Der Gang nach Canossa

Deutschland im Mittelalter

Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 22. August 2015, 17:52

Ein König fleht um Gnade

Aus dem von Schluchten zerissenen, zur Poebene hin abfallenden Apennin erhebt sich zwischen Parma und Reggio, etwa 500 Meter über dem Tiefland der von einer Burg gekrönte Felsen von Canossa.
Bereits vor dem Jahre 950 befestigt, war diese Burg in den folgenden Jahrhunderten zu einer der stärksten Italiens ausgebaut worden. Sie war die Stammburg jenes Fürstengeschlechtes Canossa, als dessen Erbin die Markgräfin Mathilde von Tuszien über ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet im oberen Italien gehört.
Die Burg Canossa war der Ort, an dem sich in den Januartagen des Jahres 1077 dramatische Ereignisse abspielten, die das mittelalterliche Europa bewegten und die bis heute als sprichwörtliches Beispiel für Reue und Bußfertigkeit gelten.
Ende des Jahres 1076 hatte sich der deutsche König Heinrich IV. entschlossen, über die Alpen nach Italien zu ziehen.
Das war im allgemeinen nichts Ungewöhnliches. Das hatten seine Vorgänger seit dem 10. Jahrhundert wiederholt getan. Mit berittenem, prächtig ausgestattetem Gefolge waren sie an der Spitze mächtiger Heere mehrfach nach Italien gezogen.
könig_alpen.jpg

Bei diesem Zug nach Italien war alles anders. Mitten im bitterkalten Januar des Jahres 1077 zog König Heinrich IV. aus dem Geschlecht der Salier mit seiner Gemahlin Berta, seinem zweijährigem Söhnchen Konrad und kleinem Gefolge bei klirrendem Frost über die Alpen und nach kurzem Aufenthalt im Gebiet von Turin in die Lombardei. Und nach kurzer Rast, ging es weiter, südostwärts bis Canossa.
Die Burg war auch das Ziel von Papst Gregor VII., der von Mittelitalien kommend kurze Zeit vor dem deutschen König dort eintraf. Papst Gregor hatte Heinrich IV. im Jahre 1076 mit dem Bann belegt und ihn aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen. Dem deutschen König war es aus den verschiedensten Gründen nicht, als Gebannter zu leben und zu regieren. Daher wollte er Buße tun und den Papst veranlassen, den Bann von ihm zu nehmen.
Im Büßergewand und barfuß musste der 21-jährige König Ende Januar im Schnee drei Tage vor der Burg Canossa warten, bis der Papst ihn einließ und ihn freisprach. Als Vermittler zur Versöhnung traten unter anderen sein Taufpate Abt Hugo von Cluny und die Markgräfin Mathilde auf. Die Niederwerfung vor Gregor, Schuldbekenntnis, Absolution und Eucharistiefeier stellten die Gemeinschaft von Papst und König wieder her. Durch ein abschließendes gemeinsames Mahl zeigte man, dass man künftig friedlich und freundschaftlich miteinander umgehen wollte.
Woher nahm Papst Gregor VII. die Macht, einen Herrscher wie Heinrich IV. zu bestrafen? Warum belegte er den deutschen König mit dem Bann?

quelle: historische Hefte Nr.11 S. Epperlein Der Gang nach Canossa

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 23. August 2015, 14:53

Das Reichskirchensystem

Das ganze Mittelalter hindurch hatte die römisch-katholische Kirche außerordentlich große Bedeutung. Die Kirche verfügte in den meisten europäischen Ländern über riesigen Grundbesitz, den sie mit allen Mitteln zu mehren suchte. Die Kirche versprach aber auch die Vergebung der Sünden, Rettung vor dem Fegefeuer, Seligkeit im Jenseits. Die Furcht vor Hölle und Fegefeuer war allgegenwärtig in den Köpfen der Menschen im Mittelalter. Der Glaube an das Jüngste Gericht bestimmte ihr Denken und Handeln.
teufel.jpg

Der Teufel verschlingt einen Sünder

Auf vielfache Weise wurde die Kirche zum größten Grundbesitzer der europäischen Feudalgesellschaft, zu deren Festigung sie als Trägerin und Vermittlerin christlichen Glaubens, wesentlich beitrug.
Die deutschen Kaiser und Könige mussten ihre Position und Macht immer wieder gegen den nach Selbstständigkeit und eigener Macht strebenden Adel verteidigen. Zahlreiche Aufstände und Verschwörungen zeugen davon.
könig1.jpg

Kaiser Otto III. auf dem Thron, umgeben von weltlichen und geistlichen Würdenträgern

Das war auch bei Otto I. der Fall. Im Bestreben seine Königsmacht zu stärken setzte er - anknüpfend an karolingische Traditionen – deshalb auf die Kirche. So zog er vor allem Bischöfe und Äbte der großen Reichsklöster zur Erfüllung administrativer, militärischer, ökonomischer und kultureller Aufgaben heran. Er verknüpfte also geistliche und weltliche Funktionen indem er die Interessen von Königtum und Kirche in Übereinstimmung brachte.
Die Kirche brauchte einen starken König, um ihr umfangreiches Kirchengut gegen die Übergriffe des weltlichen Adels zu schützen und um Kirchendisziplin sowie die einheitliche Anwendung von Liturgie und Kirchenlehre durchzusetzen. Dafür hatten die Bischöfe und Reichsäbte Verwaltungsaufgaben und Kriegsdienste zu leisten. Weiterhin hatten sie eine wirtschaftliche Leistung zu erbringen, die vor allem darin bestand, den umherreisenden königlichen Hof zu beherbergen und zu versorgen. Zu diesem Zweck wurden die kirchlichen Grundherrschaften mit zahlreichen Gütern und Rechten ausgestattet, die ursprünglich dem König vorbehalten waren (z. B. Zoll-, Markt- und Münzrechte). Weiterhin wurden den Kirchen und Abteien mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit wichtige politische Herrschaftsrechte eingeräumt.

Die Kirche war somit eine wichtige Stütze königlicher Macht, was ihr selbst aber auch Macht verlieh, welche aber wiederum von einem starken König abhing. Das wird als Reichskirchensystem bezeichnet.

Am Hof Ottos gab es mit der königlichen Hofkapelle ein Organ, an dem, neben der Wahrnehmung anderer Aufgaben, auch Angehörige des Hochadels für den Reichsdienst ausgebildet wurden. Neu zu besetzende Bistümer wurden mit königstreuen Adligen besetzt, die dort zuvor ausgebildet wurden. Die Entscheidung über die Besetzung wurde also nicht vom Papst, sondern vom König getroffen.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 25. August 2015, 12:38

Das Reichskirchensystem
Part 2


Um über geistliche Würdenträger verfügen zu können, war es für den König wichtig, daß er nicht nur König, sondern auch Priester war, also über Weltliches und Geistliches gleichermaßen zu gebieten hatte.
aufgebot.jpg

Zu einem solchen "Priesterkönig" wurde der Herrcher durch die bei der Königskrönung nach alttestamentlichem Vorbild vollzogene Salbung.
krone.jpg

Krone aus dem Grabe Heinrichs III.

