Letztlich ging und geht es darum, wie Männer und Frauen ihr Leben gestalten wollen, um das, was eine moderne Gesellschaft ausmacht, leben zu können: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für beide Elternteile“, sagt Anna Kaminsky.
Es geht um die Rolle, das Selbstverständnis und die Lebenserfahrungen der „Frauen in der DDR“. So heißt ihr Buch, das unlängst im Christoph Links Verlag erschienen ist – und seitdem für Furore sorgt. Das Thema ist so aktuell wie weiträumig vermint.
Schon in den Neunzigern gab es große Kontroversen, als das Leben in der DDR „bewertet und häufig kritisch hinterfragt wurde“, argumentiert die Autorin: „Kaum noch etwas hatte Bestand. Auch wenn vieles nicht gut gewesen war – immerhin waren die Frauen gleichberechtigt gewesen. So mancher kam sogar zu dem Schluss, dass das „Beste an der DDR die Frauen gewesen seien“.
Zugleich, so konstatierte die westdeutsche Frauenzeitschrift „Emma“ noch 2009, hielt „sich im Osten das Klischee der dekadenten Westfrau, die sich trotz Frauenbewegung mit dem Titel ihres Mannes anreden lässt, ihre Kinder als Lebenselixier betrachtet und am liebsten in Teilzeit oder gar nicht arbeitet. Genauso kursiert im Westen das Bild des grauen Mäuschens aus dem Osten, der Rabenmutter, die ihr Neugeborenes nicht schnell genug in die Krippe verfrachten kann, zur Arbeit geht und meint, damit wäre für die Gleichberechtigung doch alles getan.“
Starker Tobak, noch immer. Kaminsky weiß, wovon sie schreibt. Geboren in Gera und aufgewachsen in Dessau und Halle, studierte sie Sprachwissenschaften in Leipzig und arbeitete als freiberufliche Übersetzerin. Nach dem Fall der Mauer promovierte sie, war Mitarbeiterin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ist seit 2001 deren Geschäftsführerin. Sie hat die Gezeitenwende gut gemeistert. Diese Fortune hatten nicht alle berufstätigen Frauen der DDR.
Aber Fakt ist: Frauen hatten in der DDR die gleichen Rechte wie Männer. Das stand in der Verfassung der Sowjetischen Besatzungszone und fand 1949 Eingang in die erste Verfassung der DDR. „Frauen in der DDR verdienten ihr eigenes Geld und konnten selbst entscheiden, ob und wo sie arbeiteten. Dass sie ,Männerberufe’ ergriffen, war erwünscht und wurde gefördert“, schreibt Kaminsky.
Dafür tat der Staat so einiges. Betreuungsplätze für Kinder, Arbeitsschutz, ein monatlicher „Haushaltstag“. Aber Kaminsky bemerkt kritisch: „Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit, Haushalt und Familie wurde als Problem der Frauen, nicht von Frauen und Männern gemeinsam angesehen.“
Die moderne Frau der DDR sollte sich weiterbilden und aus der Abhängigkeit der Männer befreien. Schon in den 50er- und 60er-Jahren seien Frauen, die keinen Beruf ausübten, als „Heimchen am Herd“ lächerlich gemacht worden.
Zum Ende der DDR gingen 92 Prozent der Frauen einer Arbeit nach – im Westen waren es zu dieser Zeit gerade 50 Prozent.
Das führte wiederum zu einer Art „Mythos“ der Überfrau Ost. Auch damit räumt Kaminsky auf. „Nur wenige Frauen schafften es in höhere Funktionen, Frauen verdienten durchschnittlich ein Drittel weniger als Männer.“ Und „der Spagat zwischen Familie und Arbeitsleben brachte eine immense Mehrfachbelastung mit sich“.
Im Anhang finden sich herrliche Grußadressen der SED zum Frauentag am 8. März: „Die Sklavinnen von gestern, die Kämpferinnen von heute werden die Siegerinnen von morgen sein“ (1954). Oder: „Es ist unser aller Stolz, dass die Befreiung der Frau zu den historischen Errungenschaften unseres sozialistischen Staates zählen“ (1974).
Letzteres mag zutreffen. Andererseits betont Kaminsky: „Trotz aller Verbesserungen, die Frauen in der DDR erlebten, war und blieb das Konzept der SED: Männer entschieden für Frauen, was gut für sie war.“ Und damit beginnt es, dieses Buch, das der „Frau in der DDR“ vom Demokratischen Frauenbund über den „Katalog Frühjahr Sommer“ ein Denkmal setzt: eines zum Nachdenken.
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