Ostberliner Urlauber in Ungarn

Wie lief der Alltag in beiden deutschen Staaten zur Zeit der Teilung ab? Wie wurde gearbeitet? Was waren typische Berufe? Was wurde nach Feierabend gemacht? Wohin gings in den Urlaub?
Dies ist der Bereich zum Thema "Alltag"

Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Interessierter » 1. September 2018, 13:51

"Deutsch oder DDR?"

Raus aus Ostberlin, rein in den Westen des Ostens: Für Mark Scheppert war die Familienreise 1986 nach Budapest ein Traum - das Geschenk zu seinem 15. Geburtstag, ein Ausflug ins Konsumparadies.

Als ich ( Mark Scheppert ) 15 wurde, gingen wir am 1. August 1986 zum Essen in den Palast der Republik. Mein Bruder Benny entschied sich fürs "Steak-au-four" mit Pommes Frites, ich trank mit Vater bereits meine zweite Tulpe Wernesgrüner. Seit der Jugendweihe bestellte er Bier für mich mit. Ein Statement, das musste man ihm lassen. Mutter orderte Rosenthaler Kadarka und Szegediner Gulasch, was sie daran erinnerte, als junge Frau - also vor sehr vielen Jahren - in Ungarn gewesen zu sein. Mein Alter rief: "Da wolltest du doch auch immer mal hin, oder?"

Was für eine Frage: Ungarn hatte im Gegensatz zu allen anderen DDR-Bruderstaaten eine magische Anziehungskraft. Dort konnte man Dinge aus dem Werbefernsehen kaufen, nicht nur anstarren. Levi's-Jeans, Camel-Zigaretten, Nike-Turnschuhe, Walkman, Gettoblaster, Schallplatten, Sticker und Glitzersteine - einfach alles, was das Herz begehrte.

"Logo", antwortete ich. Ich war erst in drei Ländern gewesen: DDR, CSSR, in Polen nur, weil Benny und ich unerlaubt 20 Meter auf der Schneekoppe über die Grenze geflitzt waren. "Okay, nächste Woche geht's los. Wir fahren für ein paar Tage nach Budapest." Benny verschluckte sich an der Club Cola. "Echt jetzt?", brüllten wir im Chor. An Mutters seligem Grinsen erkannte ich: kein Scherz! "Köszönöm heißt danke", murmelte sie und meinte wohl, dass ich mich nun artig zu bedanken hätte. Mein Bruderherz rief: "Krieg ich noch einen Pittiplatsch-Eisbecher? Köszönöm!" Alle lachten.

Hier geht es weiter:
http://www.spiegel.de/einestages/ddr-ur ... 21972.html
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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Dr. 213 » 1. September 2018, 14:20

DDR- Urlauber waren Menschen zweiter Klasse.
Muss bitter gewesen sein, wenn man in den schönsten Wochen von den Bewohnern der Brudernation
auf den Boden der wirtschaftlichen Tatsachen geholt wurde.
Da konnte das Privileg, überhaupt eine solche "Fernreise" machen zu dürfen, nur begrenzt drüber weg helfen.

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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon zonenhasser » 1. September 2018, 15:30

Ich gehörte zum letzten Jahrgang der glorreichen Idee des "Lila Drachens" (Volksbildungsministerin Margot Honeckers Haare), neben dem Abitur an der "Erweiterten Oberschule" noch einen Facharbeiterbrief zu machen. Die Schüler hatten keine Lust und die Ausbilder auch nicht, weil sie wussten, dass wir studieren wollten. Das war bei der Reichsbahn - mit dem Vorteil, Freifahrtscheine zu erhalten. Mit einem Klassenkameraden fuhr ich also im Jahr 1970 kostenlos nach Budapest. An der tschechischen Grenze mussten wir unsere Geldbörsen den DDR-Grenzern übergeben. Ich hatte das Abiturzeugnis und andere wichtige Dokumente fotokopiert, falls sich spontan die Möglichkeit ergeben sollte, nach dem Westen abzuhauen. Ich konnte noch die Erklärung stammeln, dass ich mich zum Studium beworben hatte. Mein Freund hatte 10 DM bei sich. "Die stammen von meiner Tante aus Johannesburg." - "Wie heißt die?" "Smith" Das stimmte zwar alles, aber die Stasischergen waren ungläubig. Schließlich konfiszierten sie die 10 DM und ließen uns fahren. In Budapest ging ich zur US-Botschaft und bat um politisches Asyl. Die schickten mich zur bundesdeutschen Handelsvertretung (eine Botschaft gab es noch nicht). Ich musste lange warten bis die Sekretärin ihrem Chef mich avisierte: "Da ist noch der junge Herr aus Deutschland." Ich musste mich nicht in Budapest mit Westklamotten einkleiden, hatte schon welche an. Ich sagte zu dem Beamten: "Ich nenne Ihnen meine Namen nicht..." Da feixte der und meinte: "Ich kann mir denken, was Sie herführt. Da sind Sie nicht der erste. Warum wollen Sie weg?" "Weil ich zur Armee muss." "Ich kann Ihnen nicht helfen, empfehle Ihnen, etwas Systemunabhängiges zu studieren und vielleicht mal nach Jugoslawien reisen zu können. " Ich kaufte noch ein paar zerlesene "SPIEGEL" und bald war das Geld alle und wir fuhren wieder heim.
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon pentium » 1. September 2018, 15:35

Dr. 213 hat geschrieben:DDR- Urlauber waren Menschen zweiter Klasse.
Muss bitter gewesen sein, wenn man in den schönsten Wochen von den Bewohnern der Brudernation
auf den Boden der wirtschaftlichen Tatsachen geholt wurde.
Da konnte das Privileg, überhaupt eine solche "Fernreise" machen zu dürfen, nur begrenzt drüber weg helfen.

