von Lotti Buchwald
Einmal im Jahr, am ersten Wochenende im September, fuhr Harald auf einen großen Pferde- und Trödelmarkt, der sich seit einiger Zeit in einer kleinen Kreisstadt langsam wieder etablierte. Der Ursprung dieses Treibens ging auf einen Heiratsmarkt aus alter Zeit zurück. Der Ort, nach einem Fluss benannte, der hier in der Nähe in einen größeren mündet, war einst mit einigen Unterbrechungen bischöflicher Amtsbezirk.
Bei Harald war die Menge, die er zum Verkauf anbieten wollte, ständig gewachsen, denn ein ganzes Jahr hatte er gebastelt, gewerkelt und Dinge besorgt, die es sonst nicht zu kaufen gab. Selbst im Urlaub ging er auf die Suche und im südlich gelegenen Nachbar- und Freundesland hatte er sich vor einiger Zeit mit allerlei hübschen Kristallsachen eingedeckt, die er dort erstens einmal überhaupt und zweitens obendrein recht preiswert erwerben konnte. Billig musste es schon zugehen, denn viel Geld hatte er nicht zur Verfügung.
Die politischen Umstände, die die beiden Länder an sich brüderlich miteinander verknüpften, brachten für kauflustige Urlauber fast unüberwindbare finanzielle Schwierigkeiten mit sich. Die Reisenden aus dem nördlichen Bruderland durften pro Tag und Person nur einen festgelegten geringen Betrag ihres Geldes gegen die Landeswährung ihrer Freunde eintauschen. Die Nahrungsmittel waren zwar erschwinglich, aber die paar Kröten sollten eben nicht nur für schnöde Mampferei, sondern für wichtige Dinge, wie Kinderschuhe, Textilien oder eben Kristall- und Porzellansachen ausgegeben werden.
Den größten Teil der erworbenen Gläser, Schalen und Vasen musste Harald bei der Rückreise penibel verpackt und im Luftraum unter den hinteren Armlehnen seines Kleinwagens versteckt im Schweiße seines Angesichts über die Grenze schmuggeln, denn in solchen Mengen war die Ausfuhr nicht erlaubt. Zu Hause verschwanden die Gegenstände im Keller, wo sie auf ihre große Stunde warteten. Aber plötzlich wurde das nette Markttreiben "von oben" gestoppt. Die Trödelei war abgemeldet, nur Pferde durften noch gehandelt werden.
Doch als das berühmte Wochenende im September näher rückte, rückten gegen alle Vernunft auch die unentwegten Trödler, die wochen- und monatelang fleißig gebaut, gebastelt und mit Begeisterung uralten Kram zusammengetragen hatten, langsam und vorsichtig ebenfalls näher.
Die Bevölkerung war an dem bunten Treiben und am alten Brauch des Handelns und Hökerns, wo Angebot und Nachfrage noch den Preis bestimmten, sehr interessiert. Nicht nur triste Buden, sondern richtig wuseliges Leben hatte in den Jahren zuvor das Bild des riesigen Geländes in den Niederungen bestimmt.
Traten hier womöglich fremde oder landesunübliche Verkaufspraktiken zutage? Irgendwelchen Mitmenschen, die beim Rat des Kreises das Sagen hatten, war der Markt auf jeden Fall ein Dorn im Auge.
Um diesem Marktverbot für Krempel, Kram und Plunder kräftig Nachdruck zu verleihen, war das gesamte Gebiet, das dafür in Frage kam, von der Polizei abgeriegelt worden. Keiner konnte zu seinem Standplatz, alle Zufahrtsstraßen wurden dicht gemacht. Aber unter den Trödelhändlern gab es natürlich wieder besonders schlaue und gewitzte Füchse, die den ganzen Sicherheitsapparat zu überlisten verstanden. Weiter geht es hier:
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