Der Fall Rudi Arnstadt – Eine Geschichte des Kalten Krieges

Die innerdeutsche Grenze. Alles was in das Thema Grenze, Grenztruppen, BGS, Zoll, Fluchten, Teilung, Leben im Sperrgebiet, usw.

Der Fall Rudi Arnstadt – Eine Geschichte des Kalten Krieges

Beitragvon Nonkonform » 25. November 2010, 23:16

Das letzte Opfer des Kalten Krieges?

Zum 48. Mal jährte sich im August ein Tag, der zur beklemmenden Realität der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze gehört: Am 14. August 1962 kam es bei Rasdorf (Kreis Fulda) an der Zonengrenze zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der Nationalen Volksarmee (NVA). Damals kam der junge NVA-Hauptmann Rudi Arnstadt ums Leben. Sein Tod sollte 36 Jahre später Auslöser für Gerüchte und Spekulationen im Fall eines mysteriösen Mordes an einem Taxifahrer werden.

RASDORF. Es ist der 14. August 1962: Zwischen dem hessischen Rasdorf-Setzelbach und Wiesenfeld in Thüringen bauen 200 DDR-Soldaten einen stabilen Grenzzaun. Plötzlich und ohne Vorwarnung - so heißt es später - schießt ein DDR-Offizier in Richtung Westen. Der BGS-Beamte Hans Plüschke, der sich zusammen mit einem Offizier auf Inspektionsgang befindet, schießt zurück und trifft seinen Angreifer Rudi Arnstadt oberhalb des rechten Auges tödlich.

Der 23-jährige Plüschke handelt in Notwehr und rettet sich und dem vorausgehenden Offizier so das Leben, heißt es im Westen. Die DDR sieht das anders: Rudi Arnstadt habe das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik verteidigt - er wird zum Volkshelden stilisiert, Plüschke in Abwesenheit von der DDR-Justiz zu 25 Jahren Zuchthaus wegen Mordes verurteilt. Mehrere öffentliche Einrichtungen erhielten Arnstadts Namen.

Auf den Internetseiten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wird noch heute dem "Opfer" Arnstadt gedacht, "von einem betrunkenen BGS-Hauptmann feige und vorsätzlich erschossen", heißt es auf der Homepage eines Unbekannten, der an "gefallene Grenzer" erinnert. Acht Jahre nach dem Vorfall an der Zonengrenze scheidet Plüschke aus dem Dienst beim BGS aus und baut später ein Taxiunternehmen im osthessischen Hünfeld auf. Aus Angst vor einem Racheakt der DDR-Staatssicherheit für den Tod Arnstadts trägt der fünffache Vater Plüschke eine Waffe bei sich.

Seine Furcht steigert sich, als die Mauer fällt: "Ich hatte immer die meiste Angst davor, dass die meine Kinder entführen, um mich unter Druck zu setzen, damit ich mich stelle", sagt Plüschke 1997 in einem Fernseh-Interview zum 35. Jahrestag des Schusses auf Arnstadt. Es sei ein komisches Gefühl wenn man gesagt bekomme, man habe einen Menschen getötet. "Ich bin ein Opfer des Kalten Krieges geworden", meint der damals 58-Jährige.

Knapp ein Jahr später, am 15. März 1998, fällt gegen vier Uhr morgens auf der Bundesstraße 84 zwischen Hünfeld und Rasdorf ein Schuss. Ein Autofahrer findet Hans Plüschke ermordet auf der Straße liegend, 70 Meter von seinem Wagen entfernt. Der tödliche Schuss traf den 59-Jährigen über dem rechten Auge - wie bei Rudi Arnstadt. "Hingerichtet mit einem Schuss ins Gesicht", schrieb damals die Fuldaer Zeitung nach dem Mord. Von dem oder den Tätern keine Spur.

Fragen und Spekulationen in Osthessen. Die Geldtasche des Opfers Plüschke fehlt nicht. Es war also kein Raubmord. Oder wurde der Täter noch vor dem Raub von Zeugen gestört und konnte das Geld deshalb nicht mitnehmen? Handelt es sich doch um den späten Rachefeldzug der Stasi oder eines Angehörigen der Familie Arnstadt? Damals wie heute sieht die Polizei, trotz der Übereinstimmung der Todesart bei Arnstadt und Plüschke, keinen Zusammenhang zwischen dem Tod des 59-Jährigen und dem lange zurückliegenden todbringenden Schuss an der Grenze.

Gerüchte, nach denen Plüschke Morddrohungen erhalten haben soll, bestätigten sich nach Angaben des Leiters der Sonderkommission, Eduard Hampl, nicht. "Wenn es ein Rachefeldzug war, woher wusste dann der Täter, dass Plüschke sich in seinem Taxi um vier Uhr morgens an dieser Stelle der B 84 befand", fragt der inzwischen pensionierte Kriminalhauptkommissar.

Eine wichtige Spur war ein etwa 35-jähriger Mann, der in der Nacht am Tatort als Anhalter versucht haben soll, Autos zu stoppen. Es könnte ein wichtiger Zeuge oder auch ein Tatverdächtiger gewesen sein, sagt Hampl. Bis heute hat sich dieser mysteriöse Mann nicht gemeldet.

Zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung gaben keine Aufschlüsse. Ebenfalls keine Erkenntnisse brachte der Sohn von Rudi Arnstadt: Gegen Plüschke hege er keine Rachegelüste, soll er bei einer Vernehmung ausgesagt haben. Die Sonderkommission wurde im Sommer 1998 aufgelöst. Zum aktuellen Stand der Dinge sagte Polizeipressesprecher Martin Schäfer: "Die Akte ist geschlossen, bis es neue weiterbringende Erkenntnisse gibt."

aus : FR


NK
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon manudave » 26. November 2010, 08:40

http://blickpunkt.zdf.de/ZDFde/inhalt/2 ... 83,00.html

In diesem Video wird der Fall kurz behandelt.

