Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon Sirius » 4. Januar 2014, 19:53

Edelknabe hat geschrieben:Ne ne Interessierter, des Rainers Vortext steht noch zur Aufarbeitung mit:

"Mal was Anderes was mich schon immer in Bezug auf die "Speziallager, diese titulierten Schweigelager" der Sowjets interessiert? Was war eigentlich mit Kunst, Kultur, Betätigung, Buchlesungen...gab es überhaupt kleine Ansätze der Insassen ähnlich der Schutzhaftlager der Nazis. Ich habe manchmal den dummen Verdacht oder besser formuliert, ich kann mir echt nicht vorstellen, das wenn sich eine, mehrere Gruppen von Leuten in solchen Lagern gefunden hätte und die hätten meinetwegen an eine Theateraufführung gedacht(Thema hin zum ähnlich Kommunismus, Neubeginn,Aufarbeitung der Nazizeit, auch Reue), das deren Anliegen einfach nicht vom Lagerkommandanten erhört worden wäre?

Selbst die SS-Leute saßen in Buchenwald in der ersten Reihe, wenn Häftlinge Konzerte, Theater, Schauspiel etc. aufführten.Warum so frage ich mich ging sowas nicht auch bei den Sowjets, einem Volk was doch wie uns in der Schule(DDR) gelehrt wurde viel dazu getan hat, das gerade die kulturelle Seite nach 1945 in der SBZ und später in der DDR nicht zu kurz kam, wieder zur Aufführung kam.

Und ja, in den Augen der Sowjets saßen in den Lagern die Täter aber trotzdem wäre doch bei etwas guten Willen auf beiden Seiten...aber dazu siehe mein Vortext?

Rainer-Maria oder sollte das schlechte Gewissen der Insassen eine Art Blockade, auch menschliches Mißtrauen untereinander bewirkt haben? Ein schlechtes Gewissen, was die Häftlinge in den Lagern der Nazis einfach nicht hatten, kannten und das aus gutem Grunde?


Wie in der Erinnerung geschrieben, da stehen noch paar Fragen im Raum.

Rainer-Maria


Vor einigen Monaten gab es einen Film, in dem Götz George seinen eigenen Vater in Hohenschönhausen und Sachsenhausen gespielt hat. Zumindest in diesem Fall gab es eine Theateraufführung, in der Heinrich George in Sachsenhausen selbst Darsteller war.
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Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon Edelknabe » 5. Januar 2014, 11:19

Sirius Danke und der Pentium hatte es oberhalb bereits getextet, das mit Heinrich George und ja, es sagt mir, das die Sowjets in diesen Lagern also auch Kultur, vielleicht sogar mehr Betätigung der Insassen zu ließen.

Rainer-Maria und einen guten Sonntag allen im Forum
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Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon Janko » 5. Januar 2014, 12:39

@Edelknabe...mal dir zur Antwort
Aus verschiedenen Erzählungen von Zeitzeugen/Insassen derartiger Lager, die ich miterlebt habe bei Besuchen des Friedhofs in Halbe ging es nicht in erster Linie um "kulturelle Veranstaltungen".
Die Einweisung hatte zur Folge einen dramatischen Einschnitt in dein Leben von heut auf morgen. In Erinnerung ist mir die Schilderung eines damals 18 jährigen, der nur seine Sachen am Leib hatte und nicht wusste warum , weshalb, wieso er dort war und wie es weiter ging. Die Sowjets kümmerten sich eigentlich relativ wenig, d.h. du warst teilweise auf dich allein gestellt und wurdest verpflegt mit "dünner Wassersuppe". Organisiert wurde der Tagsbetrieb von Deutschen, meist
eheml. Wehrmachtsangehörige mit entsprechenden Befehlston.
Die hygienischen Zustände katastophal, von Buchlesungen oder Theateraufführungen hatte keiner was erzählt. Diese Erzählungen waren für mich bedrückend und ergreifend.
Dieses unmittelbare Zusammentreffen kann man erleben bei Veranstaltungen in Halbe. Den Friedhof besuche ich aus verschiedenen Gründen in unterschiedlichen Zeitabständen....
Da kann auch weiter diskutiert werden über Mühlberg, Lieberose, Bautzen....

