Klaus-Michael Kurz versuchte 1988 die Flucht, wurde in Ungarn gefasst, saß ein und machte nach 1990 Karriere. Wir sprachen mit ihm über die spektakulären Ereignisse, die ihm in Ungarn und anschließend in der DDR wiederfahren sind
Gerstungen. Für Klaus-Michael Kurz schloss sich ein Kreis. Vor etwa zwei Jahren gründete der Gerstunger und Wahl-Bayer mit einem Gerstunger Jugendfreund eine Firma und fasste in der alten Heimat wieder Fuß. Die Vita des 53-Jährigen ist ereignisreich, außergewöhnlich, mitunter abenteuerlich und auch geprägt vom Mauerfall, der sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt. Am 9. November 1989, als die Menschen bereits auf der Berliner Mauer tanzen, sitzt er noch im Gefängnis. Drei Tage später gilt die Amnestie vom September 1989 auch für ihn.
Wann hatten Sie das erste Mal den Gedanken, aus der DDR zu fliehen?
Kurz vor der Armeezeit, mit 21. Wenn man aus Gerstungen kommt, hat man natürlich Hirngespinste, beobachtet man Grenzposten, macht sich Gedanken. Später haben mein Freund Holger Bismann aus Eisenach und ich eine Stelle zwischen Abteroda und Dippach in Erwägung gezogen, auch wollten wir mal springen - aufs Trampolin über den Zaun.
Der Fluchtgedanke aber blieb?
Ja. Immer. Ich wollte frei denken und leben. 1984 bin ich nach Sofia geflogen und wollte von dort nach Griechenland. Aus diesem Grund hatte ich mir sämtliche Schulzeugnisse in die Hose gesteckt. Es war mein erster Flug überhaupt und nach der ersten Leibesvisitation, bei der sie die Zeugnisse nicht fanden, war mir klar, dass das ein ziemlich naiver Gedanke war.
Wann haben Sie die Sache dann ernsthaft geplant?
Beim Sportstudium in Leipzig habe ich Holger kennengelernt, auch ein Rennrodler wie ich. Dem besorgte ich einen Passierschein nach Gerstungen und dort schmiedeten wir den Plan, über Ungarn und Jugoslawien zu fliehen, dann gleich weiter nach Italien. In Jugoslawien war die Grenze ja nicht mit Zäunen befestigt. Damals kursierte gerade die gelungene Ballonflucht, was wir so nah an der Grenze wohnend auch in Erwägung zogen. In der Leipziger Zentralbibliothek suchten wir Bücher über Ballonbau. Was wir dazu fanden war Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" (lacht).
Haben Sie Zuhause jemanden von Ihrem Fluchtplan erzählt?
Nein. Nur als ich mich vor unserem Fluchturlaub von meinem Opa verabschiedete, da wusste ich: Er weiß es. Unausgesprochen. Diese Situation ... oh man, das war nicht einfach. Ursprünglich hatten wir die Flucht zu viert geplant. Ein Mädchen (der Opa war gestorben) und ein Mitstudent (der hatte einen falschen Pass) sprangen aber ab.
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