HPA hat geschrieben:Naja ,zumindestens versuchten noch September 1990 64 % der Stabsoffiziere beim MfAuV in Strausberg sich bei der Bundeswehr um Übernahme zu bewerben. Darunter 13 Generäle.
Das nenn ich mal einen "gefestigten Klassenstandpunkt"
Die Aussage ist vermutlich richtig.
Für mich ist sie Beweis dafür, dass es eben nicht so war, wie damals der "Westen" vermutete, dass alle länger im Dienst befindlichen Berufssoldaten der NVA, stramme Komunisten sind, sondern doch eher den militärischen Beruf als Herzensache sahen. Zu jenem Zeitpunkt war wohl den Meisten auch schon ein "Licht aufgegangen", dass die "Partei doch nicht immer recht hat" und es kamen Zweifel auf, ob der Politik ala DDR.
Andererseits war es ja meistens so, dass die Berufssoldaten, zwar irgend wann einmal einen Beruf erlernt hatten, diesen nun aber oft Jahrzehnte lang nicht mehr ausgeübt haben und eigentlich nur das Waffenhandwerk beherrschten. Nun standen sie vor einer Zäsur, die erstmal bewältigt werden mußte. Die Kinder wollten ja weiterhin essen. Man mußte also einen Beruf finden, der auch die Familie ernährte.
So ging es mir ja auch. Drei kleine Jungs im Haus und nun keinen Broterwerb mehr. Was tun?
Die Berufssoldaten, die auch schon während ihrer aktiven Zeit die "Macher" waren, erkannten die Situation meist recht zügig und begannen von vorne, praktisch bei "Null" und die Meisten von denen ich weiß, haben einen neuen Weg gefunden.
Viele hatten das Alter um in die Rente zu gehen oder, so wie ich auch, ganz neue Wege zu beschreiten.
Was konnte der Berufssoldat denn werden, wenn er seinen Beruf als Soldat an den Nagel gehängt hatte?
Er konnte (meistens jedenfalls) auf unterschiedliche Situationen und Lageveränderungen, schnell reagieren und für die neue Situation, nach Einschätzung der Lage, zweckmäßige Entschlüsse fassen. Überwiegend waren die Berufssoldaten kommunikativ gut drauf, hatten Kenntniss von Menschenführung, blieben meist ruhig in angespannter Lage und konnten dabei noch logisch denken. Das sind alles Charakterzüge die den Berufssoldaten (egal in welcher Armee) anerzogen wurden, so sie diese nicht von vornherein hatten und die galt es nun in der neuen Gesellschaftsordnung einzubringen und damit sein neues Leben zu gestalten.
Ich weiß nicht ob Ihr wißt, dass man fast allen Berufssoldaten der NVA die das 50-e Lebensjahr noch nicht überschritten hatten und noch keine Oberste waren, angeboten hat, erstmal für zwei Jahre in die Bundeswehr übernommen zu werden. Innerhalb dieser zwei Jahre sollten sie sich als Soldaten der BW beweisen. Von vornherein war jedoch klar, dass von diesen Soldaten nur ein geringer Teil übernommen werden sollte. Aber es gab diesen Männer durchaus zwei Jahre Zeit, sich neben dem Beruf als Soldat neu zu orientieren und nach den zwei Jahren in das andere Leben einzutreten. Ich persönlich rechne das der Bundesrepublik hoch an. So wurde der Übergang in das zivile Leben erstmal abgefedert und die Männer hatten Zeit sich neu zu orientieren.
Nach Ablauf dieser zwei Jahre gab es dann wohl eine große Entlassungswelle. Die meisten dieser Soldaten wußten aber schon ca. ein halbes Jahr vorher, ob sie, so sie wollten, eine Chance hatten, dauerhaft übernommen zu werden.
Wie ich von vielen Männern weiß, wurde denen, die nicht übernommen werden, dies rechtzeitig mitgeteilt und sie wurden so nach und nach, aus dem Dienstbetrieb herausgenommen und hatten Zeit sich um ihren zukünftigen Job zu kümmern, bekamen aber weiterhin das Gehalt von der Bundeswehr. Auch das ist in meinen Augen eine sehr faire Maßnahme gewesen.
Aber auch Männer, die es wie ich taten, ließ man nicht sofort fallen. Ich schrieb es schon einmal. Da meine Einheit nicht sofort aufgelöst wurde, hätte ich z.B. auch die zwei Jahre in der BW dienen können. Ich hatte damals längere Gespräche mit General Förtsch und mit General von Senden (hießen sie glaube ich), die mir eigentlich zugeraten haben, dabei zu bleiben. Damals war ich so gestrickt, dass ich das nicht wollte.
Aber sei es wie es sei, die Bundeswehr hat mich über die Zeit meines Studiums nach der Wende, finanziell über Wasser gehalten. Auch dafür bin ich ihr dankbar und ich empfand es als sehr menschlich den Kameraden und mir gegenüber, solche Angebote nutzen zu können.
Dabei habe ich meinen innersten Klassenstandpunkt nie verleugnen müssen, weil mich nie einer danach befragt hat und ich auch keinerlei politische Statements abgeben mußte, so wie auch kein anderer ehemaliger Berufssoldat der NVA. Ein großer Unterschied zur NVA, wo man als parteiloser Berufssolat keine Entwicklungschance gehabt hätte. Man musste sich in der NVA oft zur Politik der SED und der DDR bekennen. In wie weit dieses Bekenntnis nur ein "Lippenbekenntnis " war, kann ich nicht einschätzen.
Insofern erkenne ich auch an, dass es ehemalige Soldaten der NVA in der Bundeswehr zu höheren Dienstgraden gebracht haben. Gute Männer setzen sich halt durch, egal in welcher Armee sie dienen, solange man von ihnen nicht verlangt, aus ihrer politischen Einstellung eine Mördergrube zu machen. Und genau das wurde eben nicht verlangt. Der deutsche Soldat ist unpolitisch, entsprechend des "Zossener Geist".
Auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, als Soldat so zu tun, als ob man keine politische Einstellung hat und nur den "Job" macht, wird einem in der Bundeswehr ziemlich leicht gemacht.
Wohl wissend, dass ein Berufssoldat zwar auch ein politisch denkender Mensch ist, dass Primat der Politik zwar anerkennt aber sich dazu nicht äußern muss, ist ein Vorzug für den Soldaten, der damit gut leben kann.
Und das konnten eben eine Reihe der ehemaligen Berufssoldaten der NVA. Aus heutiger Sicht behaupte ich mal ganz kühn, dass ich das auch könnte. Aber ich wollte es damals nicht und bin damit bis heute recht gut klar gekommen.
Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe
Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.