...und trotzdem stellt sich immer wieder die Frage, warum gab es diese Lager...?
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Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon Edelknabe » 5. Januar 2014, 12:46

Jetzt fehlt mir die Zeit Janko aber vielleicht heute Abend nochmal meine ganz eigene Sicht...wenn ich also vergleiche, die Schutzhaftlager der Nazis vor 45 und die der Sowjets nach 1945.

Rainer-Maria der war gut...von Dir..warum gab es diese Lager? "Der war wirklich gut"
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Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon pentium » 5. Januar 2014, 13:11

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den sowjetischen Speziallagern begann erst nach dem Fall der Mauer. Bettina Greiner zeichnet nun ihre Geschichte präzise nach.

Bettina Greiner: Verdrängter Terror. Geschichte und Wahrnehmung sowjetischer Speziallager in Deutschland. Hamburger Edition, 2010, 526 Seiten, 35 Euro.

Zitat:
[Dass die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und später die DDR-Regierung zwischen 1945 und 1955 Menschen u.a. in den ehemaligen NS-Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen einsperrten, ist historisch und politisch Interessierten längst bekannt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Entstehung und Geschichte der zehn Speziallager in der "Sowjetisch Besetzten Zone", aus der am 7. Oktober 1949 die DDR hervorging, begann jedoch erst nach dem Fall der Mauer. Bettina Greiner zeichnet nun die Geschichte dieser Lager präzise nach. Die Autorin stützt sich nicht nur auf umfangreiche Quellenbestände in russischen Archiven und im Bundesarchiv (Berlin und Koblenz), sondern auch auf die umfangreiche Erinnerungsliteratur ehemaliger Häftlinge sowie auf Interviews mit Überlebenden.]

[Die Häftlinge teilten sich in zwei Gruppen. Auf der einen Seite die willkürlich Internierten, die auf der Basis von Tatvorwürfen und Denunziationen verhaftet wurden, die sich vor allem auf ihr Verhalten vor 1945 bezogen. Auf der anderen Seite standen Häftlinge, gegen die ein Urteil des Sowjetischen Militärtribunals (SMT) wegen Verstößen gegen die Besatzungsmacht nach 1945 vorlag. Gegen die DDR-Propaganda kann die Autorin minutiös belegen, dass weder bei den Inhaftierten noch bei den SMT-Verurteilten die Entnazifizierung im Vordergrund stand. Bei der willkürlichen Verhaftung wie bei der SMT-Verurteilung ging es nicht primär um die Verfolgung und Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen, sondern um die Pflege eines "hypertrophen sicherheitspolitischen Weltbildes" der Besatzungsmacht sowie um die Abschreckung potenzieller Täter. "Verhaftet, interniert, verurteilt und entlassen wurde auf der Grundlage sicherheitspolitischer Erwägungen und tagespolitischer Opportunität", stellt Greiner fest.]

http://www.fr-online.de/literatur/sowje ... 74714.html

oder

http://www.tagesspiegel.de/kultur/betti ... 08372.html

Man sollte sich mit der Thematik etwas tiefer beschäftigen. Sicher ist die Frage berechtigt: wieso gab es diese Lager?

