Ergänzend zu dem von mir eingestellten vertuschten Skandal um Impfstoff in der DDR, hier die Erfahrungen einer Betroffenen:
Margit Schröter und ihre LeidensgeschichteGmund - Margit Schröter aus Gmund führte lange ein Leben in Qual. In der DDR wurde ihr ein lebensgefährliches Virus gespritzt. Erst am Tegernsee ist die 61-Jährige glücklich geworden.
Am 12. Februar 1979 setzte ihr ein DDR-Arzt in Meißen die Spritze, unter der Margit Schröter bis heute leidet. Seit 13 Jahren lebt die heute 61-Jährige im Tegernseer Tal. Es sind die glücklicheren Jahre ihres Leben. Alles davor war ein Kampf. Und hätte Margit Schröter nicht die „wunderbare Arbeitsstelle“ in der Rottacher Seniorenresidenz Wallberg, ihr Leben wäre wohl bis heute kaum zu ertragen. Denn: Schröter ist eine von fast 7000 Frauen, die das DDR-Regime wissentlich krank machte – und das alles, um einen Arzneimittelskandal zu vertuschen.Eigentlich sollte Schröter nur eine Impfung bekommen: die Anti-D-Immun-Prophylaxe. Der Wirkstoff wird nach der Schwangerschaft gespritzt, damit die Mutter keine für sie oder ihr nächstes Kind schädlichen Antikörper entwickelt. Eine Routinemaßnahme. Eigentlich. Allerdings war die Impfung für Schröter mit dem hochgefährlichen Virus Hepatitis C infiziert. Die Ärzte wussten es. Das Regime wusste es. Die junge Mutter hatte keine Ahnung, vertraute dem Arzt und wurde krank. Die Zusammenhänge hat Schröter erst später begriffen. Zum Beispiel, dass man den kontaminierten Impfstoff fast ein Jahr lang weiter verwendete – damit keine Engpässe entstehen – und dass sie eine der Letzten war, die ihn bekamen.
Von der Frau und dem Mann, die sie damals, wenige Tage nach der Impfung, abholten, erfuhr sie das nicht. Sie schleppten sie von ihrem neugeborenen Sohn und ihrer einjährigen Tochter weg, um sie in einer weit entfernten Klinik unter Quarantäne zu stellen. Mit anderen betroffenen Frauen sperrte man sie in ein Krankenzimmer. Jeden Tag kam jemand zur Blutabnahme. Erklärungen gab es keine. Eine der Frauen hatte ein Kofferradio mit in die Klinik geschmuggelt. In der Nacht hörten sie Westfunk. Da kam dann die Meldung: Arzneimittelskandal in der DDR. Fast 7000 Frauen mit Hepatitis C infiziert.Das Virus greift erst die Leber an, dann die anderen Organe. Die Spätfolgen sind kaum absehbar. Schröter leidet bis heute darunter. Schwindelanfälle, plötzliche Ohnmachten, Wortfindungsstörungen. Dass sie trotz ihrer Krankheit bis heute in der Seniorenresidenz Wallberg arbeiten darf, dafür ist Schröter ihren Kollegen und ihrer Chefin Doreen Hoffmann sehr dankbar.
Nach dem Krankenhaus wurde es aber erstmal nicht besser, auch nicht nach dem Mauerfall. Eine Mutter mit Hepatitis wollte niemand einstellen. Die Ärzte glaubten ihre Geschichte nicht. Eine Entschädigung blieb aus. Sie selbst war oft müde, schlapp, hatte einfach keine Kraft mehr. Ihr Mann ertrug die Krankheit lange – und dann nicht mehr. 1992 kam die Scheidung. „Wir sind Freunde geblieben“, sagt Schröter. „Bis heute.“
Allein kämpfte sie weiter, verbündete sich mit Gleichgesinnten. Im Jahr 2000 kam ein Gesetz, extra für diesen Arzneimittelskandal. Seitdem bekommt Schröter 295 Euro pro Monat als Entschädigung. Die Arbeitsunfähigkeit, unter der viele der Frauen wegen der Spätfolgen leiden, wurde nicht berücksichtigt. Auch nicht die fehlende Rente. Bis heute wehrt sich der Berliner Verein Anti-D HCV-Geschädigte gegen die Ungerechtigkeit und versucht, ein neues Gesetz zu erwirken. Schröter erging es besser. Sie hat ein glückliches Arbeitsumfeld am Tegernsee gefunden. Nur ihre Gmunder Wohnung muss sie aufgeben. Die Tochter der Vermieterin will hinein. Das versteht Schröter freilich. Nur findet sie für ihr geringes Gehalt wohl nur schwer Ersatz im Tegernseer Tal. Irgendwie geht damit die Leidensgeschichte Schröters weiter.
https://www.merkur.de/lokales/region-te ... 99607.htmlUnglaublich; aber leider wahr.