War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Besondere Vorkommnisse in der Zeit des kalten Krieges

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 17. Januar 2016, 00:10

augenzeuge hat geschrieben:
andr.k hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953.


Stell doch mal bitte den "Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953" ein. Danke.


Wenn ich ihn hätte, wärs schon passiert. Die passenden Bücher liegen mir aktuell nicht vor.

Das hier hilft dir sicher weiter.
http://www.17juni53.de/karte/erfurt/bdvp.html


AZ


Nicht wirklich und ich bin durchaus erstaunt, dass Du behauptest, dass der "Chef der BDVP Erfurt" den Befehl erlassen hat. Welche Befugnis lag dem Chef eigentlich vor, Befehle zuerteilen? Was steht denn Deiner Meinung nach in diesem Befehl?

AK
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 17. Januar 2016, 00:35

HPA hat geschrieben:Ich zitiere aus einem Protokoll. Was ist daran falsch? Oder willst Du jetzt diesen Fakt abstreiten?

Schon doof wenn das ach so saubere Vopo Bild noch mehr Schrammen bekommt.

Unter dem unmittelbaren Eindruck des Aufstandes mehrerer hunderttausend Menschen verlangte die "Hauptverwaltung Deutsche Volkspoliizei" des Ostberliner Innenministeriums von allen Bezirken ausführliche Berichte über lokale Ereignisse und Polizeieinsätze. Der Bezirkschef von Erfurt tischte daraufhin eine abenteuerliche - bis heute nicht verifizierbare - Geschichte über festgenommene Fallschirmspringer des "Klassenfeindes" auf, die der "Sowjet-Armee übergeben" worden seien. Außerdem prahlte er mit einem "auf Weisung einer höheren Dienststelle" am Abend des 17. Juni erlassenen Befehl Nr. 21/53. Darin hieß es: "Alle Provokateure, Saboteure, die sich im Laufe der Nacht und am morgigen Tage eines Angriffs auf Angehörige der Deutschen Volkspolizei, Staatsfunktionäre oder Herunterreißen von Emblemen der Deutschen Demokratischen Republik (z. B. Bilder von Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, des Genossen Stalin, sonstige Embleme und Transparente) schuldig machen, werden im Beisein der Massen erschossen, ohne Urteil." Allerdings dürfe "nicht wahllos in die Massen geschossen" werden. Von diesem Befehl habe die Erfurter Polizei keinen Gebrauch machen müssen, aber er habe wesentlich dazu beigetragen, daß sich viele "Provokateure und Rädelsführer ihre Handlungen überlegten".

Über das Erfurter Vorgehen geriet Volkspolizeichef Karl Maron auf der "I. Zentralen Konferenz der Deutschen Volkspolizei" einen Monat später in Rage: "So etwas hat es in der ganzen Weltgeschichte noch nicht gegeben, daß ein Polizeichef eines begrenzten Bezirkes praktisch das Standrecht im Quadrat für sein Gebiet verkündet." Gleichzeitig prangerte er "Feigheit und Kapitulantentum" solcher Polizisten an, die Pistolen und Gewehre "unter Gerümpel" versteckt oder in Waffenkammern sorgfältig verschlossen hätten, um bei Einsätzen "Zwischenfälle" zu vermeiden.


http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/p ... 05553.html

Also, wer wars nun? Der Weihnachtsmann? [flash]


Oha, das habe ich eben erst gelesen.

Ja wie denn nun? "Am Abend des 17. Juni erlassenen Befehl Nr. 21/53", oder doch schon am "1.1.1953"? [denken]

P.S.: Was sagt eigentlich der "@Interessierter" dazu? [grin]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon HPA » 17. Januar 2016, 08:41

AZ, was lässt Du dich eigentlich an dieser dämlichen Befehlsnummer hochziehen?

König hat eigenmächtig diesen Befehl erlassen, was für eine Nummer darüber steht, ist völlig Rille!

Das es diesen Befehl von König mit diesem Inhalt gab, ist ein Faktum! Und das dieser verbrecherische und rechtswidrige Befehl für diese Person offensichtlich keine weiteren schwerwiegenden Folgen hatte, ausser einen Anschiss von Maron, ist ein weiterer Fakt!
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Olaf Sch. » 17. Januar 2016, 10:45

Andre wenn ich deine Argumentation lese, dann fühle ich mich 30 Jahre zurückversetzt. Diversion & Zersetzung.... Oder wie das hieß. [zunge]

Wie ist das so im gestern zu leben und die Verbrechen eines eines Unrechtsstaates zu verharmlosen, vertuschen und Gegner zu verunglimpfen und lächerlich zu machen.
Olaf Sch.
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon HPA » 17. Januar 2016, 10:55

Für mich persönlich hat es jedenfalls ein besonderes Geschmäckle, wenn hier verbeamtete Polizisten im gehobenen Dienst, welche immerhin in einem besonderen Treueverhältnis zu diesem Staat stehen und von diesen dafür alimentiert werden, Dienste eines ausgewiesenen Unrechtsstaates, insbesondere der Staatssicherheit der DDR relativieren oder verharmlosen.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung.
HPA
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Januar 2016, 11:49

andr.k hat geschrieben:...ich bin durchaus erstaunt, dass Du behauptest, dass der "Chef der BDVP Erfurt" den Befehl erlassen hat. Welche Befugnis lag dem Chef eigentlich vor, Befehle zuerteilen? Was steht denn Deiner Meinung nach in diesem Befehl?

AK


Ich habe ein Dokument eingestellt und aus diesem zitiert. Welche Fragen ergeben sich nun für dich? Ist doch alles klar.... [blush]

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Januar 2016, 11:50

AkkuGK1 hat geschrieben:Wie ist das so im gestern zu leben und die Verbrechen eines eines Unrechtsstaates zu verharmlosen, vertuschen und Gegner zu verunglimpfen und lächerlich zu machen.


Gute Frage. Ich versteh es auch nicht..... [denken]

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 18. Januar 2016, 16:58

augenzeuge hat geschrieben:Ich habe ein Dokument eingestellt und aus diesem zitiert. Welche Fragen ergeben sich nun für dich? Ist doch alles klar.... [blush]

AZ
andr.k hat geschrieben:Ja wie denn nun? "Am Abend des 17. Juni erlassenen Befehl Nr. 21/53", oder doch schon am "1.1.1953"?


Analysen und Dokumente Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Herausgegeben von der Abteilung Bildung und Forschung Redaktion: Siegfried Suckut, Ehrhart Neubert, Walter Süß, Roger Engelmann, Jens Gieseke (Band20)

2. Kaderpolitik und Personalstruktur

...

Im Zuge des Militarisierungsschubes stellte die Staatssicherheit ab Oktober 1952 ihre Polizeidienstgrade auf militärische Dienstgrade um und stufte alle Mitarbeiter (außer den Zivilbeschäftigten) neu ein. (29)

Ausweislich der in diesem Zusammenhang erstellten Listen gab es 1953 im Mai 8 934 MfS Mitarbeiter mit militärischem Dienstgrad – dies ist die früheste exakte Angabe zur Personalstärke überhaupt. Hinzu kamen noch die Angehörigen des Wachregiments und der Wachbataillone, zum Jahreswechsel 1952/53 zusammen 3 020 Mann, (30) sowie eine nicht genau zu beziffernde Zahl von Zivilbeschäftigten. In der Berliner Zentrale war zu diesem Zeitpunkt etwa ein Viertel aller MfS-Mitarbeiter tätig, doch der Schwerpunkt lag noch immer in den Bezirken mit einem Anteil von 43 Prozent.