Da der Vorfall direkt am Rande meiner Heimatortschaft passierte, kenne/kannte ich verschieden Zeugen von damals.
Allerdings muss man deutlich sagen, dass bis heute kein Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen festgestellt wurde.

Aber nur mal was dazu:

"Wenn es ein Rachefeldzug war, woher wusste dann der Täter, dass Plüschke sich in seinem Taxi um vier Uhr morgens an dieser Stelle der B 84 befand",

Hans Plüschke holte am besagten Morgen einen Fahrgast in der Nähe der Hünfelder Discothek "Konfetti" ab. Dieser wurde später nicht mehr ausfindig gemacht. D.H. er könnte der Mörder oder ein Komplize sein. Wundert mich, dass Hampl das nicht erwähn.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon karl143 » 26. November 2010, 09:03

Nonkonform hat geschrieben: zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der Nationalen Volksarmee (NVA).


Hallo Nonkonform,
wo hast du denn diesen Text her?
karl143
 

Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thomas 1948 » 26. November 2010, 14:23

Unsere Schule erhielt bei einem Fahnenappell den Ehrennamen ,,Rudi Arnstadt,, mit einem Denkmal von diesem Helden,der von einem westdeutschen
Söldner erschossen wurde.Mehr erfuhr der Schüler und Lehrer nicht.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Nonkonform » 26. November 2010, 21:44

manudave hat geschrieben:Wundert mich, dass Hampl das nicht erwähn.

Vielleicht sollen manche Sachverhalte nicht so genau ausgeleuchtet werden,warum auch immer.

@Karl143

Ach so, Soldaten des BGS Bild , der Text stammt wie angegben aus der FR und wurde von einer Zivilistin verfasst, für die ist alles was eine Waffe und eine Uniform trägt halt ein Soldat. [wink]

Obwohl, wenn man sich mit den Anfängen des BGS befaßt, ist der Begriff "Soldat" nicht ganz falsch. Aber das ist eine andere Geschichte.



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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Icke46 » 26. November 2010, 22:02

Um es ausführlich zu machen:

Frankfurter Rundschau vom 09.08.2002, von Karoline Rübsam

Zitat von stasiopfer.de

Gruss

icke
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 26. November 2010, 22:23

Nonkonform hat geschrieben:
manudave hat geschrieben:Wundert mich, dass Hampl das nicht erwähn.

Vielleicht sollen manche Sachverhalte nicht so genau ausgeleuchtet werden,warum auch immer.

@Karl143

Ach so, Soldaten des BGS Bild , der Text stammt wie angegben aus der FR und wurde von einer Zivilistin verfasst, für die ist alles was eine Waffe und eine Uniform trägt halt ein Soldat. [wink]

Obwohl, wenn man sich mit den Anfängen des BGS befaßt, ist der Begriff "Soldat" nicht ganz falsch. Aber das ist eine andere Geschichte.



NK



Der Begriff im Bezug auf den BGS war schon von Anfang an falsch.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon karl143 » 26. November 2010, 22:23

Nonkonform hat geschrieben:
manudave hat geschrieben:Wundert mich, dass Hampl das nicht erwähn.

Vielleicht sollen manche Sachverhalte nicht so genau ausgeleuchtet werden,warum auch immer.

@Karl143

Ach so, Soldaten des BGS Bild , der Text stammt wie angegben aus der FR und wurde von einer Zivilistin verfasst, für die ist alles was eine Waffe und eine Uniform trägt halt ein Soldat. [wink]

Obwohl, wenn man sich mit den Anfängen des BGS befaßt, ist der Begriff "Soldat" nicht ganz falsch. Aber das ist eine andere Geschichte.



NK


@Nonkonform,
das hatte ich mir auch schon gedacht. [hallo]
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Nonkonform » 27. November 2010, 22:48

Thunderhorse hat geschrieben:Der Begriff im Bezug auf den BGS war schon von Anfang an falsch.


Zum Begriff "Soldat" :

Nun, man kann eine paramiliärische Ausrichtung des BGS als dominierende Bedeutung nicht außer acht lassen, diese manifestierte sich nicht zuletzt in der Person seines ersten Inspekteurs - es war der ehemalige Wehrmachts - General Anton Grasser.
Die paramilitärische Ausrichtung des BGS war natürlich kein Zufall.So wurde neben der Grenzsicherung, für den Kriegsfall der Kampf mit feindlichen Streitkräften mit einkalkuliert.
Zwar war der BGS für eine militärische Auseinandersetzung ausgebildet, bewaffnet und ausgerüstet - ein entscheidendes rechtliches Element fehlte ihm aber lange Zeit. Erst 1965 erhielten die BGS-Beamten per Gesetz die völkerrechtliche Stellung rechtmäßiger Kombattanten.


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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 27. November 2010, 23:52

Nonkonform hat geschrieben:
Thunderhorse hat geschrieben:Der Begriff im Bezug auf den BGS war schon von Anfang an falsch.