Der König wurde dabei wie ein Priester mit dem "Öl der Gnade des Heiligen Geistes" gesalbt. Die Königsweihe mit der Salbung sollte dem Herrscher eine sakrale Würde verleihen, die ihm deutlich von den übrigen Gläubigen abhob.
reichsapfel.jpg

Reichsapfel aus dem Grabe Heinrichs III.

Damit erhielt der König eine einem Priester ähnliche Stellung. Als solcher verfügte er über die Kirche und ihre Repräsentanten souverän. Seine Stimme gab bei der Investitur, der Einsetzung von Bischöfen und Erzbischöfen sowie Äbten der Reichsklöster, den Ausschlag.
Der Herrscher konnte entsprechend seinem staatspolitischen Interessen einen Kandidaten vorschlagen oder auch nominieren; dieser wurde dann in der Regel auch gewählt.
chronik.jpg

In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gebot vor allem Heinrich III. (1039-1056) souverän über Kirche und Papst. Diese Machtstellung wurde sehr deutlich, als Heinrich III. am 20. Dezember 1046 auf einer Kirchenversammlung in der italenischen Stadt Sutri drei sich befehdende Päpste absetzte und die Erhebung des Bischofs Suitger von Bamberg als Clemens II. zum Papst veranlaßte.
Am 25. Dezember ließ sich Heinrich III. von Papst Clemens II. zum Kaiser krönen.
Insgesamt schien die kaiserliche Machtstellung unerschütterlich zu sein. Doch der Schein trog. Fast 30 Jahre nach dem Triumph in Sutri wurde der Sohn des Kaisers Heinrich IV. gebannt und mußte Buße tun. Wie war es dazu gekommen?

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 28. August 2015, 11:35

Der junge König und seine Gegner

Anfang Oktober des Jahres 1056, so ist uns überliefert, hielt ein vornehmer, nach Italien zurückreisender Herr aus der Stadt Rom in einem Dorf unweit der Harzpfalz Bodfeld Mittagsruhe, bis ihn plötzlich lautes Wehklagen weckte.
Erschrocken fragte der Reisende nach den Gründen des Jammerns und Erfuhr, daß soeben die Nachricht vom Tode Kaiser Heinrichs III. eingetroffen sei. In gewisser Weise war diese Totenklage nicht nur traditionelle Zeremonie.
Man beklagte den Tod des Königs auch deshalb, weil sein Thronfolger noch nicht regierungsfähig war.

"Gott möge sich erbarmen und einen Fürsten einsetzen, welche Arm und Reich zu leiten verstehen. Denn in diesem unserem kleinem König können wir, o Schmerz, lange Zeit hindurch nichts von Herrschaftsübungen haben."

Solche Worte hörte man in Bodfeld und landauf, landab.
Und diese Besorgnis war berechtigt. Beim Tode Heinrichs III. war sein Sohn erst sechs Jahre alt. Da nach damaliger Rechtsauffassung ein König auch bei Minderjährigkeit zu regieren hatte, er selbst aber oft viele Jahre noch nicht fähig dazu war, übten faktisch zunächst diejenigen die königliche Herrschaft aus, die das Kind in ihrer Obhut hatten.
Das war beim Sohn Heinrichs III., Heinrich IV., dessen Mutter, Kaiserin Agnes, die mit einem Kreis von Beratern als Regentin fungierte. Sie war bemüht, das Reich innenpolitisch weiter zu festigen. Deshalb versuchte sie einerseits, die schon unter Heinrich III. eingeleitete, gegen den Hochadel, also gegen die Fürsten, gerichtete Politik fortzusetzen und vor allem aus unfreien Bevölkerungsschichten stammende Ministerialen zu begünstigen. Zum anderen sollten einflußreiche Fürsten durch Belehung mit Herzogtümern an das Königtum gebunden werden.
handstreich.jpg

So erhielt 1057 Rudolf von Rheinfelden, das Herzogtum Schwaben als Lehen, und 1061 wurde der Sachse Otto von Northeim mit dem Herzogtum Bayern und der schwäbische Graf Berthold von Zähringen mit Kärnten belohnt.
Das damit verfolgte Ziel, der Zentralgewalt ergebene Anhänger zu sichern, wurde, wie sich später zeigte, jedoch nicht erreicht. Gerade diese Herzöge leisteten am entschiedensten Widerstand, als Heinrich IV. versuchte ihre politische Macht zu beschneiden.
Die erste gewaltsame Reaktion des opponierenden Adels auf die Zentralisierungsbestrebungen der Kaiserin Agnes erfolgte bereits sechs Jahre nach dem Beginn ihrer Regentschaft.
Im Frühjahr 1062 führten einige mächtige Fürsten des Reiches, an ihrer Spitze der Erzbischof Anno von Köln einen entscheidenten Schlag:
Der zwölfjährige Heinrich wurde zusammen mit den Reichsinsignien aus der Pfalz Kaiserswerth entführt. Anno von Köln wurde, weil sich der unmündige König ja nun in seiner Obhut befand, anstelle der Agnes nun Regent des Reiches.
gisela.jpg

Nach dem Handstreich von Kaiserswerth gingen die Kämpfe der Mächtigen des Reiches untereinander um einen möglichst großen Anteil an der Macht im Reich weiter....

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon Sirius » 29. August 2015, 15:28

@Pentium, jetzt hast Du Dir bei diesem geschichtlichen Thema große Mühe gegeben, aber es scheint kaum jemanden zu interessieren, weil bisher niemand geantwortet hat. Schade, dass es scheinbar niemanden interessiert! Das Thema Investitur-Streit hatten wir in der Oberstufe in der 12. Klasse relativ ausführlich behandelt. Seit dem hatte ich mich mit dem Thema nicht mehr beschäftigt, was wohl auch daran liegt, dass mich das Mittelalter nie so sehr interessiert hat wie die Neuzeit ab dem 17. Jahrhundert. Vieles dürfte ich mittlerweile vergessen haben. Vor sieben Jahren lief im ZDF die mehrteilige Geschichtsdokumentation "Die Deutschen". In Teil 2 wurde der Investiturstreit behandelt. Das war das erste Mal seit meiner Schulzeit, dass ich mit dem Thema wieder einmal beschäftigt hatte, und einiges wieder aufgefrischt wurde.
Zuletzt geändert von Sirius am 29. August 2015, 16:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 29. August 2015, 15:53