[Die Geschichte der Speziallager des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in Deutschland muss vor dem Hintergrund sowohl der Geschehnisse des 2. Weltkriegs als auch der Geschichte des sowjetischen Lagersystems (GULAG) gesehen werden. Bereits auf ihren großen Kriegskonferenzen in Teheran, Moskau und Jalta 1943 bis 1945 hatten die Regierungen der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion Maßnahmen zur Sicherung der alliierten Besatzungsmacht in Deutschland beschlossen. Diese wurden unter Einbeziehung Frankreichs als vierter Siegermacht im Potsdamer Abkommen von 2. August 1945 bekräftigt und konkretisiert. Danach sollten u. a. Funktionäre der NSDAP und ihrer Gliederungen, Angehörige der staatlichen Terrorapparate sowie Personen, die der Besatzungsmacht und ihren Zielen gefährlich werden konnten, in Lagern interniert werden. Internierungslager wurden in allen Besatzungszonen auch in ehemaligen Konzentrationslagern und Kriegsgefangenenlagern eingerichtet.]

http://www.stiftung-bg.de/gums/de/gesch ... zial02.htm

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Re: Das Sowjetische Speziallager Nr. 5 - Ketschendorf

Beitragvon Interessierter » 31. Januar 2015, 09:14

Wanderausstellung über sowjetisches Speziallager im Kreishaus Luckenwalde - Erinnerungen an Ketschendorfer Martyrium

Es galt als eines der schlimmsten Lager, die die sowjetische Armee 1945 errichtet hatte: das Lager in Ketschendorf bei Fürstenwalde. Dienstag wurde im Luckenwalder Kreishaus eine Wanderausstellung des Vereins Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf/Speziallager Nr. 5 eröffnet. Tafeln erzählen die Geschichte des Lagers und Schicksale der Gefangenen.

http://www.maz-online.de/Lokales/Teltow ... -eroeffnet
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Re: Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessierter » 13. Januar 2016, 11:38

Hier noch einmal zusammenfassende Erläuterungen über Speziallager :

Speziallager waren Lager, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 von der sowjetischen Militäradministration in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eingerichtet wurden und bis 1950 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bestanden. Im Amtsrussisch hießen sie abgekürzt im Singular „Spezlag“, im Plural „Spezlagerja“. Solche Lager wurden aufgrund gemeinsamer alliierter Vereinbarung in allen Besatzungszonen eingerichtet.[1] Mit dem Instrument des „automatic arrest“ sollten als gefährlich eingestufte Personengruppen für eine bestimmte Zeit interniert werden. Die Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone arrestierten jedoch einen wesentlich umfangreicheren Personenkreis als in den westlichen Zonen, blieben länger bestehen und dienten vor allem auch der Unterdrückung nicht-nationalsozialistischer politischer Gegner.

Insgesamt gab es zehn Speziallager an folgenden Orten: Mühlberg, Buchenwald, Berlin-Hohenschönhausen, Bautzen, Ketschendorf, Jamlitz (zuvor in Frankfurt Oder), Sachsenhausen, Werneuchen (Weesow), Torgau und Fünfeichen (Neubrandenburg) sowie das auf polnisch gewordenem Gebiet gelegene Landsberg (Warthe). Zusätzlich gab es noch mehrere Gefängnisse wie Nr. 5 Strelitz und Nr. 6 Berlin-Lichtenberg. Die Speziallager in Buchenwald und Sachsenhausen wurden in den beiden ehemaligen KZ Buchenwald und Sachsenhausen eingerichtet, welche die Sowjetische Besatzungsmacht ab August 1945 weiter nutzte.
Inhaltsverzeichnis

1 Sowjetische Strukturen
2 Orte
3 Verhaftungen und Verhöre
4 Verfahren vor dem Sowjetischen Militärtribunal
5 Speziallager-Insassen
5.1 Bekannte Insassen
6 Entlassungen
7 Übergabe von russischen Unterlagen 2007
8 Kommentare zu den Speziallagern
8.1 Eugen Kogons Stellungnahme in Der SS-Staat
8.2 Friedrich-Christian Schroeder
8.3 Bernd Bonwetsch
8.4 Wolfgang Schuller
9 Siehe auch
10 Literatur
11 Weblinks
12 Einzelnachweise


http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/13 ... rh.C3.B6re

Eine umfangreiche und interessante Doku über diese Lager, wie ich finde.
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Re: Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessierter » 20. September 2016, 09:59