Die Kreisdienststellen hatten im Durchschnitt 14 Mitarbeiter – allerdings mit erheblichem Gefälle von Süden nach Norden: In dem schon zu K 5-Zeiten starken sächsischen Bezirk Dresden waren mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in den Kreisen tätig, dort gab es auch die größten Kreisdienststellen (Zittau: 44 Mitarbeiter; Bautzen: 31 Mitarbeiter), während in den (einwohnerschwachen) mecklenburgischen Kreisen mit 7 bis 8 Mitarbeitern der von Pieck 1951 beklagte Stand kaum überschritten war. (31)

(29) Befehl 212/52 des Ministers vom 15.10.1952 „ über die Attestierung der Generale und Offiziere des MfS der Deutschen Demokratischen Republik“; BStU, ZA, DSt 100043; Befehl 58/53 des Ministers vom 12.2.1953; BStU, ZA, DSt 100055; Befehl 97/53 des Ministers vom 4.3.1953; BStU, ZA, HA KuSch 1358, Bl. 103; Nachträge: Befehl 138/53 des Ministers vom 7.4.1953; BStU , ZA, HA KuSch 1359, Bl. 54; Befehl 141/53 des Ministers vom 9.4.1953; ebenda, Bl. 70; Befehl 153/ 53 des Ministers vom 18.4.1953; ebenda, Bl. 86; Befehl 193/53 des Minister s vom 5.5.1953; ebenda, Bl. 116.

(30) Befehl 21/53 des Ministers; BStU, ZA, HA KuSch 1358, Bl. 20. Das Wachregiment hatte nach einer anderen Quelle am 2.1.1953 einen Personalbestand von 1 866 Mitarbeitern; BA, DO 1/36/157, Bl. 99.

(31) In der BV Rostock waren pro KD durchschnittlich 7,5 Mitarbeiter, in der BV Schwerin 7,0 Mitarbeiter vorhanden. Bei 485 Mitarbeitern (5,2 Prozent) ist aus den vorhandenen Angaben nicht zu erkennen, ob sie in den Bezirksverwaltungen oder den Kreisdienststellen tätig waren. Errechnet nach: BStU, HA KuSch 1358, Bl. 10 4–467 und HA KuSch 1359, Bl. 5 5–66, 71–74, 87 u. 117 f.

[blush]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon HPA » 18. Januar 2016, 17:05

Und was hat jetzt dieser Befehl 21/53 des MfS mit dem Befehl 21/53 des Chefs der BDVP Erfurt zu tun?

Den letzterer ja wohl offensichtlch eigenmächtig erlassen hat?

Fakt ist ja nun mal ,dass es diesen Befehl von König gab und wie ich schon schrieb, was der für eine Nummer über diesen Befehl hat malen lassen, ist völlig Rille.

Er hätte auch 08/15 drüber schreiben können. [flash]
HPA
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 18. Januar 2016, 17:14

befehl.JPG
[denken]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 18. Januar 2016, 17:15

HPA hat geschrieben:Und was hat jetzt dieser Befehl 21/53 des MfS mit dem Befehl 21/53 des Chefs der BDVP Erfurt zu tun?

Den letzterer ja wohl offensichtlch eigenmächtig erlassen hat?

Fakt ist ja nun mal ,dass es diesen Befehl von König gab und wie ich schon schrieb, was der für eine Nummer über diesen Befehl hat malen lassen, ist völlig Rille.

Er hätte auch 08/15 drüber schreiben können. [flash]



Der nächste bitte .... [santa] [hallo]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon HPA » 18. Januar 2016, 17:25

Jo, schmeiss mal fleissig weiter Nebelkerzen.

Oder war es vielleicht Pittiplatsch? [flash]

Das ändert nur nichts an der Existenz dieses verbrecherischen und rechtswidrigen Befehls.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 18. Januar 2016, 17:41

HPA hat geschrieben:Jo, schmeiss mal fleissig weiter Nebelkerzen.

Oder war es vielleicht Pittiplatsch? [flash]

Das ändert nur nichts an der Existenz dieses verbrecherischen und rechtswidrigen Befehls.



Schau mal ---> viewtopic.php?p=208288#p208288

Da kommt die "Nebelkerze" her.

P.S.: Spielt keiner mehr mit dir? [laugh]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 18. Januar 2016, 17:50

andr.k hat geschrieben:Bild
Da kommt die "Nebelkerze" her [denken]


Mit diesem Hinweisen sollte dir die BSTU helfen können, den Befehl zu finden. Ich weiß nicht, was du daran nicht verstehst.

Willst du behaupten, den Befehl gab es nicht oder was ist deine Intention? [denken]

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 18. Januar 2016, 22:54

Der Vollständigkeit halber …

Größte Probleme bereitete der Schußwaffeneinsatz. Eine klare Befehlslage gab es nicht. Die Waffen aber gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, wagte die Mehrheit der Polizisten nicht. Ihnen hatte man im Polizeiunterricht immer wieder das Bild des "sozialistischen Volkspolizisten", des Beschützers der Errungenschaften der Arbeitern und Bauern" vor Augen geführt. Die "Bürgernähe" war in den Polizeiformationen recht groß und damit oftmals auch die Hemmschwelle zum Einsatz gegen die Bevölkerung.

Man kannte die Probleme der Menschen, ja teilte sie nicht selten. Der Kontakt zur Bevölkerung gestaltete sich um so intensiver, je ländlicher die Umgebung war. Insofern ist zu beobachten, daß sich die Polizisten eher zu normalem polizeilichem Handeln bereit zeigten, der Waffeneinsatz bis in die Polizeiführung hinein jedoch abgelehnt wurde.

Das SED-Regime sah sich im nachhinein genötigt, bespielgebend dem VP-Inspektor B. das Ehrenzeichen der VP zu verleihen, weil er nicht gezögert hatte, seine Waffe einzusetzen. (Vgl. BArch, Bestand MdI/HV Strafvollzug, 11/1468, Bl. 9, Quartalsberichte des Strafvollzuges 1953.)

Aus dieser Situation heraus ist es zu verstehen, daß einige VPKA-Leiter und der BDVP-Chef in Magdeburg aus moralischen Gründen, oft auf sowjetische Anweisungen den Waffeneinsatz untersagten. VP-Kommandeur Nossek, Amtsleiter in Bitterfeld, wurde folgend persönliche Feigheit vorgeworfen, er habe in der Filmfabrik und in der Farbenfabrik Wolfen wie im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld den Betriebsschutz mit seiner Weisung entwaffnet und sei für das Ausmaß der Unruhen in Bitterfeld verantwortlich. Ähnliche Vorwürfe trafen den BDVP-Chef Paulsen. Beide wurden aus der SED ausgeschlossen und aus der VP entlassen.