Danke für das Lob @Sirius. Ist eben ein besonderes Thema.

mfg
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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon Volker Zottmann » 29. August 2015, 16:44

So ist es nicht @Sirius,
dass des @Pentiums Thema nicht interessiert. Mich schon. Nur bin ich auf dem Gebiet nicht so belesen, um Kommentare abzugeben. Da reicht eben das Mitlesen und das begleitende Googlen. [denken]

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 29. August 2015, 17:46

Der junge König und seine Gegner
Part 2


Als der Kölner Erzbischof Anno seinen Rivalen zu mächtig geworden war, versuchte man ihn vom königlichen Hof zu verdrängen.
Das gelang schließlich dem Erzbischof von Brehmen, Adalbert. Aber auch er konnte sich nicht lange halten. Seine Versuche, die Reichsklöster Korvey und Lorsch von Bremen abhängig zu machen, sowie seine rücksichtslose Politik gegen den Adel in Sachsen, führten 1066 zu seiner Entlassung durch Heinrich IV.
Daran, dass Adalbert von Bremen so schnell wieder gehen musste, hatten neben missgünstigen Fürsten sicher auch Ministeriale Anteil.
Seit dem Sturz Adalberts traten sie in der engsten Umgebung des Königs immer häufiger auf.
Sie wurden mit wichtigen Aufgaben betraut und bewährten sich als Verwalter des königlichen Grundbesitzes.
jugend.jpg

Diesen versuchte Heinrich IV. nachdem er Ostern 1065 für mündig erklärt worden war und nun die Herrschaft im Reich selbst ausübte, auszubauen.
Zentren des Königsgutes befanden sich am unteren Main, am Mittelrhein, im östlichen Sachsen und in Thüringen. Vor allem das Gebiet zwischen Werra und Elbe mit dem Harz als Mittelpunkt erwies sich für die Pläne des Königs als besonders geeignet, seine Herrschaft zu festigen.
In den zum Königsgut gehörenden Kerngebieten des Herzogtums Sachsen und des angrenzenden Thüringen gab es große Waldungen, aus denen durch Rodungen und Besiedlungen neue, dem König unmittelbare unterstehende Herrschaftskomplexe geschaffen werden konnten.
Außerdem befand sich hier beachtliches Königsgut aus dem Heinrich IV. Ministeriale mit Land ausstattete. Pfalzen, Reichsabteien und Burgen, wie etwa Quedlinburg, Goslar, Werla, Bodfeld und Sangerhausen, wurden zu Stützpunkten der königlichen Macht. Sie wurde vor allem durch den Burgenbau weiter gestärkt.
Neu angelegt wurden die Harzburg, die Heimburg und die Steinbergburg am Nordwestrand des Harzes, die Hasenburg und der Sachsenstein im südwestlichen Harzgebiet sowie die Spatenburg bei Sondershausen.
Heinrich besetzte sie vor allem mit Ministerialen, die aus Schwaben stammten. Heinrichs Leute gingen bei der Umsetzung ihres Auftrages nicht gerade zimperlich vor. Lampert aus dem Kloster Hersfeld, das sich auf die Seite der Gegner König Heinrich IV. gestellt hatte, malt in seiner Chronik ein Bild der Willkür und Gewalt: „Täglich machten sie Ausfälle und raubten alles, was sie in den Dörfern und auf den Feldern fanden, erhoben unerträglich hohe Abgaben und Steuern … und trieben oft, angeblich als Zehnt, ganze Herden weg. Die Landesbewohner selbst, darunter viele Hochgeborene und überaus Wohlhabende, zwangen sie, ihnen wie gemeine Hörige Dienste zu leisten … Wenn einer von ihnen wagte, über diese schmachvolle Behandlung aufzumucken, dann legte man ihn gleich in Ketten, als hätte er ein schweres Verbrechen gegen den König begangen.“
Der sächsische und thüringische Adel ereiferte sich vor allem deshalb, weil er durch den Burgenbau die Macht des Königs gestärkt wurde.
Neben dem Burgenbau war die Rückforderung von Königsgut, das sich der Adel in beträchtlichem Umfang angeeignet hatte, eine wichtige Möglichkeit für Heinrich im thüringisch-sächsischen Raum einen geschlossenen königlichen Herrschaftsraum zu schaffen.
Dieser sollte Heinrich IV. als wirksamer Rückhalt im Ringen mit den Fürsten dienen. Deren Unmut über die vom König zielstrebig betriebene Politik, die Position der Zentralgewalt zu stärken, wuchs ständig und es war nur eine Frage der Zeit, wann es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen den Fürsten und Heinrich IV. kommen würde.

quelle: dido

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 1. September 2015, 13:59

Aufstand in Sachsen

Lampert von Hersfeld berichtete, das am 29. Juni 1073 die sächsischen Großen zur Pfalz Goslar zogen, um dort auf die Missstände hinzuweisen und Besserung zu fordern. Heinrich IV. verweigerte sich dem Gespräch und floh vor dem anrückenden Heer der Sachsen auf die Harzburg. Die wurde von den sächsischen Aufständischen unter der Führung von Otto von Northeim und Bischof Burchard von Halberstadt belagert. König Heinrich IV. gelang in der Nacht auf den 10. August 1073 die Flucht. Die führte ihn zunächst nach Eschwege und weiter über Hersfeld nach Süddeutschland. Doch fand der König kaum noch Unterstützung bei den Fürsten des Reiches. Die waren nicht bereit, mit ihm gegen die Sachsen zu Felde zu ziehen.

Am 27. Januar 1074 stand Heinrich IV. mit einem kleinen Heer bei Hersfeld dem wesentlich größeren sächsischen Heer gegenüber. Doch die Kontrahenten scheuten die Schlacht. Heinrich sah seine Schwäche. Die sächsischen Führer wollten die Stellung ihres Bauernheers nicht stärken.

So wurden am 2. Februar 1074 in Gerstungen Friedensverhandlungen geführt. Die zerstrittenen Parteien erzielten eine Einigung. Das wichtigste Ergebnis war, dass Heinrich IV. seine Burgen am Harzrand schleifen ließ.

Zu diesen zu schleifenden Burgen gehörte auch die Harzburg. Doch Heinrich erreichte, dass die dortige Stiftskirche samt der Gräber mit Heinrichs verstorbenem Sohn und Bruder geschont werde.

