Jena und Auerstedt
14. Oktober 1806
Vorgeschichte
Nach dem Preußen durch den Frieden von Basel 1795 aus dem Koalitionskrieg gegen Frankreich ausgeschieden war, betrieb es eine Neutralitätspolitik und geriet dadurch in eine außenpolitische Isolation. Als napoleonische Truppen 1805 durch preußisches Gebiet marschieren, folgt eine Mobilmachung, tritt aber nicht der Koalition Österreich-Rußland bei und trägt somit seinen Teil an der Niederlage bei Austerlitz.
Im Spätsommer des Jahres 1806 wurde es immer wahrscheinlicher, daß es zwischen Frankreich und Preußen zum Krieg kommen wird. Dem preußischen Heer stand ein Waffengang mit einer Armee bevor, die seit einem Dutzend von Jahren Sieg auf Sieg an ihre Fahnen geheftet hatte und die von einem genialen Strategen geführt wurde.
Die meisten der preußischen Offiziere sahen dem bevorstehenden Kampf mit dreister Siegeszuversicht entgegen. In der preußischen Armee machte das Schlagwort die Runde, die Franzosen seien »noch immer die alten Roßbacher« — eine Anspielung auf den glänzenden Sieg, den Friedrich der Große einst, am 5. November 1757, über eine französische Armee errungen hat. Insbesondere die großsprecherischen jungen Offiziere der Garde-Kavallerieregimenter Gensdarmes und Garde du Corps wissen sich vor Begeisterung nicht zu fassen. Jetzt stürzen sie zur französischen Botschaft Unter den Linden und wetzen dort an den Treppenstufen ihre Degen.
Doch auch die älteren und erfahrenen Offiziere sind sich überwiegend ihrer Sache sicher. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren französisches Militär gesehen. Und wer die Franzosen nicht selbst gesehen hat, der hat doch von ihnen gehört oder gelesen. Man weiß: die französischen Soldaten tragen das Haar nicht etwa ordnungsgemäß zum Zopf geflochten, sondern kommen mit wirrer Mähne daher. Die Uniformstücke hängen vielen von ihnen nachlässig am Leibe. Ihr Parademarsch nimmt sich neben dem dressurmäßigen Stechschritt der Potsdamer Wachtparade miserabel aus. Und die meisten der französischen Generale sind nicht einmal von Adel!
Äußerlich bot die preußische Armee auf ihren Paraden noch immer ein glanzvolles Bild, und ihre schweren Mängel blieben der Öffentlichkeit des In- und Auslandes verborgen. Einzelne sachkundige Beobachter innerhalb und außerhalb der Armee hatten sie aber genau erfaßt. Die Armee bestand zu einem reichlichen Drittel aus »ausländischen« Söldnern (die zumeist aus deutschen Territorien stammten), zu zwei Drittel aus kantonspflichtigen Inländern, worunter sich ein hoher Prozentsatz Polen befand. Dienstbetrieb, Strategie und Taktik waren ganz von dem Bestreben geprägt, die Soldaten an der Fahnenflucht zu hindern. Trotz aller Vorkehrungen desertierten jedoch allein von Oktober 1805 bis Februar 1806 9558 Soldaten. Nur mit Hilfe der Prügel- und anderer barbarischen Strafen konnte die Disziplin aufrechterhalten werden. Im Feld blieben die Bewegungen der Armee langsam und schwerfällig, da sie darauf angewiesen war, Verpflegung, Zelte usw. in einem riesigen Troß mitzuführen. Auch die Lineartaktik mußte notgedrungen für den weitaus größten Teil der Infanterie beibehalten werden. Ansätze zur Einführung zeitgemäßer Kampfformen gab es bei der leichten Infanterie — den 24 Füsilierbataillonen und insbesondere dem von Ludwig von Yorck befehligten Feldjägerregiment.
Bei der preußischen Infanterie gab es keine Einzelausbildung, sondern eine Art Massendressur. Mit großem Zeitaufwand —und viel Prügeln — wurden die Soldaten regelrecht dazu abgerichtet, taktmäßig wie Automaten zu laden und zu schießen und komplizierte taktische Bewegungen auszuführen. Das Jägerregiment — das von vielen Gamaschenknöpfen scheel angesehen wurde — fiel jedoch völlig aus dem Rahmen. Bei seiner Ausbildung wurde das Schwergewicht nicht auf das Exerzieren gelegt, sondern auf das Scheibenschießen, das sogenannte zerstreute Gefecht und die Geländeausnutzung.
Über das Offizierskorps der preußischen Armee von 1806 sagte der preußische General und Militärhistoriker Eduard von Höpfner später: »Die obere Leitung der Militärangelegenheiten war völlig ohne Geist. Die Führer waren des Krieges entwöhnt, in ihren Ansichten veraltet; die älteren Offiziere bis zu den Hauptleuten hinab mit wenigen Ausnahmen alt und gebrechlich.« Von den 281 Majoren der Infanterie waren 196 älter als 50 Jahre. Über das Vorwärtskommen entschieden in der Regel nicht Fähigkeiten und Verdienste, sondern das Dienstalter war ausschlaggebend. Der Anteil bürgerlicher Offiziere lag unter 10 Prozent. Die höchsten Kommandostellen blieben zumeist Prinzen und Fürsten vorbehalten.