Polizeichef Maron kritisierte für den unterlassenen Waffengebrauch die regionalen Polizeidienststellen. Obwohl eigentlich die HVDVP hätte klare Weisungen geben müssen, schob er die Verantwortung den Dienststellenleiter zu, die aus der konkreten Lage heraus selbständig hätten entscheiden müssen. Das bestehende zentralistische System jedoch hatte bislang eine solche Eigenverantwortung eher ausgeschlossen.

Der Gipfel sei gewesen, so Maron, daß man in Magdeburg nicht nur mit den Demonstranten verhandelt und diese in die BDVP gelassen habe, sondern Weisung gab, die Waffen zu verschliessen, um "Zwischenfälle" zu vermeiden. In gleichem Atemzug jedoch kritisierte er den Erfurter BDVP-Chef, der eigenständig eine Weisung zum Schusswaffeneinsatz herausgegeben hatte. Diese sei völlig überspitzt gewesen. Darin hieß es, daß alle, die sich in der Nacht und am Folgetag des Angriffs auf Funktionäre, auf Bilder und Losungen schuldig machen, sofort öffentlich erschossen werden. Ebenso sollten Haupträdelsführer und Personen, die sich widersetzten, erschossen werden. "So etwas hat es in der ganzen Weltgeschichte noch nicht gegeben, daß ein Polizeichef eines begrenzten Bezirkes praktisch das Standrecht im Quadrat für sein Gebiet verkündigt", wetterte Maron. Man könne von Glück sprechen, daß der Befehl in keinem Fall Anwendung gelangte. (Phs, Archiv PdVP, Referate 1945-1958, Mappe I, Bl. 172, Referat Marons zur Auswertung der Juni-Ereignisse vom Juli 1953.)

Viele Polizisten empfanden ähnlich wie die Bevölkerung, ihr Vertrauen in die Regierenden war erschüttert. In einigen Fällen ist eine Solidarisierung mit den Demonstrierenden nachweisbar. Manche sahen sich in der Pflicht der Staatsmacht und im Gewissenskonflikt gegenüber den berechtigt protestierenden Volksmassen und verhielten sich aus diesem Grund eher passiv.


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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 19. Januar 2016, 17:28

andr.k hat geschrieben:In gleichem Atemzug jedoch kritisierte er den Erfurter BDVP-Chef, der eigenständig eine Weisung zum Schusswaffeneinsatz herausgegeben hatte. Diese sei völlig überspitzt gewesen.
AK



Und wenn das so war, warum hast du neulich das hier geschrieben: [denken]
andr.k hat geschrieben:
HPA hat geschrieben:Falsch, ich habe bereits zitiert, das der Chef der BDVP Erfurt diesen Befehl erteilt hat.

Mir drängt sich eher der Eindruck auf , dass Du des verstehenden Lesens nicht( mehr) mächtig bist. Kann natürlich auch an der vorgerückten Stunde liegen. [grins]

Falsch! Der Chef der BDVP Erfurt war es schon mal nicht.
Dein Wissen ist wirklich grot­ten­schlecht und bringt auch nix, in dem du behauptest, dass es an der späten Stunde liegt. [hallo]


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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 19. Januar 2016, 19:43

augenzeuge hat geschrieben:
andr.k hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953.


Stell doch mal bitte den "Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953" ein. Danke.


Wenn ich ihn hätte, wärs schon passiert. Die passenden Bücher liegen mir aktuell nicht vor.

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AZ, der/Dein
befehl.JPG
"Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953", war es definitiv nicht. [hallo]

Die Antwort findest Du ---> "Phs, Archiv PdVP, Referate 1945-1958, Mappe I, Bl. 172, Referat Marons zur Auswertung der Juni-Ereignisse vom Juli 1953".

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 19. Januar 2016, 19:45

Kann es sein, dass dies 2 verschiedene Unterlagen sind?
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon andr.k » 19. Januar 2016, 19:54

augenzeuge hat geschrieben:Kann es sein, dass dies 2 verschiedene Unterlagen sind?
AZ


Nein, den "Befehl Nr. 21/53 des Ministers vom 1.1.1953", gibt es leider nur einmal. Da hat die Uni leider schlecht recherchiert und die "Presse" ... .

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 27. Januar 2016, 11:18

“Meine Erinnerungen an den Aufstand des 17. Juni 1953″

Im Dezember 1938 wurde ich in der Grenzmark Posen-Westpreußen (ehemalige deutsche Ostgebiete, heute Polen) geboren. Mein Vater wurde bei unserem Fluchtversuch mit einem Pferdewagen im April 1945 gefangen genommen und verstarb wenige Wochen später in einem sowjetischen Internierungslager. Im Juli 1945 mussten wir endgültig unsere Heimat verlassen (Vertreibung). Zu Fuß, mit einem Handwagen, auf dem meine, an beiden Beinen verwundete, Großmutter und meine zweijährige Schwester saßen, erreichten wir nach ca. 120 km Fußweg im November 1945 Ost-Berlin. Und hier erlebte ich am 17. Juni 1953 den Volksaufstand in der DDR.

Am Nachmittag des 16. Juni 1953 kam es zu einer spontanen Arbeitsniederlegung der Bauarbeiter in der Stalinallee. Unmittelbarer Anlass war neben der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Unzufriedenheit die Erhöhung der Arbeitsnormen zum 20. Juni 1953, dem sechzigsten Geburtstag von Walter Ulbricht. In Diskussionen wurde von den Arbeitern der Beschluss gefasst, für den 17. Juni 1953 zum Generalstreik in der gesamten DDR aufzurufen.

In den DDR-Medien hieß es am Abend des 16. Juni, westdeutsche “Agenten und Saboteure” wollten Unruhe in der DDR-Bevölkerung provozieren. In den westlichen Medien wurde von einem Volksaufstand berichtet, zu dem die Bauarbeiter für den folgenden Tag in der gesamten DDR aufgerufen hätten. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Bevölkerung der DDR.

Den 17. Juni 1953 erlebte ich als Vierzehnjähriger. Ich hatte mich mit einem Schulfreund verabredet. Gegen 8 Uhr trafen wir uns vor unserer Haustür in der Greifswalder Straße. Wir schlossen uns einem Demonstrationszug an, der sich, aus Weißensee kommend, in Richtung Innenstadt bewegte.

Aus den Fenstern einer Schuhfabrik wurde der Demonstrationszug von vielen Frauen beobachtet. Sie riefen, ihre Betriebsleitung hätte die Eingangstüren und – tore verschlossen. Demonstranten brachen daraufhin die Türen auf, und viele der Arbeiterinnen schlossen sich dem Demonstrationszug an. Der Zug wurde immer größer, je näher wir der Innenstadt kamen.

An der Ecke Dimitroffstraße kreuzte eine Straßenbahn. Arbeiter aus dem Demonstrationszug entwendeten dem Fahrer die damals noch für das manuelle Umstellen der Weichen erforderliche Stahlstange und forderten das Fahrpersonal und die Fahrgäste auf, sich dem Zug anzuschließen.