Zum Begriff "Soldat" :

Nun, man kann eine paramiliärische Ausrichtung des BGS als dominierende Bedeutung nicht außer acht lassen, diese manifestierte sich nicht zuletzt in der Person seines ersten Inspekteurs - es war der ehemalige Wehrmachts - General Anton Grasser.
Die paramilitärische Ausrichtung des BGS war natürlich kein Zufall.So wurde neben der Grenzsicherung, für den Kriegsfall der Kampf mit feindlichen Streitkräften mit einkalkuliert.
Zwar war der BGS für eine militärische Auseinandersetzung ausgebildet, bewaffnet und ausgerüstet - ein entscheidendes rechtliches Element fehlte ihm aber lange Zeit. Erst 1965 erhielten die BGS-Beamten per Gesetz die völkerrechtliche Stellung rechtmäßiger Kombattanten.


NK



Hm,
Quelle Wiki!??
Soso, weil der erste Inspekteur...

Spannungs- und Verteidigungsfall, Einsatz BGS
Schau mal hier:
http://www.cold-war.de/showthread.php/1 ... igungsfall

Das der BGS, übrigens auch die Bereitschaftspolizeien, entsprechende Ausrüstung erhielt, um überhaupt eine Chance im S- oder V-Fall zu haben, lag an der Ausstattung der DGP bzw. dem späteren NVA-Kdo Grenze.
Jedoch hatte den Kombattantenstatus nur der BGS erhalten.

Weder in den ersten Gesetzen, Erlaßen, Verfügungen noch (wimre) in den späteren Zeitabschnitten wurde der Begriff verwendet.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon S51 » 29. November 2010, 11:17

Weil es so schön ist...
Soweit mir bekannt, hat die DDR ihren Grenzschützern den Kombattantenstatus zuerkannt, wie auch anderen Formationen für den Konfliktfall. Der BGS hatte diese "Eigenschaft" erst ab 1961 und auch dies war umstritten. Siehe bitte hier:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46407285.html

Im Übrigen sind wir ausbildungsmäßig am Kanten davon ausgegangen, dass weder ein BGS-Kollege, ein BGP-Angehöriger, noch ein Zöllner oder auch Berliner Polizist im Falle des Falles als "Heckenschütze" gegolten hätte und somit nicht nur keine Rechte als Kriegsgefangener gehabt hätte sondern sogar ein Fall für das Standgericht gewesen wäre. Wir hätten sie behandelt wie die Soldaten der BAOR oder der anderen NATO-Alliierten. Zumindest sagten wir dies...
Erst als angehender Offizier hat man erfahren, dass dies völkerrechtlich eben nicht unbedingt so gesehen werden müsste.
Die rechtliche Seite lasse ich mal außer Acht. Es hatte seine Gründe aber dann hätte man ihnen fairerweise befehlen müssen, uns gegenüber unaufgefordert die Waffen abzulegen und sich sofort zu ergeben. Wer bitte hätte dies dann aber gewollt?
So entstand eben doch der Eindruck, dass der Westen es bewußt darauf anlegte, seine Leute dadurch zu motivieren, dass es eben ab und an zu Erschießungen gekommen wäre. Nach dem Motto "Kämpft, sonst macht der Osten euch kalt...".
Es ist schwer, an das "Gute" zu glauben, hier speziell in der Frage, wie man Menschen zum Kampf animiert, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, das uns unser Gegenüber von seinen eigenen Politikern quasi zum Fr... vorgeworfen würde, nur um den Schein zu wahren.
Mit dem "Schein" ist das Bestehen auf einer reinen Ordnungsaufgabe als Beamte im Polizei- oder Zolldienst gemeint, wenn die Einheiten dann eben doch in Kämpfe eingegriffen hätten und dafür ausgerüstet waren.
Man kann über Absichten trefflich streiten. Im Falle des Falles aber hätte man immer mit Extremfällen und dann auch extremen Folgen rechnen müssen. Mal so als Praktiker. Mir persönlich fehlt einfach der Glaube, dass dies bei den Nachfahren Churchills und seiner Kollegen wirklich gut gemeint war. Und ich weiß, dass bei einem Lehrgang der Spruch kam: "Arme Schwe..., die stellen wir doch gleich an die...".
So etwas hätte dann natürlich für unendlich viel Liebe und Freundschaft gesorgt.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon S51 » 29. November 2010, 11:58

Nonkonform hat geschrieben:Das letzte Opfer des Kalten Krieges?

Zum 48. Mal jährte sich im August ein Tag, der zur beklemmenden Realität der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze gehört: Am 14. August 1962 kam es bei Rasdorf (Kreis Fulda) an der Zonengrenze zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der Nationalen Volksarmee (NVA). Damals kam der junge NVA-Hauptmann Rudi Arnstadt ums Leben. Sein Tod sollte 36 Jahre später Auslöser für Gerüchte und Spekulationen im Fall eines mysteriösen Mordes an einem Taxifahrer werden.

...Der 23-jährige Plüschke handelt in Notwehr und rettet sich und dem vorausgehenden Offizier so das Leben, heißt es im Westen. Die DDR sieht das anders: ...
...Knapp ein Jahr später, am 15. März 1998, fällt gegen vier Uhr morgens auf der Bundesstraße 84 zwischen Hünfeld und Rasdorf ein Schuss. Ein Autofahrer findet Hans Plüschke ermordet auf der Straße liegend, 70 Meter von seinem Wagen entfernt. Der tödliche Schuss traf den 59-Jährigen über dem rechten Auge - wie bei Rudi Arnstadt. "Hingerichtet mit einem Schuss ins Gesicht", schrieb damals die Fuldaer Zeitung nach dem Mord. Von dem oder den Tätern keine Spur.
...NK