Dies führte zur Empörung der bäuerlichen Bevölkerung um die Harzburg. Die rückte im März 1074 an und legte die Burg samt der Stiftskirche bis auf die Grundmauern nieder und schändete die königlichen Gräber. Das brachte Heinrich IV. einen entscheidenden Vorteil. Die Plünderung der Kirche und die Schändung der Gräber löste Empörung im ganzen Reich aus. Viele Fürsten stellten sich nun wieder auf Heinrichs Seite. Die sächsischen Fürsten wiesen jede Schuld von sich und boten die Wiederherstellung von Burg und Kirche auf ihre Kosten an.

Heinrich IV. wollte nun die Konfrontation. Er sammelte ein wesentlich größeres Heer und führte dies 1075 gen Sachsen. Auf der Seite des Königs kämpften u. a. Rudolf von Rheinfelden, Herzog Vratislav II. von Böhmen, Markgraf Ernst von Österreich, Herzog Dietrich II. von Lothringen, der Bischof von Bamberg und Graf Hermann II. von Gleiberg. Auf der Seite der sächsischen Großen standen neben Otto von Northeim und Bischof Burchard II. von Halberstadt: der Sachsenherzog Magnus aus dem Geschlecht der Billunger, Markgraf Lothar Udo II. der Nordmark, Gebhard von Süpplingenburg, Pfalzgraf Friedrich II. von Goseck und Graf Dietrich II. von Katlenburg

In der Schlacht bei Homburg an der Unstrut fügte Heinrich IV. am 9. Juni 1075 dem sächsischen Bauernheer eine vernichtende Niederlage zu. Danach zog er durch Sachsen und Thüringen und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Am 27. Oktober unterwarfen sich bei Spier die sächsischen Führer dem König. Heinrich hielt danach viele sächsische Große in Haft und zog ihre Lehen ein.
Damit hatte Heinrich IV. einen Sieg über die Adels und Fürstenopposition errungen. Doch diese gab sich noch längst nicht geschlagen und im Papsttum fand sie bald einen mächtigen Verbündeten.

quelle: dito
Gerd Althoff (Hrsg.): Heinrich IV.
suite101.de/article/
Die Sachsenkriege unter König Heinrich IV.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 6. September 2015, 15:08

Reform der Kirche

Noch einmal zurück in das Jahr 1046. Der damals von Heinrich III. eingesetzte Papst Clemens II. und seine Nachfolger, der im Dezember 1048 auf den "Stuhl Petri" erhobene Bischof von Toul, Papst Leo IX. waren Anhänger einer Reformbewegung.
Diese begann sich seit dem Ende des 10. Jahrhunderts und Anfang des 11. Jahrhunderts von Frankreich und Lothringen aus zu verbreiten und zielte darauf ab, das stark zurückgegangene Ansehen von Kirche und Klöstern wiederherzustellen.
hirsau.jpg

Wilhelm, Abt von Hirsau

Strenge Einhaltung der Klosterregel, Keuschheit, verbesserte Bewirtschaftung der Klostergüter waren einige der wichtigsten Forderungen der Mönche des lothringischen Klosters Gorze bei Metz, von dem die reformerischen Aktivitäten ausgingen. Diese Forderungen, die zu Beginn des 11. Jahrhunderst auch in das Rheingebiet, nach Bayern, Schwaben und Hessen getragen wurden, hatten die Unterstützung der deutschen Zentralgewalt.
Sie suchte das durch Reformen gehobene wirtschafliche Leistungsvermögen der Klöster für ihre Belange zu nutzen. Diese guten Beziehungen der deutschen Könige und Kaiser zu den Reformern verschlechterte sich jedoch in dem Maße, wie diese weitergehende Ziele verfolgten. Hier sind vor allem die Mönche des Klosters Cluny in Burgund zu nennen.
cluny.jpg

Kloster Cluny

Die Cluniazenser Reformrichtung war bestrebt die Klöster aus der Abhängigkeit von weltlichen Feudalgewalten herauszulösen und sie schließlich ganz davon zu befreien. Letztlich mußte sich der Stoß dieser Stoß dieser Reformrichtung auch gegen den deutschen König richten, der ja in der kaum beschränkten Verfügungsgewalt über geistliche Institutionen die wichtigste innenpolitische Stütze seiner Herrschaft erblickte.
abtei.jpg

Anders das Papsttum, es entwickelte die cluniazensischen Reformvorstellungen in seinem Interesse weiter um seine wirtschaftliche Position zu stärken und seine politische Stellung zu festigen und mehr Einfluss zu gewinnen.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 11. September 2015, 19:13

Drei Bücher gegen Simonisten...

Das war der Titel einer Schrift, die 1058 der einflußreiche Geistliche und radikale Reformanhänger Kardinal Humbert von Silva Candida vorlegte.

In seinem Werk „Drei Büchern gegen die Simonisten“ wendet sich Humbert scharf gegen die Simonie, (Als Simonie wird der Kauf oder Verkauf eines kirchlichen Amtes, von Pfründen, Sakramenten, Reliquien oder Ähnlichem bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem Investiturstreit im Mittelalter wurde der Begriff zeitweilig auf jede Vergabe eines kirchlichen Amtes durch einen Laien ausgedehnt, ob gegen Geld oder kostenlos) die seit 451 zwar verboten, in Humberts Zeit jedoch immer noch gang und gäbe war, wie der Kauf der Papstwürde Gregors VI. von Benedikt IX. zeigt.
Dem setzte Humbert einen neueren und deutlich erweiterten Simoniebegriff gegenüber, der jetzt nicht nur den Verkauf von Ämtern, sondern jegliche Laieninvestitur mit Ring und Stab umfasste. Auch damit wandte sich Humbert gegen die Gebräuche seiner Zeit, da die Laieninvestitur war seit dem 10. Jahrhundert aufgrund des germanischen Eigenkirchenrechts im gesamten Abendland verbreitet war und dort als Symbol für die Oberhoheit des Landesherren über die Kirche diente. Humbert verneinte die Gültigkeit der Weihe von Simonisten und damit auch die Gültigkeit von deren Sakramentenspendung und tritt so in Gegensatz zu Petrus Damiani, der die Weihen für gültig erklärt hatte. Theologisch stand er infolgedessen vor dem Problem, dass die Ordination kirchenrechtlich unwiederholbar ist, was von seinen Gegnern dann auch für Laieninvestitur gefordert wurde. Demgegenüber betonte Humbert, dass Simonie Häresie sei und da der Simonist nicht über den Heiligen Geist verfüge und ihn somit auch nicht spenden könne. Damit seien die Ordinationen durch Simonisten keine Ordinationen und spätere Weihen durch richtige Bischöfe keine Reordinationen. Mit dieser cyprianischen Sakramentstheologie stellte sich Humbert in das Gefolge von Augustinus. Auf der Synode von 1059 setzte er schließlich ein Verbot ein Amt von Laien anzunehmen für alle Kleriker durch und forderte alle Laien dazu auf gegen simonistische Priester Widerstand zu leisten. Die Ostersynode von 1060 bestätigte dieses Verbot nochmals.

