Interessierter hat geschrieben:Den ganzen Beitrag lesend, stellt man fest, dass Ulbricht seine Fahne immer in den gerade herrschende Wind hängte.
Das stimmt so nicht ganz .....
Leider wird Ulbricht allzu gerne auf seinen Spruch es würde keine Mauer gebaut, die 10 Gebote der sozialistischen Moral reduziert.
Kaum beachtet wird das unter maßgeblicher Leitung von Ulbricht und gegen den Widerstand des konservativen Flügels 1963 mit dem sperrig klingenden ' Neue Ökonomische System der Planung und Leitung' ein durchaus ernsthafter Reformansatz der vorherrschenden zentralen Planwirtschaft geschaffen wurde. Das Ziel dieser Politik war Zusammengefasst die partielle Schaffung von marktwirtschaftlicher Verhältnisse in der DDR und damit einer größeren Eigenständigkeit der Betriebe. Der Einfluß der Politfunktionäre auf die Wirtschaft sollte zurückgedrängt werden.
Was die wissenschaftliche Begleitung dieser Politik ebenso interessant macht ist die Tatsache das es in der Zeit von 1963, besonders ab 1965 bis 1967 eine sehr enge Zusammenarbeit mit führenden Wirtschaftswissenschaftlern aus entsprechenden Institutionen der CSSR gab die später als Reformer des sozialistischen Systems bekannt wurden, so zum Beispiel mit Ota Sik dessen Hauptwerk "Ökonomie, Interesse, Politik" von 1966 in der DDR mit einem Vorwort von Otto Reinhold dem damals führenden Wirtschaftswissenschaftlers der DDR erschien .
Die Wirtschaftsreformen in der CSSR und der DDR waren im Grunde zwei Varianten desselben Versuchs.
Allerdings wurden die später nicht mehr kontrollierbare Entwicklung ab 1968 in der CSSR eine "Gefahr" für Ulbrichts Umbaupläne. Jede Zuspitzung der Situation in der CSSR war Wasser auf die Mühlen der Reformgegner im eigenen Land.
Den Weg der tschechischen Kommunisten in aller Konsequenz zu gehen war Ulbricht weder willens noch in der Lage.
Eine wirkliche Demokratisierung der DDR hätte nicht nur die Alleinherrschaft der SED, sondern die Existenz des Staates gefährdet.
Im Gegensatz zu den anderen Ländern des Ostblocks beruhte die Legitimation der DDR als Staat einzig auf der herrschenden Ideologie und damit bei deren Vertretern, der SED. Alle anderen osteuropäischen Staaten hatten als Legitimation ihre Nationalität .....
Letztendlich hatte noch Moskau ein Wörtchen mitzureden und ein wirtschaftlicher "Alleingang" der DDR war schlicht inakzeptabel
Weitgehend ungeklärt ist auch der wirkliche Hintergrund des Besuchs von Ulbricht am 12./13. August 1968 in der CSSR wo er mit Dubcek zusammentraf .....
Eines wußte Ulbricht allerdings als Politiker und Machtmensch, er konnte weder ein Gelingen der Reformpolitik in der CSSR, noch ein Scheitern selbiger wünschen.*
Das Nachbeben von 1968 führte 1971 zur Entmachtung von Ulbricht durch die Reformgegner mit dem Segen aus Moskau und es begann in der DDR das Primat der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik und damit ein 'Leben' als ob es kein Morgen gäbe ......
* die letzten Absätze sind in ihrer Gänze ausführlich bei Stefan Wolle, "Aufbruch nach Utopia" nachzulesen.