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Ostberliner, es geht um Ostberliner in Ungarn...
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Dr. 213 » 1. September 2018, 15:44

Den check ich jetzt nich.
Bitte um Erläuterung bevor ich mal runter in den Keller gehe. [ich auch]

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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon pentium » 1. September 2018, 15:56

Dr. 213 hat geschrieben:Den check ich jetzt nich.
Bitte um Erläuterung bevor ich mal runter in den Keller gehe. [ich auch]

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Überschrift lesen....es sind Ostberliner gemeint, welche nach Ungarn reisen...
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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon augenzeuge » 1. September 2018, 15:58

Dr. 213 hat geschrieben:Den check ich jetzt nich.
Bitte um Erläuterung bevor ich mal runter in den Keller gehe. [ich auch]

Herzlichst
Dr. 213

Ich auch nicht. Seit wann trennen wir hier die Ostberliner von dem Rest der DDR? Beide hatten die gleichen Erlebnisse in Ungarn.
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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon pentium » 1. September 2018, 16:01

augenzeuge hat geschrieben:
Dr. 213 hat geschrieben:Den check ich jetzt nich.
Bitte um Erläuterung bevor ich mal runter in den Keller gehe. [ich auch]

Herzlichst
Dr. 213

Ich auch nicht. Seit wann trennen wir hier die Ostberliner von dem Rest der DDR? Beide hatten die gleichen Erlebnisse in Ungarn.
AZ


Ist gut...sollte ein Scherz...

...
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Deutsch oder DDR?

Beitragvon Werner Thal » 25. Januar 2020, 11:39

SPIEGEL Geschichte - Ostberliner Urlauber in Ungarn. vom Mark Scheppert

"Deutsch oder DDR?"

Raus aus Ostberlin, rein in den Westen des Ostens: Für Mark Scheppert war die Familienreise 1986 nach
Budapest ein Traum - das Geschenk zu seinem 15. Geburtstag, ein Ausflug ins Konsumparadies.

>Als ich 15. wurde, gingen wir am 1. August 1986 zum Essen in den Palast der Republik (auch Palazzo
Prozzo genannt). Mein Bruder Benny entschied sich fürs "Steak-au-four" mit Pommes Frites, ich trank mit
Vater bereits meine zweite Tulpe Wernesgrüner. Seit der Jugendweihe bestellte er Bier für mich mit. Ein
Statement, dass musste man ihm lassen. Meine Mutter orderte Rosenthaler Kadarka und Szegediner Gulasch,
was sie daran erinnerte, als junge Frau - also vor sehr vielen Jahren - in Ungarn gewesen zu sein. Mein Alter
rief: "Da wolltest du doch auch immer mal hin, oder?"

Was für eine Frage: Ungarn hatte im Gegensatz zu allen anderen DDR-Bruderstaaten eine magische
Anziehungskraft. Dort konnte man Dinge aus dem Werbefernsehen kaufen, nicht nur anstarren. Levis-Jeans,
Camel-Zigaretten. Nike-Turnschuhe, Walkman, Gettoblaster, Schallplatten, Sticker und Glitzersteine -
einfach alles, was das Herz begehrte.<

...hier man weiterlesen:

https://www.spiegel.de/geschichte/ddr-u ... 21972.html

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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon augenzeuge » 25. Januar 2020, 12:32

Am Einlass wurden wir gefragt: "Deutsch oder DDR?" - und dann in die hinterste Ecke verfrachtet.


Das war überall so. Nach einem Treffen 1987 in Ungarn, suchten die DDR-Verwandten noch ein Quartier. Immer wenn sie mit dem Trabbi vorfuhren, winkten die Ungarn ab.
Also war ne List fällig. Der Westwagen fuhr vor, das Zimmer wurde gebucht....für die DDR Verwandtschaft. Klappte.

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Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Kumpel » 25. Januar 2020, 12:44

Wobei ich da in Ungarn noch eher gute Erfahrungen gemacht habe.
In der CSSR bzw. in Prag war das noch viel ausgeprägter. Nachdem fest stand das wir aus der Zone kommen war jegliches Interesse zumeist erloschen.
Kumpel
 

Re: Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Interessierter » 25. Januar 2020, 13:47

Siehe auch hier in meinem Threaderöffnungsbeitrag:

Ostberliner Urlauber in Ungarn

Beitragvon Interessierter » 1. Sep 2018, 13:51
"Deutsch oder DDR?"

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