Am 22. Juni 1953 verurteilt das Bezirksgericht Halle in einem hanebüchenen Eilprozess Erna Dorn wegen "faschistischer und Kriegshetze" zum Tode. Sie habe Pläne unterstützt, "die Regierung der DDR zu stürzen bzw. in deren Gebiet eine Situation zu schaffen, die es den westlichen imperialistischen Mächten ermöglich hätte, bei uns in Deutschland mit einem neuen Korea und mit ihrem geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion sowie die Volksdemokratien zu beginnen". Berufung und Gnadengesuch werden abgelehnt. Am 1. Oktober 1953 stirbt Erna Dorn in Dresden unter dem Fallbeil. Ihr Abschiedsbrief liest sich erstaunlich gefasst, etwas wirr wie viele ihrer Äußerungen, auch gewollt nebulös. Ihr Ende stilisiert sie zum Opfertod. Schweigend habe sie viele bewahrt. "Ich werde eben für alle büßen." Ein Geheimnis soll sie umgeben, bis zum Schluss, und länger.
Was wir wissen können, haben die Historiker Jens Ebert und Insa Eschebach recherchiert; ihre Dokumentation erschien 1994 unter dem Titel Die Kommandeuse im Berliner Dietz Verlag. Demnach wurde Erna Dorn am 17. Juli 1911 als Erna Kaminski in Tilsit geboren. Ihr Vater, gab sie an, war kaufmännischer Angestellter; das habe auch sie gelernt. In den dreißiger Jahren habe der Vater Karriere bei der Gestapo gemacht und sei sogar zu deren Leiter in Königsberg aufgestiegen. Er habe sie gleichfalls zur Gestapo gezwungen, behauptete Erna Dorn bei ihrer Vernehmung am 21.Juni 1953. "Meine Mutter war dagegen, weil, wenn mein Vater nach Hause kam und von seinen begangenen Verbrechen erzählte, meine Mutter es mit der Angst bekommen hat, weil ihr derartige Unmenschlichkeiten gar nicht vorstellbar waren."
Häufig klingen die Dornschen Aussagen nach der Sprache ihrer Vernehmer. Dennoch ist dies eine ungewöhnliche Passage. Sonst äußert Erna Dorn durchaus kein Unrechtsbewusstsein bezüglich des Nazi-Regimes, sondern schildert, scheint es, unbekümmert ihre Taten. Sie habe als Assistentin im Gestapo-Ermittlungsdienst gearbeitet, "um solche Personen zu ermitteln, die gegen das faschistische System hetzten und Gerüchte verbreiteten". Diese seien dann verhaftet worden. Auch Haussuchungen habe sie durchgeführt. Der Vernehmer fragt: "Wieviel Personen haben Sie liquidiert, welche sich gegen das faschistische Gewaltregime zur Wehr setzten?" – "Es können ca.80–90 Personen gewesen sein."
Am Nachmittag dringen gegen 15.30 Uhr Demonstranten in den Vorhof des Polizeigebäudes ein. Nun werden aus den oberen Fenstern erst Warnschüsse, dann gezielte Schüsse abgefeuert. Die Demonstranten fliehen, zurück bleiben zwei Tote und mehrere Verletzte; Gerhard Dubielzig stirbt auf der Stelle an einem Kopfschuss.
"Das Ostpreußenblatt" hat geschrieben:Selbst ein aufmüpfiger Zeitgenosse wie Erich Loest, der 1956 für acht Jahre ins Zuchthaus gesteckt wurde, fiel als Konsequenz aus den Ereignissen nur eine aufgeklärt-nachsichtige Erziehungsdiktatur von Partei und Regierung ein.
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