Der Demonstrationszug passierte den Rosentaler Platz. Dort befand sich das Parteigebäude der SED. Die gläserne Front der Eingangstüren war durch herabgelassene Stahlgitter versperrt. Hinter den Gardinen der Fenster sah man vereinzelt verängstigte Gesichter auf die Straße blicken. Auf der Straße herrschte eine emotional aufgeladene Stimmung. Ein Mann, der im Krieg ein Bein verloren hatte, machte seiner Wut Luft, stieß mit seinen Krücken durch die Stahlgitter und zerstörte die Glastüren. Andere rüttelten an den Stahlgittern.

Am späten Vormittag erreichten wir den Marx-Engels-Platz (ehemaliger Schlossplatz) – ein großer Platz, auf dem an besonderen Feiertagen (1, Mai, 7. Oktober als Gründungstag der DDR etc.) die Bevölkerung an einer großen Holztribüne vorbeiziehen musste, auf der sich die Regierungs- und Politbüromitglieder der SED feiern ließen. Der Platz war gefüllt mit Tausenden von Menschen. Großer Jubel brach aus, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, die Arbeiter des Stahlwerks Henningsdorf (DDR) würden über den kürzeren Weg durch West-Berlin bald durch das Brandenburger Tor kommen.

Plötzlich war ein lautes Brummen von Motoren zu hören, das immer stärker wurde. Und dann bog ein sowjetischer Panzer mit blauen Auspuffwolken um die Ecke, dem weitere folgten – eine gespenstische Szene. Die Arbeiter versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Meinem Freund und mir gelang es, die Holztribüne zu erreichen. Natürlich hatten wir große Angst und versuchten, schnellstmöglich nach Hause zu kommen.

Der Heimweg führte uns am Polizeipräsidium in der Königsstraße vorbei. Viele aufgebrachte Menschen standen vor dem Präsidium, die ihrem Unmut in Sprechchören Ausdruck gaben. Es war kein Durchkommen möglich. Plötzlich hörten wir laute Knallgeräusche. Waren es Schüsse aus Feuerwaffen? Wir flüchteten mit Anderen zusammen in einen Hausflur. Nachdem sich die Situation beruhigt hatte und wir wieder auf die Straße traten, sahen wir brennende Polizeifahrzeuge vor dem Polizeipräsidium. Wahrscheinlich waren die Ursache der Geräusche die explodierenden Autoreifen.

Auf dem Heimweg, es war gegen 14 Uhr, sahen wir dann an allen Litfaßsäulen frisch geklebte Plakate: Der Ausnahmezustand war in Ost-Berlin verhängt worden! Damit war ab sofort verboten, dass sich Gruppen von mehr als 3 Personen auf öffentlichen Straßen zusammenfinden. Weiterhin war jeglicher Fußgänger- und Kraftfahrzeugverkehr von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens auf Straßen und Plätzen verboten. Und weiter hieß es: “Diejenigen, die gegen den Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.” Unterzeichnet war dieser Befehl vom “Militärkommandant des Sowjetischen Sektors von Berlin, Generalmajor Dibrowa”.

Zu Hause angekommen warteten alle auf den Abend. Was wird passieren? Kurz nach 21 Uhr kamen weitere sowjetische Panzer und viele Mannschaftswagen mit sowjetischen Soldaten und Kriegsgerät in Richtung Innenstadt.

Am folgenden Tag waren alle großen Strassenkreuzungen und Plätze mit Panzern und/oder Mannschaftswagen besetzt. Sowjetische Soldaten saßen auf oder vor ihren Fahrzeugen. Sie hatten dort die Nacht zugebracht und wurden von ihren Kameraden verpflegt. Rauch stieg aus den Schornsteinrohren der Feldküchen. Der öffentliche Verkehr war zum Erliegen gekommen, und die Grenzen nach West-Berlin waren geschlossen. Nach ca. 10 Tagen wurde der Ausnahmezustand aufgehoben und die sowjetischen Soldaten wurden abgezogen. Die DDR- Regierung übernahm wieder die Staatsgewalt.

In den DDR-Medien wurde der Volksaufstand des 17. Juni 1953 als “konterrevolutionärer Putschversuch” deklariert. Die in der DDR stationierten sowjetischen Truppen hätten durch ihr “entschlossenes Eingreifen” die “Absichten des Imperialismus” durchkreuzt. Die Mehrheit der “irregeleiteten” Werktätigen habe sich bald von den Putschisten abgewandt und begann zu erkennen, dass sie gegen ihre eigenen Interessen gehandelt habe.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen des 17. Juni wurden in den folgenden Wochen mehrere tausend DDR-Bürger verhaftet und zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt. 22 Todesurteile wurden vollstreckt. Die “öffentliche Ordnung” war wieder hergestellt.
Damit endet “Meine Erinnerungen an den des 17. Juni 1953″ von Joachim Rudolph.
An dieser Stelle noch einmal großen Dank an ihn und seinen Bericht über den Aufstand des 17. Juni 1953.

http://zeitzeugenberlin.de/2011/09/06/z ... 3-teil-12/
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 12. Februar 2016, 16:06

Gabriele Schnell - Der 17. Juni 1953 in Potsdam

"Die allgemeine Stimmung am 17.6. ... war so, dass der größte Teil der Bevölkerung davon überzeugt war, dass die Regierung abtreten muss und die SED ausgespielt hat", hält ein Bericht der SED-Stadtbezirksleitung Potsdam-Babelsberg fest.

Im Verlauf des Tages suchen Arbeiterdelegationen der großen Potsdamer Betriebe das Karl-Marx-Werk Lokomotivbau Babelsberg auf.

Im Volkspolizei-Bericht heißt es:
"Die Rädelsführer versuchten, die Werktätigen zu einer Demonstration zu veranlassen. Die Auswirkungen einer solchen Demonstration hätte zur Folge gehabt, dass sich ein großer Teil anderer Betriebe angeschlossen hätte ... Von den Delegationen, die zum Karl-Marx-Werk entsandt wurden, wurde zum Ausdruck gebracht, dass, wenn die Werktätigen dieses Betriebes die Arbeit niederlegen, sich die anderen Betriebe anschließen würden."


Die Volkspolizei schließt das Werk, um eine Demonstration in das Stadtgebiet zu verhindern.

Am Nachmittag tritt die gesamte Belegschaft des Karl-Marx-Werkes in den Streik. Die Telefone in der Stadt funktionieren nicht. Der Zugverkehr von und nach Berlin ist eingestellt. Aufgebracht warten Hunderte Menschen auf dem Potsdamer Bahnhof. Um sie zu beruhigen, schickt die SED-Kreisleitung vierzig "Instrukteure". Die Volkspolizei schätzt, dass sie es schwer haben werden, die Menschenmenge zu beruhigen.

Auch der Kreisvorstand des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) ist besorgt, weil "überall an den Plätzen Menschen [stehen], die [diskutieren], besonders als die sowjetischen Panzer [durchfahren]". Die DFD-Vorsitzende hält es "für notwendig, unsere Freundinnen zwecks Einholung der Stimmung der Bevölkerung durch die Stadt zu schicken", um darüber berichten zu können.

