1. Innenpolitische Grundlegung
In der unmittelbaren Nachkriegszeit bestand auf der Ebene der Besatzungsmächte und der deutschen Politik ein antifaschistischer Konsens unter Einschluss der Kommunisten. Dem Einheitsdenken der unmittelbaren Nachkriegszeit entstammen wesentliche Strukturprinzipien der Parteien- und Verbändelandschaft wie die Einheitsgewerkschaft, der einheitliche Bauernverband, die überkonfessionelle CDU und CSU, die Öffnung der SPD gegenüber neuen Schichten und die Vereinigung der nationalliberalen und linksliberalen Traditionslinien in der FDP.
Während der Blockade Berlins durch die Sowjetunion 1948/49 kam ein antikommunistischer Konsens hinzu. Auf dieser Grundlage gingen die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder auf das Angebot der Westmächte ein, einen Staat aus den Westzonen zu bilden - zunächst als Provisorium oder Transitorium (Th. Heuss) bis zu einer gesamtdeutschen Lösung betrachtet. Die so entstandene Bundesrepublik sollte nach der von dem ersten SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher formulierten "Magnet-Theorie" so attraktiv gemacht werden, dass die Sowjets ihre Zone allein mit militärischer Macht nicht halten könnten.
Die breite sozialistische Grundstimmung der Nachkriegszeit, die bis weit in die CDU/CSU hinein reichte, wich in den fünfziger Jahren schrittweise einem Konsens über die Soziale Marktwirtschaft, die von dem ersten Wirtschaftsminister Erhard repräsentiert und vertreten wurde. Die Grundlage dafür war das "Wirtschaftswunder", d.h. die hohen Wachstumsraten seit 1951, die breiten Schichten die Möglichkeit eröffneten, sich einen nie gekannten Wohlstand zu erarbeiten.
Nach mehr als drei Jahrzehnten von Kriegen und Krisen brachte die neue stabile Ordnung zum ersten Mal wieder ein Gefühl der Sicherheit und Normalität. Nach anfänglichen Wahlniederlagen von CDU und CSU in Landtagswahlen 1951/52 bildete der Wirtschaftserfolg seit dem "Korea-Boom" bei der zweiten und dritten Bundestagswahl die Grundlage für das "Wahlwunder": 1957 erreichte zum ersten und einzigen Mal eine Partei in freien Wahlen die absolute Mehrheit. Dies schuf die Grundlage für eine hegemoniale Stellung der CDU/CSU in der Bundespolitik. Da in diesen Jahren auch die Ministerien und Verwaltungen aufgebaut wurden, sprachen Kritiker nicht ohne Grund polemisch vom "CDU-Staat".
Entgegen den liberalen Ideen Erhards blieben Staatseingriffe, Bankenmacht und korporatistische Arrangements in Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend (Abelshauser 1983). Eine weitgreifende und undoktrinäre Sozialpolitik bildete wesentliche "Integrationsklammern" (Kleßmann 1988) des neuen Staates. Den zwölf Millionen Ostvertriebenen wurde, finanziert von Vermögensabgaben, ein Lastenausgleich gewährt, der zunächst vor allem in produktive Investitionen floss.
Ein Umsiedlungsprogramm erleichterte ihnen den Weg in die Industriezentren. Im sozialen Wohnungsbau errichteten gewerkschaftliche, kirchliche und kommunle Träger mit staatlicher Hilfe Millionen Mietwohnungen. Kriegsopfer erhielten Renten. Wenige Monate vor der Bundestagswahl 1957 wurden die Altersrenten wesentlich erhöht und zugleich an die Einkommensentwicklung gebunden ("dynamisiert"), erst seitdem lagen sie überwiegend über dem Existenzminimum. Die staatliche Umverteilungsquote übertraf in den Gründungsjahren der Bundesrepublik die aller anderen westlichen Länder. Im ständigen Wettbewerb zwischen den beiden großen Parteien bildeten sich stabile Muster des Sozial- und Verteilungsstaates aus, alle Beteiligten gewöhnten sich an wachsende Erträge und staatliche Leistungen. Nach dem Stolz auf die eigene ökonomische Leistung, dem Wirtschaftspatriotismus, entwickelte sich nun der Stolz auf den Sozialstaat, Sozialpatriotismus.
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