Willkommen in „Little Vietnam“
Sommerrollen, Eistee mit Ingwer- und Limettengeschmack, Pho-Suppe, Reisnudeln mit knusprigem Gemüse und Koriander… Im Gegensatz zu anderen Großstädten wie Amsterdam ist es in Berlin sehr schwer, daran vorbei zu kommen. Während Amsterdam gerade einmal 16 vietnamesische Restaurants hat, besitzt Berlin 91. Aber warum ist die vietnamesische Küche in Berlin so weit verbreitet? Richtig geraten: die DDR.Wenn es um Immigranten geht, was derzeit ohnehin ein sehr brisantes Thema ist, war die DDR nicht unbedingt das Land, welches die Grenzen für jeden öffnete, der Asyl suchte. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Sozialistische und kommunistische Länder galten überall auf der Welt als verbrüdert. Was bedeutete, dass man versuchen würde, jeden mit allem in der Macht stehendem zu unterstützen. Andererseits bedeutete das aber nicht, dass jeder aus einem sozialistischen Land einfach in die DDR kommen konnte, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Es gab allerdings Gruppen, die im damaligen sozialistischen Deutschland sehr willkommen waren. Dazu zählten Bürger aus Mosambik, Kuba, Angola, China und natürlich auch Vietnam.
Vietnamesische Arbeiter in der DDR. Quelle: die-linke-weissenburg.de
Von der DDR bis nach VietnamBereits in den 1950er Jahren waren Studenten aus dem Norden Vietnams in die DDR eingeladen worden. Die Zahl vietnamesischer Studenten wuchs ab 1973 immer weiter, bis am Ende 10.000 Vietnamesen in DDR unterrichtet wurden. Die meisten der Studenten kamen aus gut situierten Häusern.
Ein Plattenbau in Vietnam. Quelle: stefan-loose.deWarum haben die Menschen ihr Land verlassen?
Bis 1989 lebten mehr als 100.000 Vietnamesen in der DDR. Egal, ob als Student oder Angestellter in einem Betrieb. Viele von ihnen waren Leiharbeiter in der Textilindustrie und rund 60.000 dieser Arbeiter lebten auch dauerhaft in der DDR.
Aber die Dinge änderten sich, als die Mauer fiel. Die Wirtschaft im Osten Deutschlands war schwach und Arbeitslosigkeit ein daraus folgendes, großes Problem. Die neue deutsche Regierung bat den in der ehemaligen DDR lebenden Vietnamesen an, ihre Rückreise „nach Hause“ zu bezahlen. Die meisten jedoch entschieden sich dafür, in Berlin, Rostock, Erfurt oder anderen ostdeutschen Städten zu bleiben. Zur selben Zeit gab es auch im Westen Deutschlands ca. 30.000 – 40.000 Vietnamesen. Zusammen brachte es Deutschland damals also auf ungefähr 100.000 Vietnamesen, die einen Platz in der „neuen“ deutschen Gesellschaft suchten und auch gewillt waren, sehr hart dafür zu arbeiten.
Eine Briefmarke aus der DDR. Quelle: kritische-massen.over-blog.de
Little Vietnam in BerlinIn den Jahren nach 1990 entschieden sich immer mehr Menschen, Vietnam zu verlassen und nach Deutschland zu kommen. Vietnam zählt zu den Top 10 Ländern, aus denen Menschen nach Deutschland ziehen. Derzeit bilden Vietnamesen die größte ostasiatische Gemeinschaft in Berlin und machen 1,16% der Stadtbevölkerung aus. Fast 13.000 Menschen wurden in Vietnam geboren und haben immer noch die vietnamesische Staatsbürgerschaft. 20.000 haben bereits die deutsche Staatsbürgerschaft oder wurden in Berlin geboren. Insgesamt leben fast 40.000 Vietnamesen in Berlin (die illegalen Immigranten nicht miteingerechnet), fast 10% davon wohnen in dem Berliner Bezirk Lichtenberg.
Viele Vietnamesen, die ihren Job in Ostdeutschland verloren haben, versuchten im Handel Fuß zu fassen. Und einer von ihnen ging sogar noch einen Schritt weiter: Mit dem ältesten Markt von Hanoi als Vorbild, gründete Nguyen van Hien das „Dong Xuan Center“ im Osten Berlins. Die Idee dahinter war, dass die Menschen nicht mehr nach Polen fahren müssten, um günstig für den Handel in Deutschland einzukaufen, sondern ihre Einkäufe komplett im Großhandel hier erledigen konnten. Über die Jahre wuchs das Dong Xuan Center in Berlin zu einer Art Epizentrum des vietnamesischen Lebensstils heran. In dem Großhandel gab es alle Arten asiatischer Speisen – bis hin zu kleinem Schnickschnack. Ebenso fand man aber auch Friseure und Nagelstudios; eben alles, was man als Vietnamese in Deutschland so braucht.
Und endlich! Die ersten vietnamesischen RestaurantsZur selben Zeit wurden die Vietnamesen zu der am besten integrierten Gruppe von Einwanderern in Deutschland ernannt – obwohl das schwer zu beweisen ist. Dank ihrer Bemühungen sich zu integrieren, waren sie für Jahre sozusagen unsichtbar. In den 1970er Jahren begannen einige Vietnamesen die ersten Restaurants zu eröffnen. Sie gaben allerdings an, dass es sich um chinesische, thailändische oder japanische Küche handle, denn sie dachten, dass sich niemand für die Küche ihres kleinen Landes interessieren würde. Damit lagen sie jedoch komplett falsch. Als um 2010 die ersten vietnamesischen Restaurants überall in Berlin eröffneten, stellte sich heraus, dass die Berliner die vietnamesische Küche liebten.
Das Restaurant Qua Phe. Quelle: expeditieaardbol.nlhttp://www.centralberlin.de/blog/willko ... m/?lang=de