Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
"Heiliges Römisches Reich" war die offizielle Bezeichnung jenes Reiches, das sich im Jahr 962 mit der Wahl König Ottos I. aus dem karolingischen Ostfrankenreich (lat. regnum Teutonicorum) herauszubilden begann. Die Formel "Römisches Reich" (lat. imperium romanum) war bereits im Jahr 800 bei der Kaiserkrönung Karls der Großen (768-814) durch Papst Leo III. (795-816) verwendet worden, das Beiwort Heilig (lat. sacrum) wurde aber erst 1157 unter der Herrschaft des Kaisers Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) - dem Kaisertitel vorangestellt. In deutschsprachigen Urkunden trat die Wendung "Heiliges Römisches Reich" seit den Zeiten Kaiser Konrads IV. (1250-1254) auf. Erstmals belegt ist der Terminus 1254 im Zusammenhang mit der Gründung des Großen Rheinischen Städtebundes. Ab 1438 findet sich der Zusatz "Deutscher Nation" (lat. nationis Germanicae). Im Jahr 1486 (Landfrieden Friedrichs III. (1440-1493)) wird diese Titulatur erstmals in einem Gesetz verwendet. Seit 1512 (Kölner Reichsabschied) ist die offizielle Titulatur des Reiches "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation" (lat. Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae).
Zerlegt man die Reichstitulatur gleichsam in ihre Bestandteile und führt sich die Bedeutung der einzelnen Satzglieder vor Augen, wird deutlich, welcher Anspruch mit dem Reichstitel verbunden war. Der Name gibt zum einen der Überzeugung Ausdruck, Nachfolger des antiken Römischen Imperiums und damit gleichsam der Herrscher der Welt zu sein. Zum anderen wird dieses postulierte Anrecht ins Göttliche erhöht und daraus die irdische Herrschaft abgeleitet.
Unter "Reich" (lat. imperium) wird die Herrschaftsgewalt des Kaisers verstanden, die sich nicht nach unserem heutigen Verständnis über ein Territorium ausbreitete, sondern sich nach mittelalterlichem Verständnis vor allem über Personen erstreckte.
Die Übernahme des römischen Kaisertitels erfolgte aber erst durch den ostfränkisch-deutschen König Otto den Großen (936-973) im Jahr 962. Mit der Vorstellung einer translatio imperii, d.h. eines Übergangs der römischen Kaiserwürde zunächst auf das christlich-orthodoxe byzantinische Reich, dann die fränkischen und schließlich die deutschen Könige, stellten sich die Ottonischen Herrscher in die Tradition des römischen Imperiums und begründeten damit den Anspruch auf universelle Schirmherrschaft über die gesamte Christenheit. Zur Zeit der Ottonen erstreckte sich das Reich von Schleswig bis nach Rom (drei Reichsteile: deutsche Herzogtümer und Marken, Norditalien und Gallia (1033 Burgund). Die Reichskirche war fest in das Reichsgefüge integriert (Ottonisches Reichskirchensystem).
So wurde das Attribut "Heilig" (lat. sacrum) erst notwendig, als nach dem Investiturstreit (1075-1122) wichtige Bereiche der geistlichen Macht vom Kaiser auf den Papst übergegangen waren. Mit dem Titel sacrum imperium beanspruchte Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) auch verbal eine Gleichstellung mit der päpstlichen Gewalt. Beide, sowohl das geistliche als auch das weltliche Schwert, waren unmittelbar von Gott verliehen, um den Schutz der gesamten Christenheit zu garantieren.
Der spätere Zusatz "Deutscher Nation" (lat. nationis Germanicae) ist nicht im Sinne des heutigen Nationenbegriffes zu verstehen. Unter Nationes verstand man damals Gruppen verschiedener regionaler Herkunft (Franken, Schwaben, Sachsen usw.). Erst in der frühen Neuzeit wird "teutsch" als Abgrenzung zu romanisch (welsch) verstanden.
Bis zum Jahr 1806 war "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation" nun die offizielle Bezeichnung des Reiches.
quelle: regionalgeschichte.net
mfg
pentium