von Merkur » 4. April 2016, 16:02
Teil 3
4.Die Beobachtung und fotografische Sicherung war zu konzentrieren auf
-Feststellung und Verbindungsaufnahme von betriebsfremden Personen zu Mitarbeitern des Fleischkombinates
-Befahren des Betriebsgeländes mit Privatfahrzeugen der Mitarbeiter
-Umladungen von Waren aus Lieferfahrzeugen in Privatfahrzeuge bzw. in andere Fahrzeuge des Handelstransportes
-Durchführung von Wägungen durch nicht vereidigte Wäger
-die Art und Weise der Warenübergabe, der Kontrolle und des Verhaltens der Kraft- und Beifahrer nach der Wägung und beim Verlassen der Betriebe
-das Aufsuchen von Kunden außerhalb des Tourenplanes.
In der Vorbereitung der Phase des Ersten Angriffs ging die Kriminalpolizei davon aus, dass eine erfolgreiche Vernehmung für die Gesamtaufklärung entscheidend war. Dazu waren vor Einleitung strafprozessualer Maßnahmen durch die AG II und III der K zu prüfen, einzuschätzen und abzustimmen:
-die durch Beweismittel gestützten Kenntnisse über Begehungsweisen, Verschleierungsmethoden, Täterkreis und Bedingungen der Straftaten sowie Zwischenlagerplätze, an denen Verpackung weggeworfen wurde, Transportmittel/Transportwege
-weitere gesicherte Fakten, die in der Vernehmung gegenüber den Beschuldigten als Vorhalte zu verwenden waren, insbesondere zur Zerschlagung des kriminellen Zusammenhaltes einer Tätergruppe
-umfassende Kenntnis über die Persönlichkeit des Täters/der Täter und der Vermögenslage/Lebensaufwand zur Festlegung einer erfolgreichen Vernehmungstaktik
-die Aussagekraft und –willigkeit der ermittelten Zeugen
-die zu erwartende Geständnisbereitschaft der Täter
-das kriminaltaktische Vorgehen in der Phase des Ersten Angriffs
-der weitere IKM- Einsatz, insbesondere zur Aufklärung der Reaktion der Täter und der Aufdeckung weiterer Einzelheiten der Verschleierung.
Der Einsatz von IKM/KK zur frühzeitigen Aufdeckung und wirkungsvollen Beseitigung von Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Kriminalität sowie Mängel und Missstände war unmittelbarer Bestandteil der kriminalpolizeilich-operativen Arbeit, ständig zu verwirklichen und vorrangig zu konzentrieren auf die:
-uneingeschränkte Durchsetzung der Weisungen für die Organisation, die Durchführung, den Nachweis und die Kontrolle aller Prozesse in den Bereichen Aufkauf, Produktion, Lagerung, Transport und Absatz
-Herstellung eines kontrollfähigen Belegwesens in allen Bereichen
-Durchsetzung der äußeren und inneren Sicherheit in den Betrieben (ordnungsgemäße Kontrolle der Fahrzeuge und der Personenbewegung, Verschlusssicherheit der Produktions- und Kühlräume, Verhinderung unkontrollierbarer Kontakte von betriebsfremden Personen zu Mitarbeitern der Betriebe, Auflösung von Konzentrationen krimineller bzw. kriminell gefährdeter Personen, Einleitung von Maßnahmen zur Entfernung von Personen mit kriminellen Einstellungen bzw. Isolierung dieser Personen)
-Einhaltung der Hygienebestimmungen
-Beseitigung technischer Defekte an Waagen, Türen von Lager- und Kühlräumen, Transportmitteln, Produktionseinrichtungen
-Einführung und strikte Durchsetzung von Funktionsplänen sowie Arbeitsplatzanweisungen
-Verhinderung der Ausführung von Doppelfunktionen wie Kontrolleur und Wieger in einer Person
-Verhinderung von Tier- und Fleischverlusten durch zielgerichtete Kontrolle der Hygienebestimmungen
-Einhaltung der Bestimmungen bei Annahme, Aufbewahrung und Einzahlung von Barerlösen in den Betrieben zum Schutz vor Raub und Diebstahl.
Zu den individuellen Begehungsweisen konnte das AG I folgendes herausarbeiten:
1.Vortäuschen einer höheren als der tatsächlichen Schlachtwertklasse beim Tieraufkauf, insbesondere bei der Lebendviehvermarktung, gemeinsam durch den Verkäufer und den Ankäufer, um dem Verkäufer finanzielle Vorteile zu sichern.
2.Vortäuschen einer niedrigeren als die tatsächliche Schlachtwerklasse beim Tierkauf, insbesondere bei der Schlachttierkörpervermarktung, durch den Ankäufer, um dem Schlachtbetrieb zum Nachteil des Verkäufers finanzielle Vorteile zu sichern.
3.Vortäuschen von Tieraufkäufen aus der individuellen Produktion durch den Aufkäufer des Schlachtbetriebes, Überweisung der Vergütung an beliebige Personen, in der Regel solchen, die bereits Tiere abgeliefert hatten und daher als Lieferanten bekannt waren und persönliche Rückforderungen des Geldes vom Empfänger in bar, auch gegen Quittung.
4.Vortäuschen hoher Fleischqualität beim Verkauf durch den Schlachthof, indem aus Fleisch niederer Schlachtwertklassen die Fettschichten herausgeschnitten, die mageren Fleischanteile zusammengefrostet und das Fleisch in diesem Zustand als höhere Qualität verkauft wurde.
5.Unterlassen oder unsachgemäß ausgeführte Untersuchung des Fleisches auf Parasiten und Herbeiführung von Gefahren für die Gesundheit von Menschen.