quelle: Wiki

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 18. September 2015, 13:33

Das Papstwahldekret

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Zurückdrängung des Einflusses weltlicher Macht auf kirchliche Angelegenheiten wurde auf einer Synode getan, die am 13.April 1059 in Rom unter Papst Nicolaus II. zusammentraf.
In der Päpstlichen Bulle „In nomine Domini“ regelte Papst Nikolaus II. die Wahl der künftigen Päpste.
Mit dieser Bulle wurde das Wahlrecht zunächst an die Kardinalbischöfe übertragen, die niedriger rangierenden Kardinalpriester und Kardinaldiakone sollten nachträglich zustimmen. Der Kaiser und dessen Nachfolger erhielten das Bestätigungsrecht zugesprochen. Mit diesem als solchermaßen zu bezeichnenden konziliaren Dokument sollte der Wahl von Gegenpäpsten entgegen gesteuert werden. Deshalb wird auch, bei Zuwiderhandlung, die Exkommunikation angedroht.
Hatte Heinrich III. im Jahre 1046 noch souverän in die Geschicke des römischen Papsttums eingegriffen, so wurde nun lediglich davon gesprochen, man solle dem König die "schuldige Ehre" erweisen.
Was darunter zu verstehen war, wurde nicht gesagt. Praktisch wurde der Einfluß des Kaisers bei der Papstwahl auf ein Zustimmungsrecht beschränkt. Freiheit für
die Kirche von jeglicher weltlichen Feudalgewalt wurde immer mehr zum Schlachtruf, unter dem das Reformpapsttum seine Getreuen in den Kampf zu führen gedachte. Die Dinge trieben der Entscheidung zu, als mit Gregor VII. eine überragende Persönlichkeit an die Spitze der römischen Kirche trat.

quelle:
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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 25. September 2015, 15:05

Das Papsttum rüstet zum Kampf

Im Gefolge Papst Leos IX. war 1049 auch ein Mann nach Rom gekommen, der in den folgenden Jahrzehnten die künftigen Geschicke des Papsttums in tiefgreifender Weise beeinflußte.
Sein Name war Hildebrand. Dieser als Sohn eines Bauern in der Toskana geborene Geistliche wurde unter Papst Nicolaus 1059 Kardinal. Er wurde zu einem der einflußreichsten Akteure an der römischen Kurie, deren weitere ökonomische Stärkung, straffe Zentralisierung und politische Festigung er entschlossen vorantrieb. Im April 1073 wurde er von radikalen Reformanhängern als Gregor VII. zum Papst gewählt.
Auf dreifache Weise forcierte Gregor VII. die Zentralisierung der Kirche.
Hatten etwa bis Papst Leo IX. in den einzelnen Kirchenprovinzen von Erzbischöfen geleitete Synoden überwogen, so wurden nun die in Rom vor Ostern stattfindenten, vom Papst geleiteten sog. Fastensynoden zu einer bleibenden Einrichtung.
Die geistlichen Würdenträger aus den verschiedenen europäischen Ländern hatten hier zu erscheinen um päpstliche Weisungen entgegenzunehmen. Fanden Provinzialsynoden statt, so führten vom Papst eigens dafür eingesetzte Legaten den Vorsitz. Aktivitäten auf militärischem Gebiet runden das Bild ab. Auch hier konsoldidierte das Reformpapsttum seine Stellung.
dictatus.jpg

Dictatus Papae (Papstdekret) vom März 1075

Ganz wesentlich für die Stärkung des Reformpapsttums fiel schließlich ins Gewicht, daß es mit der von Kardinal Humbert erhobenen Forderung Ernst machte, den Widerstand des Volkes gegen Widersache der Kirche zu mobilisieren-
invest.jpg


eine Haltung, die im Gegensatz zu der bisherigen vom Papsttum verfolgten Politik stand, gegen die Obrigkeit keine Gewalt zuzulassen. Besonders deutlich kam dies am Beispiel Mailands zum Ausdruck. Als sich hier um die Mitte des 11. Jahrhunderts die Stadtbewohner gegen den kaiserlichen Erzbischof und den Teil des Klerus erhoben, der die Reformgrundsätze mißachtete, griff das Papsttum entschlossen ein.
pontifex.jpg

Pontifex als Beschützer der Kirche

1059 verbündete es sich mit der städtischen Opposition Mailands. Sechs Jahre später erhielt Erlembald, der Führer der "Pataria" wie sich dieser Bund der Oppositionellen nannte, von Alexander II. eine Petrusfahne und wurde damit Vasall Roms.
Aber nicht nur in der Stadt, sondern auch bei ländlichen Bevölkerung blieb der Appel des Reformpapsttums, unter der Losung "Freiheit und Reinheit der Kirche", nicht ungehört und nicht ohne Folgen.
So wurden zum Beispiel, die von verheirateten Priestern gweihten Hostien von den Gläubigen mit Füßen getreten...
Die Unvermeindlichkeit des Zusammenstoßes des Papsttums und des deutschen Königs resultierten aber nicht alleine aus dem Reichskirchensystem in Deutschland.
Vielmehr wurden die Spannungen durch die deutsche Italienpolitik, durch die Herrschaft des deutschen Königs über Bistümer in Ober und Mittelitalien entscheident verschärft.
Auf Eingriffe der deutschen Herrscher in Gebiete südlich der Alpen reagierte das Papsttum besonders empfindlich, so daß der Gegensatz zur deutschen Reichsgewalt schließlich unüberwindlich wurde.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 2. Oktober 2015, 13:09

Investitur der Bischöfe

Im Jahr 1075, nur zwei Jahre nach seiner Wahl, präsentierte Gregor VII. der erstaunten Christenheit sein Programm. Zusammengefasst in 27 Thesen sollte das so genannte "Dictatus Papae" ein neues Zeitalter im Verhältnis zwischen Kirche und Gläubigen einleiten.
Gregor vertrat in seinen Thesen radikale Standpunkte. Die Kirche sei unfehlbar, da sie von Gott selbst begründet worden sei. Der Stellvertreter Christi auf Erden sei nicht nur eine heilige Person, sondern habe durch sein Amt auch das Privileg zu richten, ohne einem Menschen darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Der Papst nehme zudem eine höhere Stellung ein als alle weltlichen Herrscher, weswegen er als einziger auch kaiserliche Insignien tragen dürfe.
Jede dieser Thesen war für sich genommen nichts revolutionär Neues. Aber zusammengenommen und von einem von seiner Sendung durchdrungenen Papst wie Gregor VII. vorgetragen, mussten sie auf die weltlichen Mächte bedrohlich wirken. Noch bedrohlicher war, dass Gregor alles tat, um seine Thesen Wirklichkeit werden zu lassen: unbeirrbar, kompromisslos und mit fanatischem Willen – was den italienischen Kirchenlehrer und Benediktinermönch veranlasste, den neuen Papst als "heiligen Satan" zu bezeichnen.
Kein Zweifel: aus der alten Reformforderung nach Freiheit von weltlicher Gewalt war nunmehr endgültig der Anspruch auf Vorrang der Kirche vor allen weltlichen Dingen geworden. Nur noch wenige Monate vergingen und es entluden sich die ständig gewachsenen Spannungen zwischen Gregor VII. und Heinrich IV.
Der Konflikt entzündete sich da, wo die Auffassungen am weitesten auseinander gingen: an der Investiturfrage.
bischof2.jpg