Lt. unserer Lesart seinerzeit haben die Kollegen des BGS die Grenze verletzt und, als sie gestellt werden sollten, hat ihre Deckung Feuerschutz gegeben. Das Feuer wurde nicht erwidert, weil die Geschosse dann nach drüben gegangen wären, denn der Schütze (P.) selbst befand sich dort in Stellung.
Berühmter Spruch: "Denk an die Folgen...", den hat wohl jeder GT-Angehöriger in seiner Ausbildung gehört und gelesen.
Was stimmt? Nicht nur zu DDR-Zeiten und nicht nur dort wurden Berichte und Stellungnahmen politisch genehm frisiert.
Aber Rache durch Mord? Das wäre selbst zu DDR-Zeiten kontraproduktiv gewesen und hätte der DDR weltweit geschadet. Eben weil dieses Motiv hier zu offensichtlich gewesen wäre. Das "macht ein Staat nicht".
Nach dem Ende der DDR? Wofür dann noch? Wer sollte für einen untergengenen Racheanspruch noch zum Mörder werden? Wir leben doch nicht in Gegenden, wo noch die Blutrache gilt.
Diese Zeitungsberichte lassen immer mal wieder Details weg oder verfälschen sie gar. Ob es Hinweise auf verschiedene Personen als Täter sind, ob es der nicht zu den Tatsachen passende Sitz der Verletzung ist. Der Hergang scheint wohl auch anders als geschildert gewesen zu sein. Vielleicht setzt die Polizei solche Spekulationen in die Welt, weil sie den Täter provozieren will, noch Zeugenaussagen erhofft. Vielleicht will aber auch nur irgendeine Redaktion ihre Spalten füllen.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon manudave » 29. November 2010, 12:38

@S51

Da ich persönlich Anwesende bei diesem Vorfall kenne bzw. auch kannte:

Der BGS-Beamte hat definitiv auf Westgebiet gestanden und sollte durch Anstadt per Waffengewalt auf DDR-Gebiet gelockt werden. Plüschke zeigte ihm daraufhin einen Vogel und von der Ost-Seite fiel daraufhin ein Schuss Richtung Westen. Erst darauf hin wurde durch Plüschke - AUS DER HÜFTE - das Feuer in Notwehr erwidert.

Da musste keine Zeitung was hinzu erfinden. Es ist genau so passiert.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Affi976 » 29. November 2010, 15:59

Da musste keine Zeitung was hinzu erfinden. Es ist genau so passiert.

@manudave,
und das weisst Du genau!!!!!
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Ganzunten » 29. November 2010, 17:23

Nur mal so zur Erinnerung. Siehe Anhänge. Erster Anhang rechts zweite folge links bitte klicken.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon augenzeuge » 29. November 2010, 17:47

Bergmensch hat geschrieben:Nur mal so zur Erinnerung. Siehe Anhänge. Erster Anhang rechts zweite folge links bitte klicken.


Zumindest das Verhalten der DDR war hier auf Lügen aufgebaut.....wie bei Egon Schultz.....obwohl es einige noch immer nicht wahrhaben wollen....
AZ
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 29. November 2010, 17:59

Bergmensch hat geschrieben:Nur mal so zur Erinnerung. Siehe Anhänge. Erster Anhang rechts zweite folge links bitte klicken.



In den Beiträgen sind dann die Ansätze für die Variante 11 oder 12, des Zwischenfalls vorhanden.

Mann oh Mann.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 29. November 2010, 18:02

S51 hat geschrieben:Weil es so schön ist...
Soweit mir bekannt, hat die DDR ihren Grenzschützern den Kombattantenstatus zuerkannt, wie auch anderen Formationen für den Konfliktfall. Der BGS hatte diese "Eigenschaft" erst ab 1961 und auch dies war umstritten.

Ab 1965.
Siehe bitte hier:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46407285.html

Im Übrigen sind wir ausbildungsmäßig am Kanten davon ausgegangen, dass weder ein BGS-Kollege, ein BGP-Angehöriger, noch ein Zöllner oder auch Berliner Polizist im Falle des Falles als "Heckenschütze" gegolten hätte und somit nicht nur keine Rechte als Kriegsgefangener gehabt hätte sondern sogar ein Fall für das Standgericht gewesen wäre. Wir hätten sie behandelt wie die Soldaten der BAOR oder der anderen NATO-Alliierten. Zumindest sagten wir dies...
Erst als angehender Offizier hat man erfahren, dass dies völkerrechtlich eben nicht unbedingt so gesehen werden müsste.
Die rechtliche Seite lasse ich mal außer Acht. Es hatte seine Gründe aber dann hätte man ihnen fairerweise befehlen müssen, uns gegenüber unaufgefordert die Waffen abzulegen und sich sofort zu ergeben. Wer bitte hätte dies dann aber gewollt?
So entstand eben doch der Eindruck, dass der Westen es bewußt darauf anlegte, seine Leute dadurch zu motivieren, dass es eben ab und an zu Erschießungen gekommen wäre. Nach dem Motto "Kämpft, sonst macht der Osten euch kalt...".
Es ist schwer, an das "Gute" zu glauben, hier speziell in der Frage, wie man Menschen zum Kampf animiert, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, das uns unser Gegenüber von seinen eigenen Politikern quasi zum Fr... vorgeworfen würde, nur um den Schein zu wahren.
Mit dem "Schein" ist das Bestehen auf einer reinen Ordnungsaufgabe als Beamte im Polizei- oder Zolldienst gemeint, wenn die Einheiten dann eben doch in Kämpfe eingegriffen hätten und dafür ausgerüstet waren.
Man kann über Absichten trefflich streiten. Im Falle des Falles aber hätte man immer mit Extremfällen und dann auch extremen Folgen rechnen müssen. Mal so als Praktiker. Mir persönlich fehlt einfach der Glaube, dass dies bei den Nachfahren Churchills und seiner Kollegen wirklich gut gemeint war. Und ich weiß, dass bei einem Lehrgang der Spruch kam: "Arme Schwe..., die stellen wir doch gleich an die...".
So etwas hätte dann natürlich für unendlich viel Liebe und Freundschaft gesorgt.