Weiter geht es hier:
http://www.17juni53.de/karte/potsdam/po ... hnell.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 28. Februar 2016, 17:25

Von Vopo mit gezieltem Kopfschuss ermordet

Am 5.5.1953 hat sich Dr. Oskar Pohl für die Fachrichtung Publizistik an der Freien Universität Berlin eingeschrieben. In Westberlin lebte er in Grunewald, Seebergsteig 24.
Im Jahre 2003 wurde der Seebergsteig in Toni – Lessler -Straße umbenannt. Hier wohnte er leider nur einen Monat und zwölf Tage.
Dr. Oskar Pohl hat sich am Vormittag des 17.Juni nach dem Brennpunkt der Ereignisse, dem Potsdamer Platz begeben, weil er für Südtiroler Zeitungen über die Ereignisse als Journalist berichten wollte. Er ist dort, als sowjetische Panzer und ostsektorale Volkspolizei das Feuer eröffnen.
Dann wurde er von einem Vopo mit einem gezieltem Kopfschuss ermordet. Dieses Verbrechen geschah vor dem „Haus Vaterland“ am Potsdamer Platz.

Es war eines der letzten Schüsse, die am 17. Juni fallen. Es trifft Ihn gegen 19.30 Uhr in der Stresemann-/Ecke Prinz-Albrecht-Straße in der Umgebung des Potsdamer Platzes. Mit einem Kopfschuss wird er vom Roten Kreuz geborgen und in den Westteil der Stadt gebracht, wo er im Elisabeth-Krankenhaus bald seiner Verletzung erliegt. Im Elisabeth-Diakonissen-Hospital hat Dr. Pohl nach Mitteilung des Leiters der Poliklinik (Dr. med. Schostadt noch einige Minuten geatmet. Die Art seiner Verwundung – die Hälfte der Schädeldecke war fortgerissen – berechtigt zu der Annahme, dass die tödliche Verwundung durch ein Explosivgeschoss verursacht worden ist. Auf die erste Nachricht von dem Geschehen wurde sich mit dem italienischen Generalkonsulat, der Studentenvertretung der Freien Universität, dem Herrn katholischen Studentenpfarrer v. Hülsen, der Staatsanwaltschaft ist die Leiche beschlagnahmt und in das Leichenschauhaus in Berlin Moabit gebracht worden. Sie ist dann dem Bruder Dr. Pohls, der nach Berlin geeilt war, zur Überführung freigegeben worden. An der Abschiedsfeier vor dem Schöneberger Rathaus nahm auch ein Vertreter des Hilfswerkes aus Berlin teil und hat einen Kranz am Sarg Dr Pohls niedergelegt.

In der Mitte der acht Särge stand der Sarg Dr. Pohls, der mit einem großen Gebinde roter und weißer Nelken bedeckt war, während die anderen Särge in die Berliner Flagge gehüllt waren. Nach der Beendigung der Trauerfeier wurden die Särge im feierlichen Zuge durch die von einem dichten Menschenspalier umsäumten Straßen zum Friedhofe in der Müllerstraße überführt und dort in den Gottesacker gesenkt. Der allein stehengebliebene Sarg Dr. Pohls ist dann von Pfarrer von Hülsen eigesegnet worden. Beim Abschiednehmen von dem Heimgegangenen hat der Pfarrer dem Bruder Dr. Pohls im Auftrag von Herrn Pfarrer Berg und im eigenen Namen das herzlichste Beileid des Hilfswerkes ausgesprochen und gebeten, es auch an seine Eltern weiterzuleiten.

http://zeitzeugenberlin.de/category/bes ... eitzeugen/
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 4. März 2016, 10:36

Der Mittelsinner Friedrich Schorn war Hauptfeind der DDR

Als sich am 17. Juni 1953 in der DDR das Volk gegen die Ulbricht-Regierung erhob, tat sich auch ein geborener Mittelsinner hervor: Friedrich Schorn. Der vergessene Sohn Mittelsinns war an jenem Tag Streikführer der Leunawerke. Das Chemiekombinat war mit knapp 30 000 Mitarbeitern das größte Werk in der DDR. Schorn flüchtete danach nach West-Berlin, wo die Stasi ihn, den sie intern als „Hauptfeind“ bezeichnete, mehrmals vergeblich zu entführen versuchte.

Bild
DDR-Volksaufstand am 17. Juni 1953: Hier rollt ein sowjetischer Panzer vor dem ehemaligen Reichsgericht in Leipzig. Zu d... Foto: Bundesarchiv

Von Dezember 1945 bis Januar 1950 war er aufgrund seiner SS-Vergangenheit Insasse des inzwischen sowjetischen Speziallagers Buchenwald. Nach der Entlassung, so erzählte er einst, habe für ihn festgestanden, „dass ich gegen die Bestien des Kommunismus einen Kampf bis zum Tode führe“. Im Buch „Die verdrängte Revolution“ steht eine Menge über Schorns Rolle am 17. Juni und danach. „Schorn ist ein notorischer und unversöhnlicher Gegner der DDR und der Sowjetunion, dem jedes Mittel recht ist, und sei es mit Gewalt oder sogar Mord, der fortschrittlichen Menschheit Schaden zuzufügen“, so ein Stasi-Bericht vom 29. Januar 1954.

Schorn war es nur recht, dass er 1952 als Geheimer Mitarbeiter „Stern“ für die Stasi angeworben wurde. So konnte er als Spitzel „offiziell“ in den Westen fahren. Die Stasi habe er an der Nase herumgeführt mit gefälschten Berichten, erzählte er später. Gleichzeitig arbeitete er mit antikommunistischen Gruppierungen in West-Berlin zusammen. Anfang Februar 1953 hat die Stasi Schorn, gegen den Willen der Direktion, als Rechnungsprüfer zu den Leunawerken südlich von Halle (Saale) vermittelt, damit er leichter nach West-Berlin fahren konnte.

Wohl keine gute Idee, denn bald darauf kam der 17. Juni, und die Leuna-Arbeiter streikten. Nach eigener Aussage setzte sich Schorn an die Spitze des Protestzugs nach Merseburg, in den sich noch Bauarbeiter, Straßenbahner, Polizisten, Hausfrauen und andere Zivilisten einreihten. Öffentliche Gebäude und Büros von Stasi und SED wurden besetzt, Häftlinge befreit. In Merseburg strömten Zehntausende zusammen, von 60 000 bis 100 000 Menschen ist die Rede. Schorn wurde zum Vorsitzenden der 25-köpfigen Streikleitung des Kreises Merseburg gewählt. Am nächsten Morgen war das Werk jedoch von sowjetischen Soldaten mit Panzern besetzt, und der gebürtige Mittelsinner floh nach West-Berlin.