Investitur eines Bischofs. Überreichung des Stabes durch den König

Im Herbst 1075, nach der Niederwerfung des Sachsenaufstandes wandte sich Heinrich IV. erneut Italien zu. Hier, im Norden des Landes, in Mailand, setzte Heinrich einen neuen Erzbischof ein. Gleichzeitig ernannte der König in den etwa 100 Kilometer von Rom entfernt gelegenen Orten Fermo und Spoleto neue Bischöfe.
Aber genau das, Bischöfe einzusetzen, also Bistümer zu vergeben, hatte Gregor VII. im Februar 1075 dem König untersagt.
Am 8. Dezember 1075 sandte er Heinrich IV. einen Brief, der nichts anderes als ein Ultimatum war. In ihm wird der König hart dafür getadelt, dass er noch immer nicht die aus der Kirche ausgestoßenen Ratgeber aus seiner Umgebung entfernt habe. Ganz entschieden verbietet der Papst dann Heinrich, sich in irgendeiner Weise in die Angelegenheiten der Stadt Mailand einzumischen.
War schon der Wortlaut des Briefes drohend, so noch mehr die geheime Botschaft, die die Überbringer des Schreibens dem König mündlich zu übermitteln hatten.
siegel.jpg

Heinrich IV. auf seinem ersten Kaisersiegel. Umschrift: Heinricus D(ei) gr(atia) terciu Romanorum imperatur aug(ustus)

Sie sollten Heinrich IV. unmissverständlich klarmachen, dass er nicht die erhoffte Kaiserkrönung, sondern den Ausschluss aus der Kirche und die Absetzung zu erwarten habe, falls er sich nicht schleunigst dem päpstlichen Willen unterwerfe und Buße tue.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 11. Oktober 2015, 17:49

Kampfansage König Heinrich IV.
reich.jpg


Den Brief und die Drohung des Papstes erhielt Heinrich IV. am Neujahrstag 1076 in seiner Pfalz Goslar, wo man gerade den schwer erkämpften Sieg über die sächsischen Rebellen gefeiert hatte. Der König sah sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Gegenüber Gregor VII. konnte er zunächst auf die Unterstützung durch den deutschen Episkopat rechnen, hatte doch einer seiner namhaftesten Vertreter, der Bremer Erzbischof, in gekränktem Selbstgefühl den Papst "einen gefährlichen Menschen" genannt, der die Bischöfe schickaniere.
heinrichIV.jpg

Kaiser Heinrich IV.

Außerdem vernahm man am königlichen Hof gerüchteweise, daß am Weihnachtstag 1075 ein bewaffneter Haufen, von einem erklärten Feind Gregors geführt, den Papst in der Kirche Santa Maria Maggiore überfallen, mißhandelt, der Gewänder beraubt und in seine Gewalt gebracht hatte.
Selbst im Kardinalskollegium regte sich Widerstand.
Alles in allem schien die Lage für einen wirkungsvollen Gegenschlag Heinrichs IV. günstig zu sein. Er berief unverzüglich die Reichsversammlung und eine Synode nach Worms, an der 24 deutsche Bischöfe sowie je ein Bischof aus Italien und Burgund teilnahmen. Der lange angesammelte Groll der geistlichen Würdenträger über den päpstlichen Zentralismus brach nun offen hervor. In einem von den Bischöfen unterschriebenen Absagebrief, in dem der Papst bezeichnenderweise nicht mehr mit seinem offiziellen Titel, sondern als "Bruder Hildebrand" angesprochen wurde, wurden schwere Vorwürfe erhoben. Er wolle die bischöfliche Amtsgewalt untergraben, säe überall Zwietracht, bedrohe Frieden und Ordnung in der Kirche und habe unter Verletzung des Papstwahldekretes von 1059 den "Stuhl Petri" bestiegen. Daher können sie "Hildebrand" nicht länger als kirchlichen Oberhirten anerkennen und kündigten ihm den Gehorsam auf.
Der König selbst bezeichnete in einem ebenfalls an "Hildebrand" gerichteten und nach Rom geleiteten Schreiben Gregor VII. als "verderblichen Feind unseres Reiches", der den König seiner ererbten Würde berauben wolle und Italien seiner Herrschaft zu entfremden suche. Er habe den Episkopat geschädigt und schließlich gedroht, er wolle entweder sterben oder dem König Leben und Herrschaft nehmen. Daher schließe er, Heinrich IV., sich dem bischöflichen Urteil an, entsetze ihn aller Rechte des Papsttums und befehle ihm, abzutreten.
speyer.jpg

Der Kaiserdom zu Speyer

Indem der König den Inhalt dieses Briefes "Klerus und Volk von Rom" mitteilen ließ und sie zum Widerstand gegen den "Feind Hildebrand" aufrief, tat er einen ersten Schritt, um seiner Aufforderung an Gregor VII. zum Rücktritt die Tat folgen zu lassen.
Natürlich erhebt sich die Frage, ob die angesprochenen Römer überhaupt bereit waren, in der vom König gewünschten Richtung etwas zu unternehmen. Was aber sollte geschehen, wenn es nicht zu entsprechenden Aktionen kam, zu denen Heinrich IV. aufforderte?

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 25. Oktober 2015, 15:18

Papst Gregor VII. kontert

Es wurde sehr schnell offenkundig, dass sich die Hoffnungen und Erwartungen, die Heinrich IV. hegte, in keiner Weise erfüllten. Im Gegenteil: Als die Boten des Königs auf einer in Rom versammelten Synode den Brief Heinrichs überbrachten und dabei den Papst zuriefen, er, der "reißenden Wolf", möge einem würdigeren Nachfolger Platz machen, brach ein Tumult aus. Man griff zu den Waffen und die Gesandten Heinrichs konnten nur durch das persönliche Eingreifen des Papstes vor Schlimmeren bewahrt werden.