Der Rest ist ziemlich schrottig.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 29. November 2010, 18:19

S51 hat geschrieben:Lt. unserer Lesart seinerzeit haben die Kollegen des BGS die Grenze verletzt und, als sie gestellt werden sollten, hat ihre Deckung Feuerschutz gegeben. Das Feuer wurde nicht erwidert, weil die Geschosse dann nach drüben gegangen wären, denn der Schütze (P.) selbst befand sich dort in Stellung.
Berühmter Spruch: "Denk an die Folgen...", den hat wohl jeder GT-Angehöriger in seiner Ausbildung gehört und gelesen.
Was stimmt? Nicht nur zu DDR-Zeiten und nicht nur dort wurden Berichte und Stellungnahmen politisch genehm frisiert.
Aber Rache durch Mord? Das wäre selbst zu DDR-Zeiten kontraproduktiv gewesen und hätte der DDR weltweit geschadet. Eben weil dieses Motiv hier zu offensichtlich gewesen wäre. Das "macht ein Staat nicht".
Nach dem Ende der DDR? Wofür dann noch? Wer sollte für einen untergengenen Racheanspruch noch zum Mörder werden? Wir leben doch nicht in Gegenden, wo noch die Blutrache gilt.
Diese Zeitungsberichte lassen immer mal wieder Details weg oder verfälschen sie gar. Ob es Hinweise auf verschiedene Personen als Täter sind, ob es der nicht zu den Tatsachen passende Sitz der Verletzung ist. Der Hergang scheint wohl auch anders als geschildert gewesen zu sein. Vielleicht setzt die Polizei solche Spekulationen in die Welt, weil sie den Täter provozieren will, noch Zeugenaussagen erhofft. Vielleicht will aber auch nur irgendeine Redaktion ihre Spalten füllen.



Westlicherseits (BGS) wurden 5 Schüsse abgegeben.
Östlicherseits ca. 30 Schüsse.

A bisserl was und einige weitere Varianten hier:
http://www.nva-forum.de/nva-board/index ... stadt&st=0
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 29. November 2010, 19:27

Thunderhorse hat geschrieben:
S51 hat geschrieben:Lt. unserer Lesart seinerzeit haben die Kollegen des BGS die Grenze verletzt und, als sie gestellt werden sollten, hat ihre Deckung Feuerschutz gegeben. Das Feuer wurde nicht erwidert, weil die Geschosse dann nach drüben gegangen wären, denn der Schütze (P.) selbst befand sich dort in Stellung.
Berühmter Spruch: "Denk an die Folgen...", den hat wohl jeder GT-Angehöriger in seiner Ausbildung gehört und gelesen.
Was stimmt? Nicht nur zu DDR-Zeiten und nicht nur dort wurden Berichte und Stellungnahmen politisch genehm frisiert.
Aber Rache durch Mord? Das wäre selbst zu DDR-Zeiten kontraproduktiv gewesen und hätte der DDR weltweit geschadet. Eben weil dieses Motiv hier zu offensichtlich gewesen wäre. Das "macht ein Staat nicht".
Nach dem Ende der DDR? Wofür dann noch? Wer sollte für einen untergengenen Racheanspruch noch zum Mörder werden? Wir leben doch nicht in Gegenden, wo noch die Blutrache gilt.
Diese Zeitungsberichte lassen immer mal wieder Details weg oder verfälschen sie gar. Ob es Hinweise auf verschiedene Personen als Täter sind, ob es der nicht zu den Tatsachen passende Sitz der Verletzung ist. Der Hergang scheint wohl auch anders als geschildert gewesen zu sein. Vielleicht setzt die Polizei solche Spekulationen in die Welt, weil sie den Täter provozieren will, noch Zeugenaussagen erhofft. Vielleicht will aber auch nur irgendeine Redaktion ihre Spalten füllen.



Westlicherseits (BGS) wurden 4 Schüsse abgegeben, davon 1 mal mit Leuchtpistole.
Östlicherseits ca. 30 Schüsse.

A bisserl was und einige weitere Varianten hier:
http://www.nva-forum.de/nva-board/index ... stadt&st=0


Kleine Korrektur.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Nonkonform » 1. Dezember 2010, 21:53

Thunderhorse hat geschrieben:Hm,
Quelle Wiki!??


Nein.

Thunderhorse hat geschrieben:Das der BGS, übrigens auch die Bereitschaftspolizeien, entsprechende Ausrüstung erhielt, um überhaupt eine Chance im S- oder V-Fall zu haben, lag an der Ausstattung der DGP bzw. dem späteren NVA-Kdo Grenze.


Ein gewichtiger Faktor war der Koreakrieg, der seinen Schatten auf das geteilte Deutschland warf.Die offensichtlichen Parallenen zum ebenfalls geteilten Korea machte die Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu einem besonders neuralgischen Punkt, an dem der Kalte Krieg jederzeit heiß werden konnte.
Erst die ungüstige Entwicklung im Koera-Krieg - das kommunistische China hatte um die Jahreswende 1950/51 massiv in den Konflikt eingegriffen- ließ die letzten Widerstände der westlichen Besatzungsmächte gegen die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes dahinschwinden.