Ulbricht soll zwei Wochen später von Schorn gesagt haben: „Der Organisator der Provokationen war ein SS-Mann. Der SS-Mann wurde von der Staatssicherheit in die Leitung und Verwaltung vom Leuna-Werk eingesetzt, und er ist gepflegt worden, und nachdem man seit Anfang 1952 mit ihm gearbeitet hatte, hatte er alles so gut gefasst, dass er exakt am 17. Juni die Provokation organisieren konnte.“

Hat Schorn also auf Geheiß der Stasi den Streik angeführt und in ihrem Sinne gelenkt? Doch warum hätte die Stasi gewollt, dass er gegen das Regime protestiert? Wollte die Stasi ihn etwa danach als unverdächtigen Mitarbeiter im Westen installieren – oder wollte Ulbricht das so verkaufen? Es bleibt ungewiss.

Der vollständige Beitrag hier;
http://www.mainpost.de/regional/main-sp ... 68,7522094
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 5. März 2016, 10:36

Peter Schridde

Peter Schridde kam am 10. Juni 1939 in Apolda/Thüringen zur Welt. Sein Vater, Niedersachse
aus Peine/Woltorf, hatte dort Arbeit gefunden. Peter wurde mit einer Hasenscharte geboren.
Seine Mutter empfand dies als Makel. Sie schämte sich seiner. Peter sollte nicht auf der Straße
spielen. Der Vater brachte ihn 1942 zu seiner zwölften operativen Korrektur ins Krankenhaus.
Peter sah ihn danach nie wieder. Er wurde vermisst, später für tot erklärt. Die Operationen und
die Herabsetzungen ertrug er als persönliches Martyrium. Charakterlich machten sie ihn stark.

Eine Woche nach seinem 14. Geburtstag, brach in der DDR der Volksaufstand los. In der Schule
übernahmen die Schüler das Kommando. Sie rissen die Bilder der Politgrößen von den Wänden.
Die Lehrer hatten sich ,,strategisch" zurückgezogen. Im Ort sprachen sich die Ereignisse herum
wie ein Lauffeuer. Vor der Schule hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Man betrachtete
die Aktionen mit einer Mischung aus Staunen und blankem Entsetzen. Die Schüler wuchteten
eine monumentale Stalin-Büste aufs Fensterbrett. Mit dem Ruf: ,,Vorsicht Stalin kommt" kippten
die Schüler sie aus dem Fenster. Als sie in tausend Teile zerbarst brach Jubel los - trotz banger
Ahnungen. Der Ausgang schien am 17. Juni völlig offen. Fotos wurden gemacht. Der indessen
hoch aufgewachsene Peter Schridde war darauf stets als ,,Aktivist" in vorderster Linie zu sehen.


Kurze Zeit später fuhren erste Lastwagen mit streikenden Arbeitern aus den Chemiebetrieben in
Leuna durch Apolda. Ihr Ziel war Jena. Die Schüler hielten die Wagen an und baten darum, mit-
fahren zu dürfen. Peter war auf einem der ersten LKW, die Jena erreichten. Dort brannten die
SED-Büros - von den Funktionären fluchtartig verlassen. Das Ziel der Arbeiter war das Stasi-
Gefängnis. Mit Spaten bewaffnet stürmten sie die Zellen, befreiten die Gefangenen.

Eine junge Frau hatte tagelang in brusthohem Wasser gestanden. Mit ihrer aufgequollenen Haut und ihren
verfilzten Haaren glich sie einer Greisin. Das Bild der geschundenen Frau brannte sich in sein
Gedächtnis ein. ,,Es war entsetzlich. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich diese Frau vor mir."

Russische Panzer beendeten den Aufstand. Peter und ein ebenso aktiver Freund wurden von
einem Onkel zur Grenze gebracht. Dort fielen sie russischen Wachtrupps in die Hände - zum
Glück nicht der Vopo. Denn Stasi-Haft hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt. Bis Mitte
Dezember mussten sie in einem russischen Lager in Grenznähe Kartoffeln schälen. Bekleidet nur
mit einem Kartoffelsack. Am 16. Dezember 1953 flüchteten die beiden bei Schnee und Frost.
Peter zog seinen Freund mit letzter Kraft an den Haaren aus dem vereisten Grenzbach. Mit
Schnittverletzungen und stark unterkühlt, wurden beide von Westgrenzern ins Krankenhaus nach
Helmstedt gebracht. Gerade 14 Jahre alt und doch bereits vom Leben gezeichnet und geprägt.

http://www.hans-joachim-selenz.de/in-me ... ridde.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 6. März 2016, 09:32

17. Juni 1953 - Die Stasi als Kritiker der SED

Das Ministerium für Staatssicherheit nahm sich in seinen frühen Jahren heraus, die SED zu kritisieren. Das belegt eine Dokumentation zu Geheimdienstdokumenten aus dem Jahr 1953, die 60 Jahre nach dem Volksaufstand in der DDR erschienen ist.

Grotewohl und Ulbricht sollten „sich die Brust waschen und fertig machen zum Erschießen“, fordert ein Bauarbeiter aus Prenzlau. In Stralsund wettern Vertreter der Blockparteien gegen Ulbricht als SED-Chef, weil er „auch heute noch mit der verhassteste Mensch in der DDR“ sei. Vom „drohenden Schiffbruch“ des Regimes ist die Rede. Und ein 1. Sekretär der sowjetisch- deutschen Wismut AG macht sogar Reklame für den amerikanischen Feindsender: „Ich bin gezwungen, den Rias zu hören, die Parteiführung lässt uns voll und ganz im Stich.“ Und aus dem Kraftwerk Klingenberg in Berlin-Rummelsburg heißt es, SED-konforme Äußerungen würden nur „mit allgemeinem Gelächter aufgenommen“.

Das alles wurde so gesagt und festgehalten 1953 – in einem für die DDR sehr schlechten Jahr. Die Stasiberichte von damals – gerade systematisch ausgewertet kurz vor dem 60. Jahrestag des Aufstands vom 17. Juni – bergen ehrliche Informationen zur Stimmung im Land. Von einer „unbeholfenen Authentizität“ spricht der Forscher Roger Engelmann, der die „geheimen Berichte an die SED-Führung“ gerade im Auftrag der Stasiunterlagenbehörde in einem Buch zusammengefasst hat („Die DDR im Blick der Stasi 1953“, Vandenhoeck & Ruprecht, 320 Seiten, 29,99 Euro). Sein Fazit: Die Stasi, 1950 gegründet mit dem Anspruch, Schild und Schwert der Partei zu sein, scheute sich damals nicht, direkt und indirekt Kritik an der Partei zu äußern, bemängelte etwa die Agitationsarbeit der SED in Betrieben. Sie ließ sich auch nicht die parteioffizielle Deutung des Juni-Aufstandes aufdrücken, wonach der ein von „westlichen Agenturen“ gesteuerter „faschistischer Putschversuch“ gewesen sei. Im Gegenteil habe die Stasi, so Engelmann, „über weite Strecken relativ wirklichkeitsnah über Stimmungen und Missstände“ berichtet. Auch manche hektische Maßnahme der Führung nach dem 17. Juni – etwa der Import von Obst und Gemüse aus den sozialistischen Bruderländern – führt flugs zu den nächsten Negativ-Berichten: Das MfS beklagt eine „Obst- und Gemüseschwemme“ und berichtet, dass bei hochsommerlichen Temperaturen bis zu 90 Prozent der Lebensmittel verdorben in der DDR angekommen seien. Auch haarsträubende organisatorische Mängel im Handel prangert die Stasi an.