Kurzfassung der Geschichte der Speziallager und Gefängnisse in der SBZ – ergänzende Bilder und Dokumente

An dieser Stelle werden ergänzende Fakten, Zahlen, Dokumente sowie Fotos zu den Lagern und Gefängnissen angefügt, in denen Bürger aus dem Landkreis Delitzsch eingesperrt waren. Aber auch die Geschichte der anderen Lager in der SBZ soll in Form einer Übersicht kurz erläutert werden. Durch den NKWD-Befehl Nr. 00461 vom 10. Mai 1945 entstanden auf zunächst noch ostdeutschem Gebiet 15 Lager (darunter Posen, Schneidemühl, Schwiebus, Landsberg an der Warthe, Fürstenwalde, Werneuchen), weiter drei sogenannte Lager-Gefängnisse (darunter Tost und Oppeln in Oberschlesien) und zehn Gefängnisse (darunter Graudenz in Westpreußen und Königsberg).

Seit Anfang Juli 1945 organisierte der Kommissar 2. Grades Serov gemäß dem ihm durch den Befehl Nr. 00780 des NKWD erteilten Auftrag den Ausbau der Operativen Einrichtungen sowie der Speziallager und Gefängnisse des NKWD in der SBZ. Diese Speziallager waren weder Internierungslager nach international gültigen Maßstäben noch Konzentrationalager im Sinne der faschistischen KZ. Das NKWD richtete die Speziallager mit einem besonders harten und strengen Lagerregime ein. Im Mittelpunkt standen dabei vor allem die Verhinderung der Flucht (wegen der Sicherung des Besatzungsgebietes) und die völlige Isolierung der Insassen von der Außenwelt (wegen der Unterbindung jeglicher Kontakte zu Außenstehenden). Für die Speziallager holte Serov in Form von Lagerverlegungen erfahrene Kader der östlich von Neiße und Oder aufzulösenden bisherigen Speziallager und Gefängnisse in die SBZ. Nach einer größeren Entlassungsaktion im Jahre 1948 wurden die kleineren Lager aufgelöst und die Häftlinge zu den verbliebenen drei Lagern zugeordnet: Nach Buchenwald (nun Speziallager Nr. 2) kamen in den letzten Jahren weiterhin die Nichtverurteilten; nach Bautzen (nun Speziallager Nr. 3) hauptsächlich die zu hohen Haftstrafen und nach Sachsenhausen (nun Speziallager Nr. 1) die zu niedrigen Haftstrafen Verurteilten.

3.1. Speziallager Nr. 1 in Mühlberg (August 1945 – Oktober 1948)

Im Juni 1945 wurde das Speziallager Nr. 1 der 1. Weißrussischen Front von Rembertow bei Warschau nach Schwiebus/Neumark und Ende August/Anfang September 1945 in das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag IV/B in Mühlberg an der Elbe verlegt. Ab 15. September 1945 brachten Operativgruppen des NKWD aus Sachsen und Sachsen-Anhalt die ersten Häftlinge nach Mühlberg. Die Verwahrung der Inhaftierten erfolgte stets unbefristet. Die Mehrheit der über 21 800 Inhaftier­ten, die das Speziallager Nr. 1 des NKWD, Mühlberg/Elbe, in den drei Jahren seines Beste­hens durchliefen, waren keine im Sinne der Besatzungsmächte belastete Menschen. Viel­mehr handelte es sich um Minderbelastete, "Mitläufer" oder Garnichtbelastete, darunter ehemalige Offiziere, Angehörige des Volkssturms, "Werwolf"-Verdächtige (meist Jugendliche), Fabrikanten, Gutsbesitzer, Menschen aus dem bürgerlich-liberalen Milieu, — alle ohne Haftbefehl festgenommen, ohne Gerichtsverfahren, ohne Möglichkeit der Verteidigung, ohne Feststellung von Schuld oder Nicht-Schuld, ohne Verurteilung. Die Verhaftungspraxis in der SBZ war von einer fast grenzenlosen Willkür gekennzeichnet und unterschied sich fundamental von derjenigen in den westlichen Besatzungszonen.