6.Verletzung der Bestimmungen der allgemeinen und der Lebensmittelhygiene im Schlachtbetrieb und dadurch:
-Herbeiführung von Gefahren für die Gesundheit der Menschen
-Kündigung von Außenhandelsverträgen durch ausländische Vertragspartner
-Verderben lassen von Fleisch und Fleischerzeugnissen.
7.Verderben lassen von tierischen Rohstoffen (Talg, Fett, Knochen usw.) entgegen dafür geltender Vorschriften.
8.Diebstahl von Fleisch, Fleischerzeugnissen und Konserven durch Tätergruppen, insbesondere bestehend aus Beschäftigten der Expedition, Kraft- und Beifahrern sowie Hehlern aus dem Einzelhandel, vorrangig mit folgenden Begehungsweisen:
-Beim Verwiegen des leeren Lieferfahrzeuges wurden Ballastgewichte an Bord genommen, um ein höheres Gewicht vorzutäuschen. Um diese Menge konnte bei der Ausfahrt dann Diebesgut transportiert werden, ohne dass Massedifferenzen auftraten
-Fleisch mehrerer Seiten wurde in einige wenige umgelagert. Um das Taragewicht der eingesparten Seiten konnte Diebesgut transportiert werden
-Entwenden von Fleisch und Fleischerzeugnissen und Verstecken des Diebesgutes auf dem Lieferfahrzeug (im Kühlaggregat, in der Fahrerkabine usw.)
-Im Zusammenwirken mit Wägern wurden die Kollis mit mehr Mengen Fleischerzeugnissen gefüllt, als auf dem Lieferschein vermerkt war, mit dem Ziel, dem Hehler das Diebesgut mit der normalen Ware zu liefern
-Entwenden und Verstecken von Diebesgut am Körper.
Das Diebesgut wurde
-den Hehlern in Fleischverkaufsstellen und Gaststätten mit der normalen Warenlieferung übergeben
-an unbeobachteten oder schwer überschaubaren Stellen dem Hehler übergeben bzw. in entsprechende Hehlerfahrzeuge umgeladen
-in Verstecken (Garagen, Schuppen, Wohnungen usw.) zwischengelagert, insbesondere Konserven und Dauerwurst
-im Freundes- und Bekanntenkreis abgesetzt
-selbst verbraucht
-erzielte Erlöse aus dem Absatz des Diebesgutes im Einzelhandel wurden geteilt
-durch Expedienten, Kraft- und Beifahrer wurden Lieferscheine fingiert und wiesen damit Diebesgut gegenüber Kontrolleuren als offizielle Lieferungen aus, Lieferscheine wurden nach Übergabe des Diebesgutes vernichtet
9.Diebstahl von Fleischerzeugnissen zum Nachteil der Verkaufseinrichtungen, Gaststätten und Küchen während des Transportes. Begünstigend wirkte sich hierbei die ungenügende Kontrolle durch die Abnehmer aus.
10.Entgegen den Angaben des Lieferscheines wurden an Verkaufseinrichtungen Edelfleischerzeugnisse gegen mindere Fleischteile und Knochen ausgetauscht und ausgeliefert.
11.Verschieben von Fleisch und Fleischerzeugnissen durch leitende Angestellte des Schlachtbetriebes, insbesondere im Bereich Absatz an ausgewählte Personen gegen Betriebspreise, um andere Vorteile als Gegenleistung zu erhalten.
12.Diebstahl von Därmen und ihr Verkauf an private Fleischer für die illegale Wurstproduktion.
13.Verletzung der technologischen Vorschriften bei der Herstellung von Konserven und Vakuumverpackungen, wodurch die handelsfähige Verpackung und Konservierung nicht gegeben und die Gefahr des Warenverderbs herbeigeführt wurde.
14.Vortäuschen von Eigenschaften neu entwickelter Produkte (Geschmack, Haltbarkeit, Fleischqualität), um Produktions- und Preisgenehmigungen zu erhalten.
15.Manipulation bei der Bewertung von Fellen gegenüber dem Betrieb für Tierische Rohstoffe zum Vorteil des Fleischkombinates.
16.Die Bevorzugung von privaten Fleischern bei der Belieferung mit hochwertigen Fleischwaren und Fleischerzeugnissen durch Mitarbeiter von Fleischkombinaten und Entgegennahme von Geschenken bzw. anderen „kleinen Gefälligkeiten“.
17.Vorsätzliche Beschädigung von Schlössern an Kühl- und Lagerräumen.
18.Fahrlässiges Zerstören oder Außerbetriebsetzen von Produktionsanlagen als Folge bewusster Pflichtverletzung, wodurch vor allem hohe Verluste durch Warenverderb eintraten.
19.Verschleierung der Erlöse aus Sanitärschlachtungen an tierischen Rohstoffen (Felle, Knochen usw.) und deren Verkauf auf private Rechnung an den Betrieb für Tierische Rohstoffe bzw. bevorzugte Belieferung von Verkaufsstellen mit Freibankfleisch, das dann als Handelsfleisch verkauft wurde.
Durch den Einsatz der speziellen Mittel und Methoden des AG I konnten umfangreiche Straftaten im VEB Fleischkombinat Berlin aufgedeckt werden.
Nach Abschluss des operativen Stadiums der Ermittlungen erfolgte die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen durch das Dezernat II.
Am 08. Juni 1976 erhob der Staatsanwalt des Stadtbezirkes Berlin-Lichtenberg wegen verbrecherischen Diebstahls zum Nachteil sozialistischen Eigentums Anklage gegen zwei Fleischermeister, drei Kraftfahrer und drei Arbeiter.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.