Der niedergeschlagene Massenprotest markiert eine Wende in der DDR – und hat großen Einfluss auf das Berichtswesen der Stasi. SED und Regierung sahen sich nicht hinreichend vor dem Aufstand gewarnt, die Stasi spielt den Ball zurück, Motto: Wir können doch nichts für die miese Lage. „Sie war auf das, was ihr plötzlich abverlangt wurde, in keiner Weise vorbereitet", sagt Forscher Engelmann über die Stasi nach dem 17. Juni.

http://www.tagesspiegel.de/politik/17-j ... 85652.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 4. April 2016, 09:50

"Es war so eine Art Wunschtraum, der ganz schnell geplatzt ist"

Die Juniereignisse 1953 im lebensgeschichtlichen Kontext zweier christlicher Lehrer


Die bundesrepublikanische Literatur seit den sechziger Jahren charakterisierte den Aufstand des 17. Juni 1953 vor allem als "proletarische Erhebung".1 Die wenigen im Be­wußt­sein der Deutschen bewahrten Bilder protestierender Arbeiter in der Berliner Stalinallee verfestigten diese Auffassung. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, daß Aufständische aus nahezu allen Bevölkerungsgrup­pen beteiligt waren, so daß nun meist von einem "Volksaufstand" die Rede ist.2 Unter den Akademikern nahm besonders die technische Intelligenz eine führende Rolle ein.3 Während sich, so Hubertus Knabe, Akademiker "insbesondere im Kultur- und Wissenschaftsbereich, von der Erhebung distanzierten und meist sogar bereitwillig für die Propaganda der SED einspannen ließen, beteiligten sich Studenten, Ärzte oder Lehrer an der Basis durchaus aktiv an den Protesten".4 An vielen Orten kam es "zu Unterrichtsausfällen, die manchmal streikähnlichen Charakter trugen"5. Immerhin rund zehn Prozent aller Lehrer seien zwischen dem 17. und 19. Juni nicht zum Unterricht erschienen. Andere hätten sich passiv verhalten und – wie im Nach­hinein von der SED gerügt – ihre Schüler nicht daran gehindert, sich den Protesten anzuschließen. In einigen Städten übernahmen Lehrer auch Verantwortung für weiterführende Maßnahmen. So setzten etwa Görlitzer Lehrer ihren Studiendirektor6 ab und stellten einen Forde­rungskatalog auf, der u. a. die "Einsetzung einer neuen Schulleitung" und die "freie Ausübung des Religionsunterrichts" verlangte. In Bitterfeld gehörte der Lehrer WILHELM FIEBELKORN zum überbetrieblichen Streikkomi­tee.

Daß sich ein relativ hoher Prozentsatz der Lehrerschaft am Aufstand beteiligte bzw. ihm sympathisierend gegenüberstand, ist eine durchaus neue Erkenntnis. Noch 1993 war davon ausgegangen worden, daß Lehrer sich "nur vereinzelt zu systemkritischen Äußerungen oder gar zu aktiven Solidaritätsbeweisen mit den Streikenden und Demonstranten" hinreißen ließen. Die meisten seien da­mals "offensichtlich weiter unauffällig ihrer Arbeit [nachgegangen]" und hätten sich abseits gehalten.

Weiter mit dem interessanten und längerem Bericht geht es hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -47/04703/
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 10. Mai 2016, 12:25

Herbert Stauch
3.11.1917 – 18.6.1953
hingerichtet gegen 14.15 Uhr in Magdeburg auf dem Gelände der Strafvollzugsanstalt Sudenburg


Herbert Stauch wird am 3. November 1917 in Remschütz bei Saalfeld geboren und erlernt nach der Volksschule das Müllerhandwerk. 1942 heiratet er im schlesischen Ohlau die von dort stammende Else Bittner, 1943 wird der erste Sohn geboren. 1944 flieht Else Stauch vor der anrückenden Roten Armee zu den Verwandten ihres Mannes nach Rudolstadt und wird hier ausgebombt. Herbert Stauch dient in der Wehrmacht bei den Fliegern, er ist Oberfeldwebel im technischen Dienst. Nach Kriegsende schlägt er sich mit dem Fahrrad nach Rudolstadt durch und kann so der Gefangenschaft entgehen.

Die junge Familie findet in dem Dorf Heiligen Wohnung und Arbeit: Herbert Stauch, inzwischen Müllermeister, erwirbt eine Getreidemühle, die er jedoch nach einigen Jahren nicht mehr halten kann. 1952 verkauft er die Mühle und erwirbt eine kleine Teigwarenfabrik in Magdeburg. In deren Dachgeschoss baut er eine Wohnung aus; der Umzug der inzwischen um einen zweiten Sohn gewachsenen Familie vom Dorf Heiligen in die Bezirkshauptstadt ist für den späten Juni 1953 geplant. Herbert Stauchs damalige Frau Else erinnert sich: "Wir hatten am 16. Juni am Telefon noch über den Umzug gesprochen. Herbert hatte gesagt, dass er am 18. Juni kommen wollte und Erdbeeren mitbringen würde. Ich sollte einen Tortenboden backen." (1)

Am Abend des 18. Juni erfährt sie aus Bekanntmachungen, dass ein "Herbert Strauch" von einem russischen Militärtribunal wegen "der Teilnahme an banditischen Handlungen" zum Tode durch Erschießen verurteilt und das Urteil bereits vollstreckt worden sei. Zusammen mit ihren Verwandten fährt sie nach Magdeburg und erfährt im Polizeipräsidium die furchtbare Wahrheit: Die Zeitungsmeldung enthält einen Schreibfehler, der Hingerichtete ist tatsächlich ihr Mann. Auf ihr hartnäckiges Drängen hin erhält sie eine Sterbeurkunde, auf der allerdings keine Todesursache vermerkt ist. Sie muss sich und die Kinder nun allein durchbringen. Doch damit nicht genug, verfallen Herbert Stauchs Hinterbliebene der Sippenhaft: Den Jungen wird eine höhere Schulbildung verwehrt, die Mutter unterliegt fortan jenem ebenso undurchschaubaren wie flächendeckenden "Arbeitsverbot", das für die DDR typisch war. Für die private Gummifabrik ihres Schwagers kann sie immerhin in Heimarbeit Dichtungsringe entgraten.

Was die Witwe nach dem Ende der DDR an Details in Erfahrung bringt, kann man hier erfahren:
http://www.17juni53.de/tote/stauch.html
Interessierter
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 10. Mai 2016, 15:57

Interessierter hat geschrieben: Doch damit nicht genug, verfallen Herbert Stauchs Hinterbliebene der Sippenhaft: Den Jungen wird eine höhere Schulbildung verwehrt, die Mutter unterliegt fortan jenem ebenso undurchschaubaren wie flächendeckenden "Arbeitsverbot", das für die DDR typisch war.


War das auch "kalter Krieg"?