Die Stunde des Papstes war gekommen. In einem Gebet, das Gregor an den von ihm besonders verehrten Apostel Petrus richtete, wurde der König feierlich verdammt:

"Heiliger Petrus, Fürst der Apostel, neige zu mir, ich bitte Dich, gnädig Dein Ohr, und höre mich, Deinen Knecht, den Du von Kindheit an beschützt und bis auf diesen Tag aus der Hand der Ungerechten gerettet hast, die mich um Deinetwillen hassten und auch jetzt noch hassen. Du bist mein Zeuge, und meine Herrin, die Mutter Gottes, [...] mit allen Heiligen sind Zeugen, dass Deine heilige römische Kirche mich wider meinen Willen zu ihrer Leitung berufen hat und dass ich es nicht für einen Raub hielt, Deinen Stuhl zu besteigen. [...] Insbesondere ist mir an Deiner Statt übertragen und durch Deine Gnade von Gott die Macht gegeben, zu binden und zu lösen im Himmel und auf Erden. In dieser Zuversicht also und zur Ehre und zum Schutze Deiner Kirche untersage ich im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, kraft Deiner Macht und Gewalt, dem König Heinrich, Kaiser Heinrichs Sohn, der sich gegen Deine Kirche mit unerhörtem Hochmut erhoben hat, die Herrschaft über das gesamte Reich der Deutschen und Italiens und löse alle Christen von dem Bande des Eides, den sie ihm geleistet haben und noch leisten werden, und ich verbiete jedem, ihm als einem König zu dienen.

Denn es gebührt sich, dass der, welcher die Ehre Deiner Kirche zu verringern trachtet, selber die Ehre verliere, die er zu besitzen scheint. Und da er es verschmäht hat, wie ein Christ zu gehorchen, und nicht zurückgekehrt ist zu Gott, den er verlassen hat, indem er mit Gebannten verkehrt, vielerlei Bosheit begeht und meine Ermahnungen, die ich um seines Heils willen an ihn gerichtet habe [...], verachtet, und er sich selbst von Deiner Kirche losreißt, indem er sie zu spalten trachtet, so binde ich ihn an Deiner Statt mit dem Bande des Fluches: Und so binde ich ihn im Vertrauen auf Dich, dass alle Völker es wissen und erkennen, dass Du Petrus bist und dass auf Deinen Felsen der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gebaut hat. [...]

Zugleich wandte sich der Papst in einem Brief an alle Gläubigen, in dem er von schweren Unrecht spricht, das dem Heiligen Stuhl zugefügt worden sei. Alle werden aufgefordert, mitzutrauern und zu beten, dass die Feinde bekehrt oder vernichtet würden. Erneut wird die Bannung des Königs und die Entbindung seiner Untergebenen vom Treueid bekanntgemacht.

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 5. November 2015, 17:57

Falscher Mönch-steig herab!

Heinrich IV. erfuhr von dem, was auf der römischen Synode geschehen war, in Utrecht, wo er 1076 das Osterfest feierte. Der König nahm persönlich in demonstrativer Missachtung seiner Exkommunikation in vollem Königsornat am Gottesdienst teil. Sogleich ließ er eine ausführlichere, effektvollere Fassung des von der Synode in Worms im Jahre 1076 verabschiedeten Schreibens unter dem deutschen Klerus kursieren, das an „Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern den falschen Mönch“ adressiert war.

Absetzungsbrief Heinrichs IV. an Gregor VII. – März 1077
Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes weise Verordnung König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch. Solchen Gruß hast Du verdient zu Deiner Schmach, der Du keinen Stand der Kirche geschont, sondern alle dem Schimpf anstatt der Ehre, des Fluches anstatt des Segens teilhaftig gemacht hast. Denn, um von vielem nur weniges [...] anzuführen, die Vorsteher der heiligen Kirche, die Erzbischöfe, Bischöfe, Priester [...] hast Du wie Knechte [...] mit Füßen getreten. [...] Deine Kenntnisse hast Du nicht zum Aufbau, sondern zur Zerstörung anzuwenden getrachtet [...] Wir haben dies alles geduldet, weil wir die Ehre des Apostolischen Stuhles zu wahren suchten. Du aber hieltest unsere Demut für Furcht und scheutest Dich deshalb nicht, Dich auch gegen die königliche Gewalt selbst [...] zu erheben und wagtest, die Drohungen auszustoßen, sie uns zu nehmen, wie wenn wir das Reich von Dir empfangen hätten und die Königs- und Kaiserkrone in Deiner und nicht in Gottes Hand wäre. Unser Herr Jesus Christus hat uns zur Königsherrschaft, Dich aber nicht zum Priestertum berufen. [...] Durch List hast Du Dir Geld erworben, durch Geld Gunst und durch Gunst die Gewalt der Waffen. Damit hast Du Dich dann dem Sitz des Friedens genaht und den Frieden vertrieben. [...] Weil Du Gott nicht fürchtest, entehrst Du auch mich, den von ihm Eingesetzten. [...] Darum hat auch der heilige Paulus da, wo er den himmlischen Engel nicht schonte, wenn er anders predigen würde, auch Dich nicht ausgenommen, der Du auf Erden anders lehrtest. Denn er spricht: »Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben, er sei verflucht!« Du also, verdammt durch diesen Fluch und durch aller unserer Bischöfe und unsern eigenen Spruch, steige herab, verlass den Apostolischen Stuhl! Den Thron des heiligen Petrus besteige ein anderer, der nicht Gewalt durch frommes Tun verhülle, sondern die reine Lehre des heiligen Petrus verkünde. Denn ich, Heinrich, von Gottes Gnaden König, und alle meine Bischöfe, wir sprechen zu Dir: Steige herab, steige herab, Du ewig zu Verdammender!

absage.jpg

Absagebrief Heinrichs IV. an Papst Gregor VII. im Winter des Jahres 1077

Mit diesen starken Worten war freilich eine mit der Absetzung und Bannung Heinrichs IV. einsetzende Entwicklung nicht mehr aufzuhalten, die schließlich zum allgemeinen Abfall vom König hinführte.
Der König selbst zählte in Worms zwar auf die Unterstützung seiner Bischöfe, wollte aber ganz sicher gehen und veranlasste jeden, die gefassten Beschlüsse eigenhändig zu unterschreiben. Aber hier versuchte mancher noch ein Hintertürchen offen zu halten. Auch der Papst baute goldene Brücken für die Geistlichkeit, indem er ihnen Straffreiheit in Aussicht stellte, wenn sie versicherten, unter Druck gehandelt zu haben, und wenn sie bis Juni 1076 Buße taten.
krone.jpg