Weniger als 150 der mehr als 21 800 Inhaftierten des Lagers Mühlberg wurden zu einer vermuteten Verurteilung durch Sowjetische Militärtribunale (SMT) abtransportiert, wobei diese Verurteilungen keineswegs unter rechtsstaatlichen Bedingungen stattfanden. Im NKWD-Lager Mühlberg gab es zu keiner Zeit Verurteilte. Auch eine etwaige "Wiedergutmachung" durch Mitarbeit am Wiederaufbau der durch den Krieg verwüsteten Länder und Gebiete war nicht der "Sinn" der Inhaftierung und Isolierung der Betroffenen. Dieser Gedanke war nur bei den späteren Transporten noch arbeitsfähiger Häftlinge in die UdSSR relevant. Die Mehrheit der im Lager Inhaftierten war jedoch zum völligen Nichtstun gezwungen. Das Nichts regierte: es gab keine Kontakte nach draußen, keine Informationen welcher Art auch immer, auch nicht über Grund undeventuelle Dauer der Inhaftierung, keine Arbeit außer der zur Erhaltung des Lagers notwendigen.

Die Isolierung war perfekt. Es gab keine einzige Flucht aus dem Lager. 1946 wurden zirka 3 000 Inhaftierte in die Sowjetunion verbracht und dort als Kriegsgefangene behandelt. Weitere zirka 1 000 noch arbeitsfähige meist jugendliche Inhaftierte wurden am 8.2.1947 in einem Transportzug vom Bahnhof Neuburxdorf über Frankfurt/Oder in die Sowjetunion nach Anschero-Sudschensk im sibirischen Kusbass deportiert, wo sie vorwiegend im sibirischen Kohlebergbau, später zum Teil auch an anderen Arbeitsstellen eingesetzt wurden. Die Überlebenden dieses Transportes bekamen später ebenfalls den Status von Kriegsgefangenen. Die letzten von ihnen wurden 1952 entlassen.

Bild
Reste der Kanalisation des Speziallagers Mühlberg um 2006


Die Berichte und Bilder von den vielen weiteren Lager findet man hier:
http://www.stadtarchiv-delitzsch.de/ind ... l=&start=4
Interessierter
 

Re: Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessierter » 21. September 2016, 08:14

Resümee – Charakter des Systems der Speziallager der SBZ

Einige Zahlen sollen den Umfang der Speziallager in der SBZ verdeutlichen. Unter Berufung auf das Besatzungsrecht nahm das NKWD in der SBZ bis Oktober 1945 82.000 deutsche Zivilpersonen fest. Erst nach dem Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Nr. 35 vom 26. Februar 1948 wurden schätzungsweise 45.000 Menschen entlassen, so dass sich Ende 1949 in den verbliebenen Lagern Bautzen (Speziallager Nr. 3), Buchenwald (Speziallager Nr. 2) und Sachsenhausen (Speziallager Nr. 1) noch etwa 30.000 Zivilisten befanden. Nach damaliger sowjetischer Lesart handelte es sich um leitende Mitarbeiter des NS-Systems.

Laut Angaben des sowjetischen Innenministeriums aus dem Jahr 1990 wurden zwischen 1945 und 1950 auf dem Gebiet der SBZ/DDR 122.671 Deutsche in Sonderlagern interniert. 45.000 wurden wieder freigelassen, 43.000 (35 %) verstarben in den Lagern; etwa 20.000 sind entweder in die UdSSR verschleppt oder in Kriegsgefangenenlager überführt worden. Ferner seien 14.202 Internierte an DDR-Behörden übergeben worden; über 900 Internierte wurden durch sowjetische Militärgerichte zum Tode verurteilt.


