Als Oberkellner in Leipzig kam Onkel Wolfgang zu DDR-Zeiten an reichlich Trinkgelder in D-Mark. Seinem Neffen Marko Schubert kaufte er davon Matchbox-Autos. Doch eines Tages verließ er Sachsen, und die ganze Familie hatte ein Problem.
Kinheitstraum: Marko Schubert mit seinem Bruder Benny, seinen Großeltern aus Leipzig und seinem Onkel Wolfgang mit Anne. Als Kind träumte Marko von einer Karriere als Kosmonaut.
Schon mit 14 mussten wir uns in der DDR auf einen Beruf festlegen. Mir war klar, dass diese Entscheidung mein gesamtes späteres Dasein bestimmen würde. Denn die Eltern lebten es vor: Schule - Beruf - Datsche - Rente - Gruft. In meiner Klasse sah ich nur ratlose Gesichter. Was konnten und wollten wir in diesem Land werden? Keine Ahnung. Die meisten nahmen mangels Alternativen die Stellenangebote des Staates an. Manche arbeiteten dann ihr ganzes Leben lang für die Nationale Volksarmee oder ein Ministerium.
Ich wollte jedoch selbst entscheiden, wohin die Reise ging. Der Traum, als Kosmonaut ins Weltall zu fliegen, zerschlug sich rasch, da ich bei jeder längeren Fahrt in unseren Trabi kotzte. Meine Lehrerin Frau Wagenbach gab mir den Rat, mich doch mal im Kreise der Familie nach Vorbildern umzuschauen.
Die Frauen kamen dabei nicht in Frage. Die sah ich immer nur schuften und den Haushalt schmeißen - das war ja kein Leben. Ich grenzte also unsere Familienmitglieder auf meinen Vater, Onkel Wolfgang und Opa Hans ein. Einem dieser drei wollte ich nacheifern.
Witz und Bauernschläue
In Berlin gab es wahrscheinlich keinen anderen Menschen, der mehr Witze erzählte als mein Vater. Zu jedem Stichwort, jeder Begebenheit oder jedem Ort fielen ihm spontan Anekdoten ein, die er dann vorzugsweise in großer Runde zum Besten gab. Er war ein gern gesehener Alleinunterhalter, etwa während FDGB-Urlauben.
Sein zweites Merkmal: Bauernschläue. Sobald es eine Aufgabe gab, auf die er keine Lust hatte, redete er so lange auf Leute ein oder stellte sich absichtlich extrem blöd an, bis sie die Sache genervt für ihn erledigten. Nachbarn und Arbeitskollegen reparierten ihm das Auto, brachten Lampen an oder bauten Schuppen.
Sicherlich hatte er auch viel Glück, doch seine Charakterzüge trugen erheblich dazu bei, dass er in seiner Karriere ohne Mühe weiterkam. Nach dem Sportstudium in Leipzig landete er beim Sportclub SC Dynamo Berlin, wo er als gut bezahlter Angestellter arbeitete. Später brachte er es bis zum Sektionsleiter Radsport, bekam eine schöne Neubauwohnung und obendrein noch eine tolle Familie.
Doch obwohl mein Vater überall uneingeschränkt im Mittelpunkt stand, konnte ich mit seiner Art, andere immer zum Lachen bringen zu wollen, nicht viel anfangen. Ein ernsthaftes Gespräch war mit ihm kaum möglich. Obwohl er als anerkannter Sportfunktionär gut verdiente, wollte ich nicht so werden wie er. Ich musste mir also ein anderes Vorbild suchen.
Mit der Vorbildsuche und 10 weiteren Fotos geht es hier weiter:
http://www.spiegel.de/einestages/jugend ... 83827.html