NSU-Terror und Rechtsextremismus - Eine Abschreckung bleibt ausVor sieben Jahren enttarnte sich der NSU. Die Haupttäter des rechten Terrors sind verurteilt – und nun teils zurück in der rechtsextremen Szene. André Eminger kommt ganz in Schwarz gekleidet ins kleine Kirchheim in Thüringen. Konspirativ haben Neonazis dort in einer Scheune zu einem Konzert geladen: Zwei Thüringer „Kameraden“ müssen in den Knast, es wird Abschied gefeiert. Auf der Bühne stehen knallharte Rechtsrockbands, der Undercover-Journalist Thomas Kuban filmt es. „Blut muss fließen, knüppelhageldick“, hört man einen Sänger auf seinen Aufnahmen brüllen.
„Lasst die Messer flutschen in den Judenleib.“ Die Menge grölt. Und Eminger ist mittendrin.
Der NSU - Prozess war das Ende eines historischen, fünf Jahre währenden Prozesses. André Eminger wurde dabei zum letzten Terrorhelfer: Er brachte Zschäpe noch auf der Flucht Wechselwäsche, fuhr sie zum Bahnhof. Die Bundesanwaltschaft bezeichnete ihn als womöglich vierten Mann des NSU. Schon im Prozess gab sich Eminger unbeeindruckt. Der 39-jährige Zwickauer schwieg, als einziger, über die komplette Verhandlung. Und er trug seine Gesinnung offen zur Schau.
Einen „Nationalsozialisten mit Haut und Haaren“, nannten ihn seine Anwälte. Auf den Bauch hat Eminger „Die Jew Die“ tätowiert. Heute nun, nach dem NSU-Urteil, bewegt sich André Eminger wieder offen in der Szene. Und feiert auf einem Konzert mit unverhohlenen Gewaltaufrufen. Der NSU-Prozess und die Aufarbeitung der Rechtsterrorserie stehen damit vor einem ernüchternden
Fazit: Einstige Terrorhelfer und die rechtsextreme Szene machen unbeeindruckt weiter. Der Terror des NSU ließ sie nicht innehalten. Im Gegenteil.Zurück in der rechten SzeneDenn André Eminger ist nicht der einzige. Auch
Ralf Wohlleben, Mitangeklagter im NSU-Prozess, ein früherer Thüringer NPD-Funktionär, gab sich in München ungebrochen. Der 43-Jährige sei „seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben“, bekräftigen dessen Verteidiger im Prozess, allesamt Szene-Anwälte. Sie provozierten mit Anträgen, die ausgerechnet im NSU-Prozess einen deutschen „Volkstod“ klären sollten oder den Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Wohlleben wurde schließlich zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er dem NSU die zentrale Mordwaffe organisiert habe.
Nun ist auch Wohlleben zurück in der Szene. Nach dem Prozessende wurde auch er vorerst aus der Haft entlassen – bis das Urteil rechtskräftig ist. Durch die lange Untersuchungshaft sei ein Großteil seiner Strafe bereits abgesessen, eine Fluchtgefahr unwahrscheinlich, so die Richter. Wohlleben zog darauf nach Bornitz in Sachsen-Anhalt, ein kleines Dorf nahe der sächsischen Grenze – auf ein Gehöft von Jens Bauer. Und der ist kein Unbekannter.
Vor Jahren schon war Bauer in der NPD aktiv, der Verfassungsschutz nennt ihn eine „langjährige Führungsperson der neonazistischen Szene“. Seit 2015 führt er in Sachsen-Anhalt die „Artgemeinschaft“. Die völkische Truppe sieht sich als „heidnische Germanen“, begeht Sonnenwendfeiern. Ihr Ziel ist eine „Zukunft im Kreise unserer Art“. Geklagt wird über „Fremde“, Bauer nennt Geflüchtete „Invasoren“. Vor ihm hatte die Gruppe einst die NPD-Ikone Jürgen Rieger geführt.
Noch laufen ErmittlungenTatsächlich ermittelt die Bundesanwaltschaft noch gegen neun NSU-Helfer, darunter die Frau von André Eminger. Die Verdächtigen sollen Wohnungen für das Trio besorgt, ihnen Pässe überlassen oder Waffen beschafft haben. „Die Ermittlungen laufen weiterhin“, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft der taz. Jedem neuen Hinweis werde nachgegangen.
Opferanwalt Scharmer zieht das in Zweifel: „Seit sieben Jahren dümpeln diese Ermittlungen vor sich hin. Hier sind Anklagen überfällig.“ Nach taz-Informationen setzt die Bundesanwaltschaft dagegen auf das schriftliche Urteil aus dem NSU-Prozess, um dort noch Ansatzpunkte für Anklagen zu finden. Das indes wird dauern: Die Richter haben dafür Zeit bis April 2020. Dann könnten einige Straftaten der Helfer bereits verjährt sein.
Eine Abschreckung der rechtsextremen Szene fällt damit auch hier aus. Bereits jetzt zählt das Bundeskriminalamt fast 360 Straftaten mit NSU-Bezug seit Aufdeckung des Terrortrios 2011: Gedenkorte für die Opfer wurden geschändet, Graffiti gesprüht, die Taten auf Aufmärschen gepriesen. Als die Bundesanwaltschaft kürzlich in Sachsen das rechtsterroristische „Revolution Chemnitz“ hochnahm, stießen sie auf einen internen Chat, in dem es hieß, der NSU sei eine „Kindergartenvorschulgruppe“ gegen die Chemnitz Truppe. http://www.taz.de/NSU-Terror-und-Rechts ... /!5544793/