http://www.stadtarchiv-delitzsch.de/ind ... l=&start=5
Interessierter
 

Re: Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessierter » 21. November 2016, 13:43

Buchenwald - Sowjetisches Speziallager Nr.2 - Desinformation in der DDR 1950-1989

Zu den bedrückendsten Seiten der Lagergeschichte gehörte der öffentliche Umgang mit den Toten des Lagers. Zu keiner Zeit erfolgte eine offizielle Benachrichtigung der Angehörigen. Statt dessen betrieben die zuständigen sowjetischen Instanzen ebenso wie später die DDR-Behörden gegenüber den Betroffenen Hinhaltetaktik und Desinformation.

Im Zusammenhang mit der Auflösung der Lager im Januar 1950 hatte das DDR-Innenministerium der Presse erklärt: „Auf Anfrage teilte Staatssekretär Warnke mit, dass die Angehörigen der in den Internierungslagern Verstorbenen Mitteilung erhalten werden. Gerhart Eisler wies ergänzend darauf hin, dass nur ein äußerst geringer Prozentsatz der Häftlinge gestorben ist. Im Gegensatz zu den Hunderttausenden Deutschen, die als Fremdenlegionäre in Vietnam und anderen Ländern ihr Leben lassen mussten, [...], seien die Totenlisten vorhanden. Anfragen von Angehörigen zu dieser Angelegenheit können, wie Staatssekretär Warnke erklärte, in einem Monat, wenn die Entlassungsaktion abgeschlossen ist, an das Ministerium des Innern gerichtet werden.“ Es erwies sich sehr bald, dass dieses Versprechen in keiner Form eingelöst wurde.

Lediglich die Aussagen entlassener Mitgefangener (die sich damit der Gefahr erneuter Repressionen aussetzten), die Bemühungen der in Westberlin tätigen „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) und später des Suchdienstes des DRK[1] eröffneten den Angehörigen verstorbener Lagerinsassen eine gewisse Chance, Auskünfte über deren Schicksal zu erhalten. Lange Zeit wurden von der KgU erstellte Listen mit den Namen von Lagertoten durch Sprecher des „Rundfunks im amerikanischen Sektor“ (RIAS) verlesen.

Dennoch verblieben bis vor wenigen Jahren Sterbeort und Todesdatum zahlreicher Opfer im Ungewissen; manche Schicksale harren noch immer der Aufklärung.

Aber durch Beschweigen war das Problem nicht aus der Welt zu schaffen. Da die Schließung der Lager durch die DDR-Propaganda als Ausdruck großmütiger sowjetischer Humanität dargestellt worden war, liefen alle Verzögerungstaktiken letztlich nicht nur ins Leere, sondern richteten sich in wachsendem Maße gegen ihre Urheber. Immer wieder drängten Angehörige auf eindeutige Informationen.

Seit 1957 erteilten die Rot-Kreuz-Gesellschaften der UdSSR auf Anfrage dem Deutschen Roten Kreuz Auskünfte. Allerdings liefen die entsprechenden Kontakte fast ausschließlich über Suchdienst-Einrichtungen der Bundesrepublik. Vielen Angehörigen, die in der DDR lebten, schien es wohl immer noch aussichtslos oder zu riskant zu sein, sich mit einem solchen Anliegen an die eigenen Behörden zu wenden. Über den Sterbeort erhielt das DRK in keinem Fall Mitteilung. Die Informationen aus Moskau reduzierten sich allenfalls auf die lakonische Mitteilung, dass eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt „auf sowjetischen Territorium“ verstorben sei. Damit konnte auch Buchenwald gemeint sein, was freilich für die Empfänger dieser Auskunft keineswegs nahelag. Statt dessen glaubten sie oftmals, der gesuchte Angehörige hätte irgendwo in den Weiten Russlands sein Grab gefunden.