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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Thunderhorse » 2. Dezember 2010, 20:47

Nonkonform hat geschrieben:Ein gewichtiger Faktor war der Koreakrieg, der seinen Schatten auf das geteilte Deutschland warf.Die offensichtlichen Parallenen zum ebenfalls geteilten Korea machte die Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu einem besonders neuralgischen Punkt, an dem der Kalte Krieg jederzeit heiß werden konnte.
Erst die ungüstige Entwicklung im Koera-Krieg - das kommunistische China hatte um die Jahreswende 1950/51 massiv in den Konflikt eingegriffen- ließ die letzten Widerstände der westlichen Besatzungsmächte gegen die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes dahinschwinden.

NK


Nein nicht korrekt.

Kleine Eckpunkte.
Bereits Ende 1949 - Anfang 1950 wurden erste Schritte zur Verbesserung der Sicherheitslage unternommen.
U.a. Petersberger Abkommen.
Jedoch sperrten sich die Besatzungsmächte weiterhin gegen eine Einrichtung einer Bundes-Bereitschaftspolizei.
Polizeiaufgabe sei Sache der Länder.
September 1950, Tagung der Außenminister-Konferenz in NY. Erklärung der Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland, Genehmigung der Aufstellung von 30 000 Mann kasernierter, motorisierter, einheitlich ausgebildeter und bewaffneter Bereitschaftspolizei auf Länderbasis.
Zugeständnis an die Bundesregierung, sich ein Viertel dieser Kräfte zur alleinigen Verfügung zu halten.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Nonkonform » 2. Dezember 2010, 23:02

Thunderhorse hat geschrieben:Nein nicht korrekt.


Was bitte ist nicht korrekt ?

Die von dir aufgezählten Eckpunkte können als Ergänzung meines Beitrages gesehen werden, widerlegen ihn aber in der Sache nicht.


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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Mike59 » 3. Dezember 2010, 22:16

Bergmensch hat geschrieben:Nur mal so zur Erinnerung. Siehe Anhänge. Erster Anhang rechts zweite folge links bitte klicken.

-----
Ich bin heute wieder an der Stelle vorbeigefahren "die Herbertsdelle" - fahre da übrigens öfter mal vorbei aber heute habe ich ganz besonders darauf geachtet, auch sonnst achte ich immer auf diese Stelle, genau wie auf die anderen Stellen von Opfern dieser Grenze.

Zitat:
"Dies ist ein Landstrich in der Rhön, geprägt von hohen dichtstehenden Fichten, die einen Wald bilden, in welchem kaum ein Licht eindringt. An diesem Rand wurde der tote Taxifahrer aufgefunden."

Mal abgesehen davon, dass sich an dieser Stelle z.Zt. eine Strassenbaustelle befindet, gab es seit 1991 an dieser Stelle keinen Wald. Ein paar Bäume und mehr nicht.

Ausdrücklich möchte ich sagen, das hat nichts mit der Tat als solches gemein. Nur nervt es mich in letzter Zeit, das jeder Quark im Internet als göttliche Wahrheit hingestellt wird.

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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon Ganzunten » 3. Dezember 2010, 23:59

Na sag mal wie bist du denn drauf.
Gibt es etwa wieder Politunterricht?
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon manudave » 4. Dezember 2010, 07:27

Nee,

Bergmensch - hier muss ich Mike ausnahmsweise mal beipflichten. Zum Zeitpunkt des Mordes standen dort die nächsten Bäume ein ganzes Stück von der Straße entfernt rechts und links der Delle - und das waren auch nur ein paar Einzelne.
Mike´s Kommentar war sicher auch nicht böse gemeint, sondern meinte das, was Thunderhorse auch schon andeutete: Hier gibt es viele Geschichten und Wahrheiten rund um den Fall.

So schaut das übrigens heute aus:

http://osthessen-news.de/beitrag_C.php?id=1172499

und so damals:

http://www.fuldaerzeitung.de/nachrichte ... 5,138765,H

[hallo] [hallo]
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon augenzeuge » 5. Februar 2011, 11:53

Hier mal zwei Darstellungen zum "Arnstadt-Fall".

Aus DDR-Sicht:
Oft und gern ohne Vorgeschichte....
"Am 14. August 1962 drangen der BGS-Hauptmann Meißner und seine beiden Begleiter, Grenzjäger Koch und Plüschke, im Bereich Wiesenfeld in
Thüringen mehrere Meter auf das Territorium der DDR vor. Von dem in diesem Bereich auf Streife befindlichen Hauptmann Rudi Arnstadt und seinem
Begleiter Roßner aufgefordert, stehen zu bleiben, eröffnete Plüschke sofort das Feuer und tötete Arnstadt durch einen Kopfschuß.
Auch Koch beschoß
die DDR-Grenzsoldaten. Keiner der drei BGS-Beamten wurde jemals vor Gericht gestellt, Koch wurde zum Oberjäger befördert."
(http://www.mfs-insider.de/SachbuchPDF/Terror4.pdf)


Aus BRD-Sicht:
"Den Grenzabschnitt 39a, zwischen Wiesenfeld und Geisa in Thüringen gelegen, kommandiert der Hauptmann Rudi Arnstadt, Mitglied der Partei, ein Mann, der im Vokabular der SED der Sache der Arbeiterklasse treu ergeben ist. Bei dem Hauptmann, der bislang seinen Vorgesetzten melden konnte, daß es bisher in dem ihm anvertrauten Grenzbereich nicht einen einzigen Durchbruch gegeben habe, liegen seit kurzem die Nerven blank. Im Abstand von wenigen Tagen flüchtete zunächst ein Zugführer aus seiner Kompanie, und dann überwand gar ein Pioniergefreiter mit einem schweren sowjetischen Artillerieschlepper die Grenzanlagen.