Krone aus dem Grab Heinrichs IV. im Dom zu Speyer

In das weitere Geschehen griffen nun entscheidend die Fürsten ein. Namentlich die sächsischen Großen, die sich ein Jahr vorher, 1075, nur widerwillig dem König gebeugt hatten und nun die Stunde der Vergeltung für gekommen hielten, riefen nun zur Erhebung gegen Heinrich IV. auf.
An der Spitze der Aufständischen trat Otto von Northeim. Mit ihnen knüpften auch die süddeutschen Herzöge Verbindungen an. Einer von ihnen Heinrichs Schwager, der Herzog Rudolf von Schwaben, trat an die Spitze der antiköniglichen Opposition. Sie war entschlossen, sich mehr Einfluss auf die Regierung im Reich zu verschaffen.
thron31.jpg

Kaiserthron Heinrichs IV. in Goslar

Es bot sich also den Fürsten geradezu an, als Vollstrecker des päpstlichen Urteilsspruches aufzutreten, nachdem der gebannte König jedes Recht auf Herrschaft verloren hatte.
Schon wurde davon gesprochen, dass ein neuer und besserer König gewählt werden müsse. Im September 1076 kamen in Ulm in Anwesenheit zweier päpstlicher Legaten die Herzöge Rudolf von Schwaben, Welf von Bayern und Berthold von Kärnten sowie der aus seiner Stadt vertriebene Bischof Adalbert von Worms und Bischof Adalbero von Würzburg zusammen. Sie beschlossen, für den Oktober eine Fürstenversammlung nach Tribur einzuberufen, auf der über alle anstehenden Fragen verhandelt werden sollte.

dom 32.jpg

Dom zu Speyer
Im Jahre 1061 Einweihung des 1030 begonnen Doms. Nach dem Sieg über den Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden im Jahre 1080 läßt Heinrich IV. den Dom umbauen - das Mittelschiff erhält ein steinernes Gewölbe und einen Repräsentationsraum für Reichsversammlungen. Das ist ein Ausdruck der gewachsenen Macht des Kaisers. Neben den Domen zu Worms und Mainz ist dieser Dom der größte deutsche romanische Kaiserdom.
Im Dom befinden sich auch die Grabstätten der salischen Herrscher (Konrad II., 1024 - 1039; Heinrich III., Heinrich IV, und Heinrich V. 1106 - 1125)

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon Spartacus » 5. November 2015, 19:22

Erfundenes Mittelalter?

Die These des Erfundenen Mittelalters (auch Phantomzeit-Theorie) besagt, dass etwa 300 Jahre, beginnend mit dem 7. Jahrhundert, erfunden wurden. So soll auf das Jahr 614 das Jahr 911 gefolgt sein.

Heribert Illig stellte 1991 die These auf, man könne mit der Entfernung angeblich erfundener Jahre die Chronologie des Mittelalters korrigieren. Hans-Ulrich Niemitz, der sich dieser Vorstellung anschloss, nannte den Zeitraum dann Phantomzeit, weil das Fränkische Reich nach Chlodwig I. ein Produkt der Fantasie oder der Täuschung gewesen sei. Insbesondere hätten laut dieser These Personen wie Karl der Große und die anderen Karolinger vor Karl III. dem Einfältigen entweder überhaupt nicht existiert, oder sie seien vor 614 beziehungsweise nach 911 einzuordnen.


Von Geschichtswissenschaftlern und Mediävisten wird diese These als völlig verfehlt angesehen und zurückgewiesen.


https://de.wikipedia.org/wiki/Erfundenes_Mittelalter

Zurückgewiesen schon, nur widerlegen können sie die Autoren nicht!

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 5. November 2015, 19:31

Spartacus hat geschrieben:Erfundenes Mittelalter?



Zurückgewiesen schon, nur widerlegen können sie die Autoren nicht!

So nun kannst du weitermachen Pentium [hallo]

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Danke Sparta. Nur was hat die These vom erfundenen Mittelalter mit dem Gang nach Canossa zu tun? Und widerlegen, man kann ja den Versuch starten in einem Extrathread...oder dort darüber diskutieren

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Re: Der Gang nach Canossa

Beitragvon pentium » 15. Dezember 2015, 16:10

Die Tage von Tibur

Die Tage von Tibur kamen.
Heinrich IV. lagerte mit kleinem Heer in seiner am anderen Rheinufer gelegenen Pfalz Oppenheim. Wie sehr hatte sich seit Beginn des Jahres 1076, seit der Synode zu Worms für ihn die Lage verändert. Damals, im Hochgefühl des eben über die Fürsten erfochtenen Sieges, an der Spitze einer machtvollen Reichsversammlung Richter über den Papst, voller Hoffnung auf die Kaiserkrone – und nun?
Die Fürsten rebellisch, seine treuesten Anhänger aus geistlichen Kreisen abtrünnig, der Erzbischof von Mainz, der mächtigste Kirchenfürst in Deutschland, in Worms noch tonangebend, jetzt bereit seinen Frieden mit dem Heiligen Vater zu machen.
Und zur selben Zeit trat der Papst durch Sendboten in Kontakt mit der für Heinrich immer gefährlicher werdenden Oppositionsbewegung, die auch von sich aus mit der Kurie in Verbindung zu treten begann.

Der König musste rasch handeln und geschickt vorgehen, um zu retten, was noch zu retten war. Ihm blieb in dieser schwierigen Lage nichts anderes übrig, als durch Konzessionen und Versprechungen das Schlimmste – die Wahl eines anderen Königs – abzuwenden.
Ein Entschuldigungsschreiben, mit reuevollen Worten und Eingeständnissen und dem Versprechen Buße zu tun, wurde verfasst und den päpstlichen Legaten, die in Tribur vertreten waren, mit nach Rom gegeben.
Die Fürsten räumten auf der Reichsversammlung von Trebur im Oktober 1076 König Heinrich die damals übliche Frist von einem Jahr und einem Tag ein, um sich vom Bannspruch des Papstes zu lösen. Bis zum 2. Februar 1077 (nach einer anderen Quelle schon am 6. Januar) sollte Heinrich sich vom Bann befreien und sich in Augsburg dem Urteil des Papstes unterwerfen.

Bischof Benno von Osnabrück als einer der 26 Bischöfe, die ein Jahr zuvor den Absetzungsbrief an Papst Gregor mit unterzeichneten, bewies als Mann des Ausgleichs sein diplomatisches Geschick, indem er Heinrich den Rat zum "Gang nach Canossa" gab.
Diese dramatische Entwicklung veranlasste Heinrich IV. die Alpenüberquerung des Papst Gregor VII. zu verhindern, um noch in Italien mit ihm eine Versöhnung herbei zu führen. Auf weIche Art auch immer.

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