wolle1978 hat geschrieben:Zwangskollektivierung ein Thema mit positiven sowie negativen Aspekten.
...Die DDR hat damals mit Zwang das durchgesetzt, was heute auch fällig und nötig wäre wenn die EU endlich einmal die Subventionen insgesamt streichen würde. Die Bauern wären gezwungen sich zu Spezialisieren und zu Produktionsgemeinschaften umzubilden und wir müßten die Landwirtschaft nicht mehr mit allein in Deutschland 3.000.000.000,00€ unserer Steuergelder unterstüzen.
Zudem wurden damals auch viele Neubauern die mit Haus und Hof überfordert waren vor dem Ruin gerettet. Kehrseite war jedoch der Zwang gegenüber anderen, letztendlich war die Aktion doch richtig und wäre auch heute von Nöten.
Lieber Wolle, besonders der letzte Abschnitt zeugt von wenig Wissen über die wirklichen Ereignisse der damaligen Zeit. Deshalb möchte ich einiges vertiefen, anderes geraderücken, was Du hier schilderst, wenn Du bitte gestattest.
Zum Geraderücken: Die Neusiedler, die nach der Bodenreform plötzlich Neubauern mit eigener Scholle und eigenem Hof waren, wurden Anfang der 50er Jahre schnell vom Staat - und das war damals schon erklärte SED-Agrarpolitik unter Führung Ulbrichts - unter Druck gesetzt durch rapide Erhöhung des Ablieferungssolls. Davor durften die Bauern landwirtschaftliche Erzeugnisse, wenn sie ihr Ablieferungssoll erfüllt hatten, "auf freie Spitzen" verkaufen. Und das brachte ihnen erst die Einnahmen auf den Hof, um Futter und Saatgut einzukaufen für das nächste Wirtschaftsjahr. Doch je höher das Zwangablieferungssoll wurde, je weniger blieb für "freie Spitzen" und nötige Betriebsinvestitionen übrig. Im Gegenteil nicht wenige Neubauern schafften ihr Soll nicht mehr und
wurden sogar "Rückenteignet" durch Parteibeschluss. . Die Folge war, dass durch utopische Zahlen beim Ablieferungssoll immer weniger Neusiedler mithalten konnten. Das Kalkül der SED war, je mehr Neubauern in Schwierigkeiten geraten, um so schneller greifen sie zum Notnagel und schließen sich den geplanten LPG an - das wardie Abkürzung für die gepanten Landwirtschaftlichen Produktions Genossenschaften. Doch die SED verkalkulierte sich: Denn gleichzeitig kam es zu einer ersten Ernährungskrise, weil es plötzlich durch "die Zerschlagungstaktik" der Neubauernhöfe auch viel weniger landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Mehl, Milch, Butter, Margarine, Fleisch und Wurst gab.
Aber dazu habe ich im Internet auch einen aussagekräftigen Bericht am konkreten Beispiel eines Dorfes gefunden.
Der Link dazu: http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/2000-2003/heft-41/04104/Zum Vertiefen: Obwohl die Stasi damals noch lange nicht den Personalstand von 90 000 wie zum DDR-Kollaps 1989 hatte, mischte sie im Auftrag der Partei schon kräftig auf dem Lande mit. Trafen sich Bauern, um über Protestmöglichkeiten gegen das steigende Ablieferungssoll zu sprechen, war die Stasi informiert oder saß sogar mit im Dorfkrug. Verständlich, dass die aufmüpfigsten Neubauern zuerst "Rückenteignet" wurden. Aber die Stasi überwachte auch die angestammten Bauern. Und war einer "zu groß" - was Hof-, Acker-, Wiesen- oder sogar Waldfläche und seinen Einfluß auf andere Bauern betraf - fand eine plötzliche Buchprüfung statt, ob finanziell etwas nicht stimmte oder an dem staatlich festgelegten Ablieferungsoll vorbei heimlich mehr produziert und zusätzlichen Gewinn brachte. Und wen die "Prüfer" auf dem Kieker hatten, bei dem fanden sie was.
Viele Bauern retteten sich im letzten Moment durch den Zugriff vor Polizei oder Stasi durch die Flucht in den Westen. Den Hof, Nutzflächen und Vieh kassierte der Staat für die LPG, nicht ohne die Geflüchteten noch als "Verräter, Saboteure und Agenten" propagandistisch zu verleumden, "die im Auftrag der westdeutschen Kriegstreiber die Landwirtschaft in der DDR sabotiert, für die Ernährungskrise verantwortlich seien, weil sie sich um ihr Ablieferungssoll gedrückt und ihre Erzeugnisse gegen harte Westmark nach Westberlin und Westdeutschland verschoben" hätten.Und wie SED und sogar Stasi in den Folgejahren Bauern, die nicht in die LPG wollten, unter Zwang setzten und terrorisierten ist gleichzeitig aus dem Bericht zu erfahren, auf den obenstehender Link deutet. Sogar wir Schüler wurden mit Bussen und Losungszetteln auf die Dörfer zu den kritischen Bauern gekarrt, um diese stundenlang mit monotonen Sprechchören zu terrorisieren, sogar in den Abendstunden. Und wir Kinder wurden dazu gezwungen. Andernfalls hätten wir Ärger mit unserer Schule bekommen und die Eltern mit dem Staat. Sogar wir Heimkinder wurden da nicht ausgenommen. Ja lieber Wolle1978, mein Vater ist gleich nach dem Krieg auf das Land gegangen als Schmied, baute Pflüge für die Neubauern, reparierte Lanz Bulldogs und und und - auch er hatte im Zuge der Bodenreform eine Scholle abbekommen und fütterte noch Schweine, hielt Ziegen, Gänse und Hühner. Eigentlich war er ein Nebenerwerbsbauer, musste aber trotzdem auf immer höher steigendes Soll abliefern. Und dann liefen noch "sogenannte Spät-Kriegsheim kehrer" durch die Dörfer, Behördenspitzel, die im Spätherbst oder Winter schnüffelten, dass ja keine Schweine ohne Schlachtschein für den Privatverbrauch geschlachtet wurden, besonders "keine Schweine mit zwei Köppen". Manche versuchten nämlich mit der Schlachtgenehigung für ein Schwein gleich zwei zu verwursten. Als Kind - als ich acht war wurden meine Ollen geschieden - hatte ich zwar noch nicht so eine Auffassungsgabe, aber später hat mir mein Vater viel aus dieser Zeit erzählt, und andere ehemalige Neubauern. Jau, so wier dat na de Kriech up de Dörper in de Sowjetzon un speiter DeeDeeErrr. Hol de Urhn stiep wolle. gruss Hp
Zuletzt geändert von Hans-Peter am 17. Mai 2010, 15:18, insgesamt 1-mal geändert.