US-amerikanische Soldaten in Ost-Berlin
1. US-Soldaten als Grenzgänger
2. Shopping, Dining & Sightseeing – die Aufenthalte in Ost-Berlin
3. Reaktionen in Ost und West
4. Fazit
Anmerkung:
Am 2. August 1989 berichtete die im Ostteil der Stadt erscheinende »Berliner Zeitung« unter Rückgriff auf eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die Ost-Berliner sich über die Besuche alliierter Soldaten aus dem Westen ärgern würden: »Wer etwa an Samstagen das Umfeld des ›Centrum‹-Warenhauses am Hauptbahnhof erkundet, findet ohne Mühe mehrere britische Privatwagen und britische Militärbusse. Vor dem ›Centrum‹-Kaufhaus am Alexanderplatz stehen zwei französische Militärbusse und drei amerikanische. Und dann marschieren, mit Schottenrock und strammen Waden, ein paar ›Highlander‹ durchs sozialistische Konsumparadies.«[1]
Pelze, Kameras, Lampen, Teppiche, Porzellan, Bettwäsche, Gardinen, Kinderkleidung und Spielzeug, aber auch Hausrat sowie Lebensmittel würden die Soldaten massenweise »im Kofferraum und unterm Sitz ihres Wagens verstauen«. Ein »mehrgängiger Abendschmaus« und Krimsekt locke die Westalliierten zudem regelmäßig in die »feinen Restaurants der Nobelhotels«. Insbesondere die US-Soldaten würden bei ihren Besuchen »den dicken Maxe machen«, so zitierte die Tageszeitung einen Ost-Berliner, der »täglich mit ihnen zu tun« habe. Vier Fotos von mit Einkäufen beladenen Soldaten begleiteten den Artikel.
Fast wie eine schelmische Ironie der Geschichte erscheinen die Bilder dem rückblickenden Betrachter, erinnern sie doch an jene Fotos, die nur wenige Monate später, nach der Grenzöffnung am 9. November 1989, auf der anderen Seite der Berliner Mauer entstanden. Der Zeitungsartikel wirft die Frage auf: Wie war es möglich, dass jene Soldaten, die doch eigentlich West-Berlin im Falle einer sowjetischen Aggression verteidigen sollten, genüsslich in Ost-Berlin einkaufen gingen? Und dies zu einer äußerst unruhigen Zeit, als in den westlichen Medien über Botschaftsbesetzungen, Massenflucht und erste Demonstrationen in der DDR berichtet wurde und sich auch Experten nicht sicher waren, wie die Sowjetunion auf die Entwicklungen reagieren werde.
Mein Aufsatz widmet sich – inspiriert durch Zeitzeugen-Erzählungen und basierend auf Überlieferungen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), der Berliner Senatskanzlei und der amerikanischen Berlin Brigade[2] sowie auf zeitgenössischen Presseartikeln – einer besonderen Gruppe von Grenzgängern: den in West-Berlin stationierten US-Soldaten.
Für sie (wie auch für die Soldaten der britischen und französischen Armee) markierte die Mauer einerseits die Front des Kalten Krieges, andererseits durften sie diese aber ohne große Kontrollen passieren und ihre Freizeit in Ost-Berlin verbringen. Der Beitrag schildert damit schlaglichtartig einige Konsequenzen des Berliner Sonderstatus, der aus heutiger Sicht überraschende Praktiken hervorbrachte. Es ist eine Geschichte der Normalisierung des Anomalen, der Routinisierungen im Alltag der Teilung. Im Vordergrund stehen hierbei vier Fragen: Wer durfte wann und wie nach Ost-Berlin? Womit verbrachten die GIs ihre Zeit jenseits der Mauer? Wie wurde in Ost und West auf diese Grenzüberquerungen reagiert? Welche Rückschlüsse lassen sich aus den Befunden ziehen?
Dieser sehr lange und hochinteressante Bericht ist mit Fotos und Dokumenten unterlegt und hier zu finden:
https://zeithistorische-forschungen.de/1-2018/id%3D5555