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Danny_1000 » 10. Mai 2016, 19:38

augenzeuge hat geschrieben:
Interessierter hat geschrieben: Doch damit nicht genug, verfallen Herbert Stauchs Hinterbliebene der Sippenhaft: Den Jungen wird eine höhere Schulbildung verwehrt, die Mutter unterliegt fortan jenem ebenso undurchschaubaren wie flächendeckenden "Arbeitsverbot", das für die DDR typisch war.


War das auch "kalter Krieg"?AZ

Natürlich war es das ! Es passierte in der Hochzeit des kalten Krieges. Die DDR fühlte sich in ihrer Existenz bedroht und die Russen sahen ihren engsten Verbündeten und Vasallen an der Nahstelle zum anderen Weltsystem im Wanken. Soweit vielleicht zur historischen Einordnung dieser tragischen Geschichte.

Um das Opfer tut es mir leid. Seine spätere Rehabilitierung erfolgte also völlig zu Recht. Ich finde es auch angemessen, dass die Stadt eine Straße nach ihm benannte.

Herr Strauch war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Das passiert bekanntlich in Ausnahmesituationen. Über große Teile der DDR war meines Wissens nach schon der Ausnahmezustand verhängt worden. Und da gelten in jedem Land andere Regeln.

Gruß
Danny
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben
dafür einsetzen, dass du es sagen darfst !
(Evelyn Beatrice Hall 1868; † nach 1939)
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 17. Mai 2016, 11:36

»Der 17. Juni 1953 in Sachsen- Anhalt – Volksaufstand...«

Wir sind am 04.02.2003 mit unserer Geschichtslehrerin in das Landeshauptarchiv von Sachsen-Anhalt, nach Merseburg gefahren, um selbst historische Dokumente aus dem Jahre 1953 zu sichten. Dabei haben uns vor allem die Ereignisse in den Buna-Werken interessiert, da unser Schulort Bad Lauchstädt etwa 15 km von Schkopau entfernt liegt und viele Einwohner unserer Stadt in Buna gearbeitet haben.
Ein zweiter wichtiger Beweggrund für unseren Archivbesuch war, herauszufinden, was am 17. Juni 1953 in den Dörfern geschah, die um Bad Lauchstädt liegen, wie: Großgräfendorf, Klobikau, Milzau, Bündorf, Knapendorf und die Stadt Schafstädt. Aus diesen Orten kommen die Schülerinnen und Schüler unserer Schule (siehe beiliegende Karte). Außerdem haben wir uns bemüht, einige Zeitzeugen zu finden, die sich noch an die Ereignisse des 17. Juni erinnern können.


Ergebnisse unserer Recherche im Landeshauptarchiv von Sachsen-Anhalt, Abteilung Merseburg:

In der Betriebszeitung des Buna-Werkes, dem »Aufwärts«, herausgegeben von der SED-Kreisleitung der Chemischen Werke Buna, erschien am 19. Juni 1953 der Aufruf »An die werktätige Bevölkerung!«.
Die Regierung der DDR spricht hier davon, daß der Aufstand ein Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte war. Die wahren Hintergründe des Aufstandes werden nicht genannt.

Am 23. Juni 1953 erschien im »Aufwärts« der Artikel »Buna-Kollegen verurteilen Provokationen«. Auch in diesem Artikel wird von einer »wilden Rebellion« gewisser Arbeiter gesprochen, von »Provokateuren, die durch ihr Banditentum Unruhe in den Reihen der Arbeiterschaft verursachen wollten.«
Im 3. Artikel vom 26. Juni 1953, im Abschnitt »Was geschah in unserem Werk?«, konnten wir lesen, daß »in unserem Werk Kollegen aus den Werkstätten demonstrierten, weil sie unzufrieden waren mit verschiedenen Maßnahmen der Regierung, die in den letzten Monaten erfolgt waren.« Weiter heißt es: »Agenten und Provokateure nutzten diese Demonstration aus, um im Werk und in Merseburg ihr Unwesen zu treiben.«

Aus dem Bericht der politischen Abteilung bei der MTS Schafstädt vom 30.10.1953 über die Auswertung des 15. Plenums haben wir folgende Fakten herausgefunden: Auch in Schafstädt kam es am 17. Juni 1953 in der MTS zu einer Arbeitsniederlegung. (MTS- Maschinen-Traktoren-Ausleihstation)
Dem Bericht der SED-Kreisleitung Merseburg an die Bezirksleitung der SED vom 20.06.1953 haben wir folgende Informationen entnommen: »Die Staatsorgane in den Dörfern und Städten unseres Kreisgebietes lösten ihre Aufgabe mit einigen Ausnahmen reibungslos, da sich der Streik in der Hauptsache auf das Stadtgebiet Merseburg beschränkte. Besonders anzusprechen sind die Bürgermeisterdienststellen in Milzau, Bad Lauchstädt und Zweimen....«

In Milzau wurde der Bürgermeister gemeinsam mit sieben anderen Mitgliedern der SED tätlich angegriffen und provozierend durch den gesamten Ortsteil Milzau bis nach Krakau verschleppt. Dieser Bürgermeister wurde gezwungen, gemeinsam mit dem Parteisekretär ein Übereignungsprotokoll an einen Großbauern zu unterzeichnen.
Weiter wird berichtet: »In der Stadt Bad Lauchstädt fuhren in den frühen Nachmittagsstunden LKW‘s mit Demonstranten der Buna-Werke vor das Gebäude der Stadtverwaltung und forderten die sofortige Räumung der Stadtverwaltung....«
Im Bericht der SED-Kreisleitung an die Bezirksleitung der SED vom 23.06.1953 haben wir erfahren: »In der LPG Schafstädt ist gleichfalls der Zustand zu verzeichnen, daß einige LPG-Mitglieder ihren Austritt erklärten.«

Das Protokoll der Kreisparteiaktiv-Tagung der Kreisorganisation Merseburg der SED vom 15.08.1953 sagte folgendes aus: »Auch bei uns im Kreisgebiet war es dem Klassengegner gelungen, Fuß zu fassen, besonders in den chemischen Werken Buna und den Leuna-Werken »Walter Ulbricht«, wo es den Provokateuren gelungen war, einen Teil der Arbeiter für ihre Provokationen aufzuputschen.«
Weiterhin heißt es in diesem Protokoll, daß am 17. Juni 1953 im Kreisgebiet Merseburg (außer Leuna und Buna) 1256 Arbeiter am Streik beteiligt waren. An der Spitze der Streikenden lag die LBH Merseburg mit 98,5 %.


Ein ehemaliger Lehrer unserer Schule berichtete uns, daß an dem Tag des 17. Juni 1953 an unserer Schule die Staatsbürgerkundeprüfung durchgeführt wurde und eine kleine Gruppe von 6 - 10 Demonstranten, meist junge Leute, durch die Schule zog, es aber zu keinen größeren Schäden innerhalb des Schulgebäudes kam. In erster Linie richtete sich der Zorn der Demonstranten gegen die Bilder der Staatsfunktionäre. Nach dieser Aktion wurde der Unterricht abgebrochen und die Schüler nach Hause entlassen.

Die Zeitzeugenberichte der Großeltern der Schüler folgen hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... oeder-etc/
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