Die Bewaffnung der Infanterie war sehr schlecht; wahrscheinlich die schlechteste in Europa. Die Gewehre waren lediglich zu einem dem Auge wohlgefälligen Tragen eingerichtet, ganz gerade und kurz geschaftet (sogenannte Kuhfüße), daher zum Zielen wenig geschickt. Man gab sich nebenbei aber auch alle Mühe, die Gewehre noch unbrauchbarer zu machen, als sie es bereits waren; alle Verbindungsteile wurden gelockert, um bei den Griffen einen hörbaren Schlag hervorzurufen ...« Die sprichwörtliche Knausrigkeit der preußischen Staatsorgane führte dazu, daß die Ausrüstung der Soldaten sich immer mehr verschlechterte. Die Infanteristen besaßen keine Mäntel, was sich dann in den kalten Oktobertagen des Jahres 1806 sehr nachteilig auswirken sollte.
Einsichtige Militärs wie Gebhard Leberecht von Blücher, Gerhard von Scharnhorst und Hermann von Boyen haften vor 1806 vorgeschlagen, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, die Prügelstrafe abzuschaffen und die starre Lineartaktik aufzulockern - alles vergebens. Die Siegeszuversicht, welche viele Militärs 1806 demonstrierten, resultierte auch daraus, daß sie sich noch nie mit Napoleon gemessen hatten. In den Jahren 1792 bis 1795, als Preußen sich mit Teilen seiner Armee an den Interventionskriegen gegen Frankreich beteiligte, machte das neue französische Militärwesen noch seine »Kinderkrankheiten« durch. Die preußischen Truppen ernteten damals keinen Lorbeer, wurden aber auch nie ernstlich geschlagen. Während der Schlacht von Valmy im Jahre 1792 verloren sie ganze 184 Mann, und die Kavallerie Blüchers operierte bis zuletzt sehr erfolgreich. Die Selbstsicherheit des preußischen Offizierskorps und das Renommee der Armee nach außen waren deshalb ungebrochen. Selbst Napoleon überschätzte bis 1806 die Kampfkraft der preußischen Armee stark. Insbesondere hielt er die preußische Kavallerie für sehr schlagkräftig. Er kannte sich in der Kriegsgeschichte aus und wußte, was die preußische Kavallerie in den Kriegen Friedrichs des Großen unter Generalen wie Friedrich Wilhelm von Seydlitz und Hans-Joachim von Ziethen geleistet hatte.
Die Kriege Friedrichs II. hatten Preußen zu einem gefürchteten Staat gemacht. Seitdem meinte man in Europa, die preußische Armee liege ständig auf der Lauer, um im geeigneten Augenblick die Nachbarländer mit Krieg zu überziehen. Im Jahrzehnt vor 1806 betrieb Preußen jedoch entgegen solchen Erwartungen eine Neutralitätspolitik, die schwächlich und nicht selten doppelzüngig war. König Friedrich Wilhelm III. ließ sich auf dem Felde der Außenpolitik willig von den Außenministern Christian August Heinrich Kurt Graf von Haugwitz (1792 bis 1804) und Karl August von Hardenberg (1804 bis 1806) und seinen Kabinettsräten Johann Wilhelm Lombard sowie Karl Friedrich von Beyme leiten.
Die regierenden Kreise Preußens waren im Jahre 1795 aus ganz pragmatischen Erwägungen heraus durch den Sonderfrieden von Basel aus jener antifranzösischen Front ausgeschert, welche England und die Mächte Kontinentaleuropas gebildet hatten. In erster Linie ging es Regierenden in Berlin um die Sicherung der riesigen polnischen Gebiete, welche sie in den Jahren 1793 und 1795 durch die zweite und dritte Teilung Polens erworben hatten. Das war ihnen wichtiger als der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich. Für die hart bedrängte französische Republik aber brachte das Ausscheren der Militärmacht Preußen eine merkliche Entlastung.
Haugwitz und seine Gesinnungsgenossen wurden in Preußen allgemein als »französische Partei« oder als »Franzosenfreunde« bezeichnet. Ihre Devise war, Preußen solle sich aus den Kriegen, die zwischen Frankreich und den gegnerischen Koalitionen im Gange waren, heraushalten. Es solle sich von beiden Seiten umwerben lassen und dabei kräftig abkassieren. Karl Freiherr vom und zum Stein, ein geschworener Feind der Haugwitzschen Schaukelpolitik, faßte sein Urteil über den Außenminister in die zwei Worte »charakterlos und faul«. Und er bemerkte grimmig und ahnungsvoll »Wir werden keinen Vorteil ziehen aus der Perfidie unserer Grundsätze, denn die Charakterlosigkeit unseres Benehmens macht uns zum Gegenstand allgemeiner Verachtung und allgemeinen Abscheus.«
quellen: preussenweb.de und Wiki
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