Arte, 23.02.2018, 20:15 UhrJan Josef Liefers, Julia Koschitz, Kit Hopkins, Hans Steinbichler. Fakten mit GefühlRainer Tittelbach
Das, was Wastl Kronach in „Gefangen – Der Fall K.“ in 90 Mminuten widerfährt, zeichnet einen Teil der jahrelangen Leidensgeschichte von Gustl Mollath nach, dem prominentesten deutschen Justizopfer der letzten Jahre. Es geht um einen Mann, der durch das Betreiben seiner Ex-Frau in die Mühlen von Politik & Justiz, von Bankwesen & Psychiatrie gerät. 2717 Tage verbrachte er in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Der Film von Hans Steinbichler schildert sachlich, aber durchaus mitfühlend eine Stunde lang die privaten und zum Teil skandalösen juristischen Vorgänge vor der Einweisung; im letzten Drittel in der Klinik beweist Steinbichler, dass er ein Filmemacher ist, der große Gefühle nicht scheut. Da ist die Besetzung nur logisch: Jan Josef Liefers nimmt den Zuschauer mit durch diese unglaubliche Geschichte, in der das Emotionale auch Mittel zum Zweck ist, einem möglichst großen Publikum die gesellschaftspolitischen Implikationen dieses Falls näherzubringen.
Zunehmend gezeichnet vom privaten Unglück: Jan Josef Liefers als Gustl KronachNach seinem Plädoyer für seine Zurechnungsfähigkeit und nach seiner Anklage von Justiz & Psychiatrie (Inspirationsquelle), zeigt Steinbichler noch einmal die, die den Skandal vorangetrieben und ermöglicht haben: die Ehefrau, die im Film nie aus der Innenperspektive gezeigt wird und von daher in etwa dem entspricht, was Gustl Mollath im Dokumentarfilm über sie sagt (sie gab die Initialzündung, sei aber nicht verantwortlich für das Fehlverhalten von Justitia und den Behörden); die Banker, die wider besseren Wissens geschwiegen haben; der Psychiatriechef seiner Anstalt, der ihn für seinen „Widerstand“ bestraft hat. Am Ende setzt Steinbichler ganz auf Liefers und die emotionale Kraft der Ruhe. Dem Film, der die meiste Zeit der Chronologie der vielfältigen realen Ereignisse gefolgt ist, tut die Klarheit an dieser Stelle gut. Vielleicht hätte der eine oder andere Strich vorher auch nicht geschadet. Bei Kronachs Rede (in die Kamera) irritiert es allerdings, dass die eindringlichen Worte von Klaviergeklimper untermalt werden: „Über sieben Brücken musst du geh’n“, mit diesem sentimentalen, gesamtdeutschen Lied scheint sich noch einmal die anvisierte Zielgruppe zu bestätigen. Als ob Steinbichler dem Schauspieler und seinem Text nicht vertraut hätte, dabei bringen Liefers Worte den Fall wirkungsvoll auf den Punkt, verbinden Fakten mit Gefühl.
Der Alptraum ist nach 2717 Tagen zuende. Ungebrochen verlässt Kronach (Liefers) die forensich-psychiatrische Klinik. Aus Apfelkernen hatte er sich ein Bäumchen gezogen. Bei Gustl Gustl Mollath war es eine Dattelpalme. Mein Freund der Baum.http://www.tittelbach.tv/programm/ferns ... -4887.htmlSchon im Terminkalender notiert.