An diesem 14. August 1962 inspiziert der Hauptmann Meter für Meter seinen Grenzabschnitt auf etwaige Durchschlupfmöglichkeiten. Auf der anderen Seite des Grenzzaunes beobachten sieben Beamte der Hessischen Grenzschutzabteilung Hünfeld den nervös hin und her hastenden NVA-Offizier. Schließlich fordert ein Bundesgrenzschutzoffizier den 23jährigen Oberjäger Toni Plüschke auf, ihn bei einem Kontrollgang entlang des Zaunes auf hessischer Seite zu begleiten.

Als sich die beiden auf gleicher Höhe mit dem NVA-Offizier befinden, es ist gegen 11.05 Uhr, brennen bei dem die Sicherungen durch. Er schreit ihnen mit fuchtelnden Armen zu, sie sollten sofort stehenbleiben, und ehe die Beamten überhaupt in der Lage sind, irgendeine Reaktion zu zeigen, lädt der Hauptmann seine Pistole durch und feuert auf sein Gegenüber. Während der eine Beamte sich niederwirft und Deckung sucht, entsichert der Oberjäger Plüschke sein Gewehr und gibt einen ungezielten Schuß in Richtung der DDR-Grenze ab. Die Kugel trifft den Hauptmann Rudi Arnstadt. Der bricht tödlich zusammen.

An der Grenze eskaliert die Situation. Der Begleiter des getöteten NVA-Offiziers feuert ganze Salven aus seiner Kalaschnikow in Richtung Westen ab. Der Rasdorfer Gastwirt Rudi Flach, Zeuge der wilden Schießerei, schreit den hessischen Grenzbeamten zu: "Nun schießt doch endlich, schießt." Doch der Bundesgrenzschutz erwidert das Feuer nicht. Geschossen wird nur von der DDR-Seite, bis schließlich eine Ladehemmung dem DDR-Schützen zu schaffen macht. Dies benutzt der Kommandeur des Grenzregiments 3, Major Rössler aus Dermbach in Thüringen, um die Situation unter seine Kontrolle zu bringen. Er sorgt dafür, daß keine weiteren DDR-Posten durchdrehen.

Doch noch ist die Gefahr nicht gänzlich gebannt. Östlich wie westlich des Grenzzaunes belauert man sich mit der Waffe im Anschlag. Schließlich ergeht auf der DDR-Seite das Kommando: "Abrücken", worauf sich auch der Bundesgrenzschutz zurückzieht."
(http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv98/252o98.htm)


Folgende Fragen sollte man sich beim Zweifeln stellen:

In welcher psych. Verfassung waren die Leute des BGS und Hauptmann Arnstadt? Wer stand unter größerem Druck? In welcher Verfassung ist es wahrscheinlicher, dass man "Fehler" macht?
Wer schoss zuerst? Warum wurde der Schuss Arnstadts in der DDR-Sicht nicht erwähnt?
Warum sollte eine BGS-Gruppe im Angesicht der DDR-Grenzer die Grenze verletzen und sofort schiessen? Wie wahrscheinlich kann es sein, dass sich mehrere BGS-Leute im Grenzverlauf irren?
Warum erwiderte der BGS das Feuer nicht, die Grenzer aber bis zur Ladehemmung schossen?
Warum schreiben heute noch einige Quellen(s.oben), dass sich Plüschke vor Justizorganen nie verantworten musste, obwohl es mehrere Untersuchungen verschiedener Stellen gab?

AZ
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon S51 » 5. Februar 2011, 19:44

Beide Darstellungen haben Schwächen.
Meines Wissens befanden sich weder Arnstadt noch sein Posten freundwärts des Zaunes, sondern bei einer Kontrolle der Grenzmarkierungen feindwärts, also auf dem vorgelagerten Gebiet der DDR.
Wie schon in einem anderen Beitrag geschildert, war wenigstens seinerzeit der Grenzverlauf eben nicht eindeutig bekannt.
Vermutlich befanden sich die BGS-Angehörigen tatsächlich auf DDR-Gebiet, vielleicht sogar ohne dass ihnen dies bewußt war. In einer Streßsituation blendet jeder Mensch gerne aus, dass der Andere recht haben könnte.
Der BGS-Angehörige P. hat nicht nur einmal geschossen sondern zwei- oder dreimal. Er hat aber einmal getroffen, vermutlich mit dem zweiten Schuß.
In der DDR wurde der tödliche Schuß aber nicht ihm (P.) zugeschrieben, sondern K. Ohne P. Äußerung nach der Wende wüßten wir heute gar nicht, dass es anders war. Daher war wohl in der DDR gar nicht mit Sicherheit bekannt, ob und wer sich wofür verantworten musste und wer nicht.
Dass der DDR-Posten wegen einer Ladehemmung aufgehört habe, zu schießen, wird von bundesdeutscher Seite gerne behauptet. Gesetzt den Fall, es hat sich bei der Waffe des Postens um eine PPScha oder gar eine Kalaschnikow gehandelt, wie wahrscheinlich mag dies als Grund für die Feuereinstellung sein? Diese Waffen sind nicht für Ladehemmungen bekannt. Es wird wohl einen entsprechenden Befehl gegeben haben. der aber würde damals nicht in die offizielle Linie gepasst haben. Auf beiden Seiten nicht.
Offensichtlich waren Arnstadt und sein Posten auch nicht allein, sondern auch übergeordnete Offiziere waren vor Ort. Das war bei solchen Kontrollstreifen aus "gegebenem Anlaß" nicht selten. Keiner dieser anderen Grenzer aber war anscheinend beteiligt, außer bei der Feuereinstellung.
Auf DDR-Seite hat man die Schüsse des DDR-Postens wie auch die von Hr. Arnstadt vornehm verschwiegen. Im Gegenteil betont, es wäre bewußt nicht geschossen worden. Vermutlich, weil es für diese Schüsse keine wirkliche Rechtsgrundlage gab. Auf bundesdeutsches Gebiet feuern war verboten.