Dr. Bodo Ritscher

Der vollständige Beitrag hier:
http://totenbuch-speziallager.buchenwal ... on/ddr/q/a

Ein dunkles Kapitel, dass genau wie die Greueltaten der Nazis, viel zu schnell in Vergessenheit gerät.
Interessierter
 

Re: Die sowjetischen Internierungslager nach dem 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessierter » 2. Mai 2019, 08:31

Die Übergabe des sowjetischen Speziallagers Bautzen an die Deutsche Volkspolizei im Februar 1950

In Folge der Gründung der DDR im Oktober 1949 beschloss die sowjetische Besatzungsmacht im Januar 1950 die Auflösung der letzten verbliebenen drei Speziallager Bautzen, Sachsenhausen und Buchenwald. Am 17. Januar 1950 kündigte die DDR-Presse die bevorstehende Auflösung der Speziallager an. Während in den Lagern Buchenwald und Sachsenhausen tatsächlich die Mehrzahl der Internierten freigelassen wurde, wurde das Speziallager Bautzen an die Behörden der DDR übergeben. Für die Eingesperrten in Bautzen wechselten im Februar 1950 nur die Bewacher. Das Bautzner Gefängnis wurde eine Strafvollzugsanstalt unter Verwaltung der Deutschen Volkspolizei. Lediglich 690 Internierte, also ohne Urteil Gefangene, und 121 durch sowjetische Militärtribunale (SMT) Verurteilte wurden im Januar 1950 aus Bautzen entlassen.

Bild
Walter Kempowski, Harald Knaußt, Benno von Heynitz, Jochen Stern (v. l. n. r) erlebten den Gefangenenaufstand 1950 mit

Im berüchtigten »Gelben Elend« blieben circa 6.000 SMT-Verurteilte und 330 Internierte weiter eingesperrt. Die Internierten wurden kurz darauf in das Zuchthaus Waldheim verlegt und im Rahmen der »Waldheimer Prozesse« in unrechtmäßigen Verfahren abgeurteilt. Der Strafvollzug der DDR rekrutierte in seiner Anfangszeit zahlreiche ehemalige politische Gefangene des nationalsozialistischen Regimes, weil sie eigene Hafterfahrungen mitbrachten, wie auch der neue Gefängnisleiter Erich Reschke. Anfangs standen ihm lediglich 50 Mann für die Bewachung zur Verfügung. Mit dem Ausbau der Abteilung Strafvollzug der Deutschen Volkspolizei wuchs der Personalbestand in Bautzen bis Mitte der 1950er Jahre an. Ab diesem Zeitpunkt waren 240 bis 290 Volkspolizisten für die Bewachung und Verwaltung des Gefängnisses zuständig.

Häftlingsaufstand im März 1950


Die Gefangenen in Bautzen waren enttäuscht, weil es trotz der Übergabe an die Volkspolizei kaum Entlassungen gab. Statt der erhofften Verbesserung unter deutscher Bewachung gab es zudem eine deutliche Verschlechterung der Haftbedingungen. Die Volkspolizei hatte mit deutlich weniger Gefangenen gerechnet und war mit den Bedingungen vor Ort heillos überfordert. Am 13. März 1950 organisierten die Gefangenen einen ersten Hungerstreik.

Bild
VP - Angehörige der STVA Bautzen

Durch Versprechungen der Gefängnisleitung beruhigte sich die zwar Situation, Veränderungen blieben jedoch aus. Am 31. März flammte erneut der Protest auf. Mit Sprechchören machten die Inhaftierten die Einwohner Bautzens auf ihre Not aufmerksam. Die Gefängnisleitung ließ die Revolte mit brutaler Gewalt niederschlagen. Zwei »Briefe aus Bautzen« gelangten als Hilferuf der Gefangenen in die Bundesrepublik. Die Öffentlichkeit wurde auf Bautzen als Ort politischer Verfolgung aufmerksam.

Mit dem Beitrag geht es hier weiter:
https://www.stsg.de/cms/bautzen/geschic ... lkspolizei
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