, ob es solche Handschuhe gab (war ja in den 60-er Jahren), ob der Stacheldraht eventuell so befestigt war, das man gar keine Gassen schnell genug schaffen konnte.
Interessierter hat geschrieben:Ich verstehe offen gesagt, nach mehr als 2 Jahrzehnten, diese Diskussion nicht.
...Es gibt keine Legimitation dafür, Menschen die ihr Land verlassen wollen, zu erschießen, auch wenn Staaten sich Gesetze dazu erschaffen.
Übrigens, im realen Leben bei Geprächen mit Bürgern aus den neuen Bundesländern, habe ich bisher solche Diskussionen und Rechtfertigungsversuche nicht erlebt.
S51 hat geschrieben:In einem solchen Fall hätte ich eher vermutet, dass man feste Handschuhe besorgt, rechts und links eine Gasse schafft und den Kriechenden einfach aufsammelt. Jedoch weiß ich eben nicht, ob es solche Handschuhe gab (war ja in den 60-er Jahren), ob der Stacheldraht eventuell so befestigt war, das man gar keine Gassen schnell genug schaffen konnte.
Hartmut-Mobil hat geschrieben:Der Richter hatte ja wohl gesagt das einer Hinrichtung ähnelt damit hatte er auch aus meiner Sicht recht (woher sollte er wissen wie es bei einer Hinrichtung vor sich geht ? Außer von Erzählungen).
...
augenzeuge hat geschrieben:[...Hallo S51,
nun stell den Bewachern mal kein Armutszeugnis aus. Als ob es keine Handschuhe gegeben hätte..... Die gab es wie es auch Stiefel gab! Wenn jemand in einen Stacheldraht fällt, dann ist es in der Regel einfacher ihn genau aus dieser Richtung wieder zurückzuziehen. Aber wie du gelesen hast, wurde nicht mal der Versuch unternommen. Und er versuchte nur, sich ein paar Zentimeter zu bewegen, eine Chance das Ziel erreichen zu können hatte er doch nie.
Und das man nicht mehr feststellen konnte, wer geschossen hat beruht lediglich auf der Tatsache, das man es partout nicht wollte. So detailliert, wie du den Unfall von Egon Schultz hier schon mal dokumentiert hast und zum persönlichen Schluss kamst, dass es wohl doch nicht die Patronen des Kameraden waren, die zum Tode führten, sondern womöglich doch die Patrone des Westberliners.....so hättest du diesen feigen Mord- nichts anderes war es- als solchen bezeichnen können und müssen.
Ich hatte ehrlich gesagt daruf gehofft, dass du wenigstens in diesem Fall eine klare Position beziehst, die schließt für mich jedes Verständnis für diesen "Offizier" aus. Deiner Meinung nach gab es mit Sicherheit keinen einzigen Fall eines erschossenen Flüchtenden, der eindeutig ohne Zugeständnisse zu verurteilen wäre, richtig?
AZ
manudave hat geschrieben:Auch hier kann man nur das Buch von Roman Grafe "Deutsche Gerechtigkeit" empfehlen. Beim Lesen geht einem auf Rhöner Blatt gesagt "...das Messer in de Dasch uff"
Buscho hat geschrieben:72 Schuß , das klingt nicht nach Einzelfeuer , das klingt nach Feuerstössen , so ca 15 Feuerstösse und das klingt nicht nach geplantem Töten , das klingt nach
Fuchs und Hase , nach Spaß mit Todesfolge . Da sind evtl. beim Angstmachen 4 verirrte Kugeln nicht ins Ziel gegangen sondern " daneben " .
Buscho
Ari@D187 hat geschrieben:Zu dieser Zeit war neben der/den Drahtrollen ein 3-reihiger Stacheldrahtzaun an den Aussengrenzen von West-Berlin üblich. Man kann diesen auf den Fotos mehr schlecht als recht erkennen. Den ersten Zaun hatte B. wohl erfolgreich über- bzw. unterwunden. Die Grenzposten hatten ggf. kein geeignetes Werkzeug bzw. keine Leiter dabei um erst einmal zu ihm hinzugelangen und direkt festzunehmen. Vor den Augen und Kameras von West-Berlinern wollte sich dann wohl niemand die Blöße geben den ersten Zaun ungeschickt zu unterkriechen oder zu überklettern.
Insgesamt war die Situation wohl nicht ganz so eindeutig, wie dargestellt.
Ari
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