Wenn es in einem Abschnitt vorher Durchbrüche gab, stand der Offizier, bei dem die Verantwortung lag oder auf den sie delegiert wurde, immer unter extremen Druck. Mängel in der Dienstdurchführung konnten die Karierre böse verhauen. Das Schlimme daran war, dass sogar Mängel konstruiert wurden, weil eben jemand schuld sein musste. Etwa in der Art "mangelhafte politische Weiterbildung war die Ursache für Unaufmerksamkeit der Posten". Gegen solche Gummiargumente kam auch der gelernte DDR-Bürger nicht an.
Für Hr. Arnstadt stand in diesem Moment also alles gefühlt auf Messers Schneide. Vorgesetzte von ihm waren wohl auch vor Ort und Zeugen. Er wollte die bösen bundesdeutschen Grenzverletzer nicht entkommen lassen und seien es auch nur wenige Meter gewesen. Und da kommen Überreaktionen nun mal vor. Gerade, wenn vorher immer alles gut lief und man so keine Erfahrungen mit dieser Art Hammerwerfen sammeln "konnte", kein dickes Fell sinnbildlich vorhanden war.

Was denkt ein BGS-Kollege, der glaubt vollkommen korrekt unterwegs zu sein, wenn die pöse Gegenseite so ausrastet? Das wird wohl irgendwie in die Kategorie "Krieg" gegangen sein. Wer will aber in solchem Fall der zweite Sieger sein? Angst hat da sicher auch hineingespielt. Der BGS wird erst nachher kapiert haben, dass er falsch lief. Dies im kalten Krieg zugeben? Geht gar nicht, Schuld hat immer der Gegner.
Also hat man den, der sich nicht daneben benahm und nicht geschossen hat (K.) belobigt und den anderen (P.) nicht. Nach DDR-Logik musste also K. der Schütze gewesen sein, nur, weil er belobigt wurde. So werden Irrtümer manifestiert.
Es hat vermutlich niemand auf DDR-Seite richtig realisiert, ob und welche Untersuchungen mit welchem Ergebnis gelaufen sind.
So einfach.
S51
 

Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon augenzeuge » 5. Februar 2011, 19:57

S51 hat geschrieben:Vermutlich befanden sich die BGS-Angehörigen tatsächlich auf DDR-Gebiet, vielleicht sogar ohne dass ihnen dies bewußt war. In einer Streßsituation blendet jeder Mensch gerne aus, dass der Andere recht haben könnte.

Wenn es in einem Abschnitt vorher Durchbrüche gab, stand der Offizier, bei dem die Verantwortung lag oder auf den sie delegiert wurde, immer unter extremen Druck. Für Hr. Arnstadt stand in diesem Moment also alles gefühlt auf Messers Schneide.


Du gibst dir die Antwort selbst, S51. In einer Stresssituation stand Arnstadt, nicht die BGSler. Ich bin mir sicher, dass du dich irrst. Warum? P. gab nach der Wende alles zu. Er hätte es nicht tun müssen. Aber er wollte offen drüber reden. Letztlich war es wohl sein Todesurteil. Aber warum sollte er den Schuss zugeben, den Schritt auf DDR-Gebiet nicht? Weil es definitiv nicht so war. Nicht alle BGSler konnten so unter Stress gestanden haben wie Arnstadt.
Im übrigen hatte P. einem Forenmitglied vor Jahren seine Sicht persönlich mitgeteilt. Und die war so wie gerade beschrieben. Auch wenn es schwerfällt. Wer so rechnet wie du kommt auch zum richtigen Ergebnis.
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Re: Ein Grenzzwischenfall und ein Mord 36 Jahre danach

Beitragvon S51 » 5. Februar 2011, 20:12

augenzeuge hat geschrieben:[... Warum? P. gab nach der Wende alles zu. Er hätte es nicht tun müssen. Aber er wollte offen drüber reden. Letztlich war es wohl sein Todesurteil. Aber warum sollte er den Schuss zugeben, den Schritt auf DDR-Gebiet nicht? Weil es definitiv nicht so war. ...AZ


Ich für meinen Fall trenne beide Sachverhalte, die Schießerei damals und den Mord viele Jahre später. Denn ansonsten hätte K. als der offiziell Verantwortliche doch viel eher...
Das ergibt einfach keinen Sinn.
Den Schuß zuzugeben war für P nach dem Ende der DDR kein Problem, erkonnte so sein gefühltes Problem bereinigen. Den Schritt auf DDR-Gebiet zuzugeben hätte aber bedeutet, schuld an dem Vorfall gewesen zu sein. Oder mitschuldig. Das ging eben nicht.
Falls er es überhaupt gewußt hat. Denn wie gesagt, seinerzeit war der Grenzverlauf noch nicht offiziell eindeutig geregelt.
Wäre P. DDR-Grenzer gewesen und das Ganze seitenverkehrt passiert, dann würde ich es für möglich halten, dass P. danach nie mehr in diesen Abschnitt kam und auch nie erfahren hat, warum alles passiert ist. Man hätte es ihm nicht gesagt. Ob es diese Praxis auch auf bundesdeutscher Seite so gab, kann ich nicht beurteilen. Ich halte es jedoch für möglich.
S51
 

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