„Ich habe Schiss vor Chemnitz“Sie war Geschäftsführerin der Piratenpartei. Vielen galt Marina Weisband als großes politisches Talent. Nun ist sie bei den Grünen eingetreten. taz: Frau Weisband, Sie waren mal die prominenteste Piratin Deutschlands. Jetzt sind Sie vor zwei Wochen bei den Grünen eingetreten. Wie ist es dazu gekommen?
Marina Weisband: Die Grünen sind die Partei, die mir politisch am nächsten steht. Sie haben sich jung und offen aufgestellt, sie vertreten progressive Positionen, und sie sind der Gegenpol zur AfD. Die Diskussion über das neue Grundsatzprogramm, die im Moment läuft, öffnet außerdem Raum für Visionen. Da ist was im Werden.
Also wahre Liebe?
Das wäre zu viel. Ich passe am besten in diese Nische aus sozial und liberal, die in Deutschland nicht wirklich besetzt ist. Die Grünen tendieren am ehesten in diese Richtung.
Und ja: Ich möchte dem Aufstieg der Rechten und dem allgemeinen Irrsinn nicht tatenlos zusehen und mich wieder einmischen. Sie sind Jüdin und leben Ihren Glauben. Was denken Sie, wenn Sie die rechtsextremen Übergriffe in Chemnitz sehen?
Ich habe Schiss vor Chemnitz, und zwar massiv. Als Jüdin bin ich sensibler für solche Dinge. Ich sehe „weiß“ aus. Aber ich weiß, dass ich für Rassisten nicht „weiß“ genug bin. Das denke ich immer mit.Für wie gefährlich halten Sie die AfD? Manche sagen, die Partei werde mit der Zeit bürgerlicher werden.
An diese These glaube ich nicht. Bisher driftet die AfD immer weiter nach rechts, sie radikalisiert sich. Als sie 2017 in den Bundestag einzog, habe ich recherchiert, ob mein Mann und meine Tochter die israelische Staatsbürgerschaft bekommen würden.Sie fühlten sich bedroht?
Klar. Jetzt hetzt die AfD gegen Muslime. Aber wenn sie an der Macht und mit den Muslimen fertig wäre, dann kämen wir dran. Da mache ich mir keine Illusionen, auch wenn es nun sogar eine Gruppe „Juden in der AfD“ gibt.Es gibt die Debatte, ob man mit AfDlern oder ihren Wählern reden soll – oder ob klare Abgrenzung nötig sei. Was sagen Sie?
Das ist schwierig. Ich spreche sehr ausführlich mit Familienmitgliedern oder Bekannten, von denen ich weiß, dass sie mit der AfD sympathisieren. Es ist meine bürgerliche Pflicht zu versuchen, sie von der Gefährlichkeit dieser Partei zu überzeugen.
Aber ich verweigere jedes öffentliche Gespräch mit AfD-Funktionären. Diese Leute wollen auf einem Podium nicht überzeugt werden, sie kommen als Repräsentanten einer Idee. Mit ihnen zu sprechen, hilft dabei, ihre Ansichten zu einem legitimen Teil des Diskurses zu machen. Das möchte ich nicht.Das vollständige Interview hier:
http://www.taz.de/Marina-Weisband-ueber ... /!5540208/