Und so endete dann die Geschichte der ominösen Insel:
"Wir wollen unsere Insel zurück!"Jahre zogen ins Land. Gorbatschow läutete Glasnost und Perestroika ein, die friedliche Revolution überrollte die DDR und irgendwann sangen die Scorpions "Wind of Change" vor dem Brandenburger Tor.
Erst im Jahr 2001 stolperten Redakteure des Berliner Internetmagazins "Thema1" durch Zufall wieder über die Geschichte von der Honecker-Insel vor Kuba: "Ein Leser", sagte "Thema1"-Chefredakteur Marcel Henninger im Februar 2001 der "Welt", "fand auf dem Dachboden seiner Oma einen Zeitungsausschnitt, in dem über die Insel berichtet wurde und rief uns an." Die Redakteure schlussfolgerten: Hatte die Insel damals der DDR gehört, dann musste sie mit deren Zusammenbruch doch eigentlich nun zur BRD gehören! Und so meldeten sie am 12. Februar 2001: "17. Bundesland vor Kuba - Fidel schenkte uns eine Sonneninsel!" Euphorisch verbreiteten Redaktionen von der "taz" bis zur "Bild" die frohe Kunde weiter.
Doch die Ernüchterung kam bereits am folgenden Tag: Das Auswärtige Amt kommentierte, die Umbenennung im Jahr 1972 und die Übergabe der Karte seien ein rein "symbolischer Akt" gewesen und hätten absolut "nichts mit Besitzverhältnissen zu tun". Die Isla Ernesto Thaelmann gehöre nach wie vor Kuba.Matthias Kästner, ein Bankkaufmann aus Pirmasens, wollte sich damit nicht abfinden. Er fand: Wenn die geschichtsträchtige Insel nicht schon der BRD gehörte - dann musste man sie eben kaufen. Gemeinsam mit Freunden gründete er die "Initiative Ernst-Thälmann-Insel" und machten sich unter dem Slogan "Wir wollen unsere Insel zurück!" auf die Suche nach zahlungskräftigen Investoren. Von dem Umstand, dass Kuba in der Vergangenheit kapitalistische Invasoren eher mit Militärgewalt abgewehrt als ihnen bereitwillig Land verkauft hatte, ließen sie sich nicht beirren. Selbstbewusst erklärten sie auf ihrer Homepage: "Wenn der Preis stimmt, ist nichts unmöglich."
5 DM pro Quadratmeter Tropen-DDRFür rund 50 DM, so das Angebot der Initiative, konnte man die Option auf etwa 10 Quadratmeter der Insel erwerben. Auf diese Weise, so ihr Plan, würde man bei Verkauf aller Optionen auf die 30 Millionen DM kommen, die ihren Berechnungen nach erforderlich waren, um Kuba das Eiland zu entlocken. Sogar "Insel-Makler" wurden angeworben, die gegen Prämien Parzellen weiterverkaufen sollten. Mitinitiator Marcel Wiesinger träumte in der "taz" schon einem Ferienparadies für Ostalgie-Jünger - inklusive täglicher Strandgymnastik mit Erich-Honecker-Animateuren.
Aber der Erfolg blieb aus: Außer den Initiatoren war niemand bereit, in den Inselkauf zu investieren, für den es keinerlei Sicherheiten gab - außer dem vagen Versprechen der Initiative, beim Scheitern des Deals die angesammelten Millionen eben irgendeiner gemeinnützigen Organisation zu spenden ("Denkbar wäre beispielsweise die Unterstützung von Straßenkindern in Lateinamerika"). Und so geriet die "Isla Ernesto Thaelmann" erneut in Vergessenheit.
Reist man heute nach Kuba, um der "Honnie-Insel", wie sie einst spöttisch in der DDR genannt wurde, einen Besuch abzustatten, so prallt man an dem Schutzwall der kubanischen Behörden ab. Ohne amtliche Erlaubnis ist niemandem ein Besuch des kleinen Eilands gestattet, das mitten in einer militärischen Sperrzone liegt. Und eine amtliche Erlaubnis wird nicht erteilt.
Wer es trotzdem unter Bestechung einheimischer Fischer mit einem gecharterten Boot dorthin schafft, entdeckt den Grund: Der Hurrikan Mitch, der 1998 über Kuba fegte, hat den steinernen Ernst Thälmann aus seinem Fundament gerissen und umgestürzt. Nun steckt der gefeierte Märtyrer buchstäblich den Kopf in den Sand.>