Grenzübergang Friedrichstraße Forscher rekonstruieren Fall um Mauertoten

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Grenzübergang Friedrichstraße Forscher rekonstruieren Fall um Mauertoten

Beitragvon Interessierter » 11. Oktober 2018, 07:56

„Rätsel um ein Attentat an der Mauer in Berlin“, schlagzeilte die „Bild“-Zeitung am 2. April 1974. Schülerinnen aus Bad Hersfeld waren vier Tage zuvor, am 29. März 1974, auf dem Weg von Ost-Berlin zurück nach West-Berlin auf dem Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße Augenzeuginnen einer Bluttat geworden: „Es war am Freitag zwischen 15.10 und 15.20 Uhr“, zitierte „Bild“ die 15- bis 17-Jährigen. „Ein 40 bis 45 Jahre alter Mann passierte vor uns den Kontrollpunkt. Als der Mann arglos vorbeigegangen war, wurde er von einem Zivilisten im dunklen Mantel und mit getönter Brille aus zwei Metern Entfernung in den Rücken geschossen.“

Auf dem belebtesten Grenzübergang zwischen Ost und West am helllichten Tag ein Gewaltverbrechen? Die „Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen“ in Salzgitter, zuständig für die Dokumentation von Unrechtstaten in der DDR, leitete unverzüglich Vorermittlungen ein. Die örtlichen Kriminal- und Polizeiinspektionen in West-Berlin wurden befragt – ihnen war der Vorfall nicht bekannt. Die DDR-Presse meldete nichts. Und auch im Westen erschien nach dem „Bild“-Artikel nicht ein einziger weiterer Bericht.

Erst nach dem Untergang der DDR, bei einer systematischen Auswertung aller Obduktionsgutachten des Instituts für Gerichtliche Medizin der Humboldt-Universität, in denen Schussverletzungen erwähnt werden, entdeckt die Zentrale Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) einen Befund zu einem polnischen Staatsbürger: Czeslaw Jan Kukuczka ist den Verletzungen erlegen, die ihm an diesem Tag durch einen Rückenschuss zugefügt wurden.

„Ich habe eine Bombe“

Warum aber wurde der 38-jährige Pole am 29. März 1974 auf dem Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße erschossen – und: von wem? Wer war Czeslaw Kukuczka – was führte ihn in das geteilte Berlin? Kukuczka wird am 23. Juli 1935 in Kamienica, Kreis Limanowa, geboren. Die lokale Zeitschrift „Gorczanskie Wiesci“ erwähnt ihn unter „den aktivsten, jungen, ideenreichen, zur Hingabe fähigen, heißen Köpfen.“ Im Alter von 17 Jahren wird er für den Bau von Nowa Huta angeworben, einer sozialistischen Arbeiterstadt am Rande Krakaus.

Bald kehrt er jedoch in sein Dorf zurück und erzählt weiter, dass „Arbeiter durch hohe Normen und andere Verpflichtungen fertig gemacht würden,“ Er überredet andere Leute, sich für diese Arbeiten nicht zu melden. 1953 wird der jetzt 18-Jährige wegen einer angeblichen Unterschlagung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und 1954 auf Bewährung entlassen. Bald heiratet er, und das Ehepaar bekommt drei Kinder. Er arbeitet unter anderem mehrere Jahre bei der Feuerwehr.

Am Sonntag, dem 3. März 1974, erscheint Czeslaw Kukuczka nicht auf seiner Arbeitsstelle. Es gibt keinen Hinweis darauf, wo er sich danach aufhält – bis zu jenem Freitag, dem 29. März 1974.

An diesem Tag meldet sich Kukuczka gegen 12.30 Uhr beim Pförtner der polnischen Botschaft in Ost-Berlin und wird in einen der Botschaftsräume geführt. Bald sucht ihn dort Oberst Maksymilian Karnowski auf, ein Angehöriger der Berliner Operativgruppe des polnischen Innenministeriums (MSW). Kukuczka fordert, dass ihm bis 15 Uhr über den Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße die Ausreise nach West-Berlin gestattet wird. Er unterstreicht diese Forderung mit der Drohung, die Botschaft mit einer Bombe zu sprengen. Tatsächlich, so hält ein anonymer Bericht fest, der nur Oberst Karnowski zugeschrieben werden kann, lag auf seinen Knien „eine geschlossene, vollgepackte Aktentasche, aus der eine Schlinge hervorragte. Die gespannte Schlinge hielt er mit der linken Hand fest.“

Dem Geheimdienst-Mitarbeiter gegenüber bleibt Kukuczka misstrauisch. Dem Oberst gelingt es, das Zimmer unter einem Vorwand zu verlassen. Um 13.10 Uhr telefoniert der polnische Geheimdienstler mit Oberst Willi Damm, dem Leiter der Abteilung X („Internationale Verbindungen“) des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Damm informiert sofort den stellvertretenden Stasi-Minister Bruno Beater, der seinerseits die Entscheidung trifft, Kukuczka „nach Möglichkeit außerhalb des Gebäudes der Botschaft der VR Polen unschädlich zu machen.“

Weiter geht es hier:
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/ ... n-25036644
Interessierter
 

Re: Grenzübergang Friedrichstraße Forscher rekonstruieren Fall um Mauertoten

Beitragvon zonenhasser » 11. Oktober 2018, 12:50

„Es war am Freitag zwischen 15.10 und 15.20 Uhr“, zitierte „Bild“ die 15- bis 17-Jährigen. „Ein 40 bis 45 Jahre alter Mann passierte vor uns den Kontrollpunkt. Als der Mann arglos vorbeigegangen war, wurde er von einem Zivilisten im dunklen Mantel und mit getönter Brille aus zwei Metern Entfernung in den Rücken geschossen.“

So macht man das! Und nicht Nowitschok auf die Türklinke schmieren und die Zielperson kommt davon.
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