Jeans - Eine Blaupause für Freiheitsträume?Über die symbolische Kraft der Jeans in der DDR„Ich meine, Jeans sind eine Einstellung und keine Hosen.“ So tönte es im Sommer 1972 von zahlreichen DDR-Theaterbühnen. Edgar Wibeau, der widerspenstige Ausreißer aus Ulrich Plenzdorfs Stück „Die neuen Leiden des jungen W.“ wusste genau um die provokatorische Botschaft seiner Aussage. Und er scheute sich nicht, sie in Bezug auf den Symbolwert, den die Jeans in der DDR hatte, zu präzisieren:
„Natürlich Jeans! Oder kann sich einer ein Leben ohne Jeans vorstellen? Jeans sind die edelsten Hosen der Welt. Dafür verzichte ich doch auf die ganzen synthetischen Lappen aus der Jumo (Jumo = Jugendmode, Anm. d. Red.), die ewig tiffig aussehen. [...] Ich meine natürlich echte Jeans. Es gibt ja auch einen Haufen Plunder, der bloß so tut wie echte Jeans. Dafür lieber gar keine Hosen. Echte Jeans dürfen zum Beispiel keinen Reißverschluss haben vorn. Es gibt ja überhaupt nur eine Sorte echte Jeans. Wer echter Jeansträger ist, weiß, welche ich meine.“1
Das jugendliche Publikum auf den Rängen johlte bei dieser Schlüsselszene. Endlich fand jemand Worte für die Sehnsucht nach Abgrenzung von den Eltern, von den Lehrern, von der Welt der Angepassten, die nicht verstehen wollten, dass jemand nicht den für ihn vorgesehenen sozialistischen Lebensweg beschreiten wollte, sondern nach Abenteuern und nach Freiheit suchte.
Die Provokation hatte verschiedene Facetten und traf die staatlichen Entscheidungsträger ins Mark. Nicht nur, dass Edgar die DDR-Jeans-Produktionen aus der Jugendmode2 ablehnte und stattdessen das amerikanische Original der Levi’s und damit ein Konkurrenzprodukt des imperialistischen Klassenfeindes rühmte. Er erteilte auch den Versuchen sozialistischer Erziehungsinstanzen, die Jugend durch staatlich sanktionierte Alternativen von den Produkten der westlichen Popkultur fernzuhalten, eine zynische Absage.
Die ideologischen Hardliner saßen in einer Zwickmühle, schließlich hatte man – ermuntert durch Honeckers kulturliberalen Kurs auf dem VIII. Parteitag – das rebellische Stück durchgelassen. In der Spielzeit 1973/74 wurde es an 17 Bühnen der DDR gespielt und war damit der Theaterknüller der Saison. Jetzt half nur noch eine ironische Deutung. Wilhelm Girnus, der Chefredakteur von Sinn und Form, argumentierte mit einem zwanghaft vorgetragenen Selbstbewusstsein, dass sich nur echte Sozialisten an dieser Stelle amüsieren könnten, während den Kapitalisten das Lachen wohl im Halse stecken bliebe, „weil Lachen über Wibeau hier an dieser Stelle besagt: Der Sozialismus siegt.“3
Das jugendliche Publikum machte sich seinen eigenen Reim auf die Wibeauschen Botschaften. Bei einer Umfrage der FDJ-Studentenzeitung Forum unter Theaterbesuchern stellte sich heraus, dass 64 Prozent der Befragten mit Edgar befreundet sein wollten und 87 Prozent gaben Edgar Recht, wenn er sich darüber aufregte, dass „einer gleich ein Wüstling und Sittenstrolch sein sollte, weil er lange Haare hatte, keine Bügelfalten, nicht schon um fünf aufstand und sich nicht gleich mit Pumpenwasser kalt abseifte.“4
Klaus Loewe, Jahrgang 1950, hat das Stück damals im Deutschen Theater gesehen: „Als Dieter Mann auf der Bühne sagte: „Jeans sind eine Einstellung und keine Hosen“, dachte ich mir nur: „Das ist es! Genau das fühle ich auch! Bei Jeans dachte ich an Amerika, weites Land, Cowboys, Unabhängigkeit und Freiheit. Es war egal, wenn Jeans zerknitterten, sie waren sogar erst dann richtig schön.“Weiter geht es hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -61/06104/Dieses SED -Regime war so dämlich, dass es gar nicht bemerkte. dass es mit seiner Hetze gegen Jeans oder den Rock n Roll, sich die eigene Jugend zum Feind machte.